Autoren
Dr. Malek Park-Said, Dr. Piero Sansone
Datum

05. Januar 2024

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Das neue Jahr hat begonnen. Zeit sich noch einmal vor Augen zu führen, welche Änderungen das neue Jahr im Arbeitsrecht und für die HR-Praxis bringt.

I. Was bringt das neue Jahr? Die wichtigsten Änderungen

Zunächst zu den wichtigsten Änderungen von der telefonischen Krankmeldung bis zum Hinweisgeberschutzgesetz:

1. Telefonische Krankschreibung

Während der Corona-Pandemie wurde erstmals die Möglichkeit zur telefonischen Krankmeldung eingeführt. Seit dem 07.12.2023 ist dies wieder bis auf Weiteres möglich. Ursprünglich zur Eindämmung von Corona eingeführt, soll sie jetzt der Entlastung der Arztpraxen und generell der Infektionsprävention bei allen Erkrankungen dienen.

Die telefonische Krankschreibung bei Infektionen ist für maximal 5 Tage möglich. Voraussetzungen sind:

  • Es handelt sich nur um einen leichten grippalen Infekt.
  • Der Patient ist der Praxis bereits bekannt.
  • Eine Video-Konsultation ist nicht möglich.

2. Mindestlohn und Verdienstgrenze bei Minijobbern

Das Bundeskabinett hat am 15.11.2023 die Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung beschlossen (vgl. Pressemitteilung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Mit Wirkung zum 01.01.2024 wurde der Mindestlohn von 12,00 € auf 12,41 € je Zeitstunde angehoben. Zum 01.01.2025 steigt er auf 12,82 €.

Auch die Verdienstgrenze für Minijobs wurde zum 01.01.2024 auf 538 € brutto im Monat angehoben. Die jährliche Verdienstgrenze erhöht sich entsprechend auf 6.456 € brutto.

3. Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz setzt die EU-Whistleblower-Richtlinie um. Es soll Beschäftigten ermöglichen, Ordnungswidrigkeiten, sonstige Rechtsverstöße im Unternehmen und Straftaten über ein internes Hinweisgebersystem zu melden, ohne eigene Nachteile befürchten zu müssen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt bereits seit dem 02.07.2023 (vgl. hierzu unseren ausführlichen Blog-Beitrag „Update Whistleblowing: Bundestag beschließt Hinweisgeberschutzgesetz“). Für größere Unternehmen sah es schon seitdem eine Pflicht vor, eine interne Meldestelle für Hinweisgeber einzurichten.

Seit dem 17.12.2023 gilt die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nun auch für kleine und mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten, wobei sich solche Unternehmen auch eine Meldestelle teilen können (§ 14 Abs. 2 HinSchG).

4. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) ist bereits zum 01.01.2023 in Kraft getreten (vgl. hierzu bereits unseren Blogbeitrag  Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz). Wichtig sind auch dessen arbeitsrechtliche Vorgaben (hierzu instruktiv Sagan/Schmidt, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Ein Überblick aus der Perspektive des Arbeitsrechts, NZA-RR 2022, 281).

Zu erwähnen ist zum einen insbesondere das in § 8 LkSG vorgesehene Beschwerdeverfahren, das die Unternehmen – auch für unternehmensinterne Hinweisgeber – einzurichten und auszugestalten haben. Zum anderen ist die Mitbestimmung nach § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG zu beachten, wonach „Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten zählen, über die das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend zu unterrichten hat.

Die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gewinnen nun noch mehr Bedeutung: Galt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bislang für Unternehmen mit in der Regel mindestens 3.000 Beschäftigten im Inland, wurde der Schwellenwert seit dem 01.01.2024 auf 1.000 Beschäftigte abgesenkt.

„Mitzuzählen“ sind dabei auch ins Ausland entsandte Arbeitnehmer sowie entliehene Leiharbeitnehmer, wenn ihre Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Bei verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG ist außerdem zu beachten, dass die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer aller konzernangehörigen Unternehmen bei der Berechnung des Schwellenwertes für die Obergesellschaft mitzählen.

5. Reformen zur Aus- und Weiterbildungsförderung

Ab dem 01.04.2024 wird im Rahmen von Maßnahmen zur Weiterbildungsförderung neben einer „Ausbildungsgarantie“ u.a. das Qualifizierungsgeld als besondere Form der staatlichen Lohnersatzleistung eingeführt (§§ 82a SGB III ff.). Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz durch die Transformation der Arbeitswelt bedroht ist, können von der Arbeit freigestellt werden und in dieser Zeit eine Weiterbildung absolvieren, um anschließend auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden zu können.

Die Entgeltersatzleistung beträgt 60 bzw. 67 Prozent des durch die Freistellung entfallenden Nettoentgelts und wird von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. Voraussetzung für die Entgeltersatzleistung ist ein kollektiver Tatbestand. Persönliche und betriebliche Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Im Betrieb müssen mindestens 20 % der Beschäftigten vom Strukturwandel betroffen sein, bei weniger als 250 Beschäftigten 10 %.
  • Es muss eine Kollektivvereinbarung (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) bestehen, die betriebsbezogene Regelungen über die Gewährung des Qualifizierungszuschusses enthält; in Kleinbetrieben kann ersatzweise eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers über die Einzelheiten der Inanspruchnahme erfolgen.
  • In persönlicher Hinsicht muss die Weiterbildung im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgen. Der Arbeitnehmer darf in den letzten vier Jahren vor Antragstellung an keiner Qualifizierungsmaßnahme teilgenommen haben.
  • Die Weiterbildungskosten trägt der Arbeitgeber.

6. Elterngeld

Sehr kontrovers geführt wurde im vergangenen Jahr die Debatte über die Absenkung der Einkommensgrenze für das Elterngeld. Zunächst wurde von der Bundesregierung die Absenkung der Einkommensgrenze von 300.000 € für Paare bzw. von 250.000 € für Alleinerziehende auf einen Betrag von 150.000 € des zu versteuernden Einkommens geplant. Die Einkommensgrenze wird nunmehr in zwei Schritten zum 01.04.2024 abgesenkt:

  • Für Ehepaare: Für Geburten ab dem 01.04.2024 auf 200.000 € und zum 01.04.2025 auf 175.000 €
  • Für Alleinerziehende: Für Geburten ab dem 01.04.2024 auf 150.000 €.

Ab April 2024 ändern sich auch die Rahmenbedingungen für die sog. Partnermonate: Weiterhin können Eltern insgesamt 14 Monate Elterngeld beziehen. Das gleichzeitige Beziehen von Elterngeld soll innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes nur noch für einen Monat möglich sein. Mindestens einer der Partnermonate muss allein genommen werden. Bisher können Paare maximal 14 Monate lang das Standard-Elterngeld beziehen und die Monate frei kombinieren.

7. Kinderkrankengeld

Das Kinderkrankengeld wird für die Jahre 2024 und 2025 angepasst. Der Anspruch besteht bei Erkrankung des Kindes für 15 Tage pro Kind und Elternteil, sofern die weiteren Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Alleinerziehende bis zu 30 Arbeitstage). Insgesamt ist der Anspruch auf 35 Tage pro Elternteil begrenzt (Alleinerziehende bis zu 70 Tage).

Damit wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld im Vergleich zu der im Zuge der Corona-Pandemie geltenden Regelung verringert (pro Kind und Elternteil 30, insgesamt 65 Tage; bei Alleinerziehenden 60 pro Kind, insgesamt 130), die Anzahl der Tage bleibt aber höher als vor 2020 (seinerzeit: je Elternteil 10 Tage, Alleinerziehende 20).

8. Ausgleichsabgabe für Nichtbesetzung inklusiver Arbeitsplätze

Seit dem 01.01.2024 wurde die maximal zu zahlende Ausgleichsabgabe erhöht, die zu zahlen ist, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten (i.d.R. 5 %) für die Besetzung von Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten unterschritten werden.

Bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0 Prozent beläuft sich die Ausgleichsabgabe ab dem 01.01.2024 auf 720 € (§ 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB IX). Zudem können Arbeitgeber künftig höhere Lohnkostenzuschüsse erhalten, wenn sie Beschäftigte einstellen, die bisher in Behindertenwerkstätten tätig waren.

9. Unfallversicherungs-Anzeigenverordnung

Mit der Novellierung der Unfallversicherungs-Meldeverordnung wird ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung der öffentlichen Träger getan.

Ab dem 01.01.2024 können Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten per elektronischer Datenübertragung als Meldeweg an die gesetzliche Unfallversicherung gemeldet werden. Verpflichtend wird dies jedoch erst ab 2027.

10. Fachkräfteeinwanderung

Ob Nancy Faeser recht hat, wenn sie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dessen Anpassungen als modernstes Einwanderungsgesetz der Welt bezeichnet?

Nach seiner Einführung am 18.11.2023 wird es in den kommenden Jahren jedenfalls in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2021/1883 weiter modifiziert werden, um den bereits bestehenden und sich weiter abzeichnenden Fachkräftemangel zu verringern. Anforderungen an die Einwanderung sollen hierfür – abhängig von Qualifikation, Ausbildung oder „Potenzial“ bzw. Chancen auf dem Arbeitsmarkt – schrittweise gelockert werden.

  • Bereits seit November 2023 wurden erste Erleichterungen eingeführt, die insbesondere die sog. „Blaue Karte“ als spezieller Aufenthaltstitel für besonders hochqualifizierte Drittstaatsangehörige zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen. Es wurden u.a. die Verdienstgrenzen orientiert an der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung auf ein Jahreseinkommen von derzeit 43.800 € anstelle von 58.400 € abgesenkt und in sog. Mangelberufen (insbesondere Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin) auf derzeit 39.682,80 €.
  • IT-Spezialistinnen und -Spezialisten können eine „Blaue Karte“ erhalten, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss oder Fachkräfte mit Berufsausbildung können selbst dann nicht reglementierte Berufe ausüben, wenn kein Bezug zu ihrem Abschluss besteht (reglementiert in diesem Sinne ist z.B. der Beruf als Lehrer, Arzt oder Rechtsanwalt).
  • Ab März 2024 folgen nun weitere Gesetzesänderungen. U.a. werden die Anforderung an die Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation gesenkt. Fachkräfte können nach einer zweijährigen Ausbildung im Herkunftsstaat in nicht reglementierten Berufen arbeiten, wenn sie über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung verfügen. Die notwendige Berufserfahrung von IT-Fachkräften wird auf zwei Jahre verringert
  • Neu ist ab Juni 2024 die sog. „Chancenkarte“, mit der Drittstaatsangehörige zur Arbeitssuche einreisen können. Fachkräfte mit einer anerkannten Berufsausbildung oder einer akademischen Berufsausbildung erhalten die Karte ohne weitere Voraussetzungen. Für andere Drittstaatsangehörige gelten folgende Voraussetzungen:
    • Sie müssen einen im Ausbildungsstaat anerkannten qualifizierten Berufs- oder Hochschulabschluss nachweisen. Alternativ ist unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen auch ein Abschluss einer deutschen Auslandshandelskammer möglich.
    • Darüber hinaus müssen einfache Sprachkenntnisse in Deutsch (A1) oder Englisch (B2) nachgewiesen werden.
    • Schließlich müssen sechs Punkte nach einem Punktesystem erreicht werden, die für fachliche Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, den Bezug zu Deutschland und das Alter vergeben werden.

Die Bewältigung des Fachkräftemangels wird auch unter Geltung des Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine Herausforderung Faktor für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland bleiben. Für inländische Unternehmen bieten die Neuregelungen aber durchaus Chancen beim Anwerben von Fachkräften aus Drittstaaten.

II. Und was kommt noch? Ausblick auf die spannendsten Entwicklungen

Bereits jetzt steht fest, dass die Entwicklungen im Arbeitsrecht dynamisch bleiben. Hier die wesentlichen „Hot Topics“, die Unternehmen im Auge behalten sollten:

1. Arbeitszeiterfassung

In unserem Blog („Stechuhr“-Entscheidung des BAG) haben wir bereits über die „Stechuhr“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) berichtet. Arbeitgeber seien danach nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System zur Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Mehrarbeit einzuführen. Die genaue Ausgestaltung durch den Arbeitgeber ließ das Bundesarbeitsgericht allerdings offen und hat hierfür auf den Gesetzgeber verwiesen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Regelungsauftrag aufgegriffen und im April 2023 einen Referentenentwurf zur Neufassung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt (vgl. hierzu bereits unseren Blog-Beitrag Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes).

Der Referentenentwurf sieht im Kern folgende Pflichten vor:

  • Elektronische Arbeitszeiterfassung  von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, wobei der Entwurf beispielhaft von der elektronischen Aufzeichnung durch Apps auf Mobiltelefonen oder herkömmlichen Tabellenkalkulationsprogrammen wie beispielsweise Excel spricht.
  • Die Erfassung hat grundsätzlich am selben Tag wie die geleistete Arbeit zu erfolgen, d.h. die Aufzeichnungspflicht besteht „tagesaktuell“.
  • Die Verantwortung für die Aufzeichnung der Arbeitszeit liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Auch nach der Konzeption des Referentenentwurfs können Arbeitgeber die Aufzeichnung aber an Arbeitnehmer oder Dritte (z.B. Vorgesetzte oder Entleiher von Leiharbeitnehmern) delegieren.

Möglicherweise ist bereits in diesem Jahr mit einer gesetzlichen Anpassung des Arbeitszeitgesetzes und einer Klärung der drängenden Fragen, die das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgeworfen hat, zu rechnen. Auf Arbeitgeberseite wird das Gesetz und jede weitere Entwicklung zum Referentenentwurf jedenfalls mit Spannung erwartet.

2. Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Mit Spannung sollte auch die Umsetzung der im Juni 2023 in Kraft getretenen EU-Entgelttransparenzrichtlinie verfolgt werden. Sie ist bis zum 07.06.2026 in nationales Recht umzusetzen und sieht erhebliche Verschärfungen zum derzeit geltenden Entgelttransparenzgesetz vor, u.a. umfangreiche Informationspflichten im laufenden Arbeitsverhältnis und bereits im Bewerbungsverfahren sowie weitreichende Auskunftsrechte für Arbeitnehmer.

Unternehmen kann dabei nur geraten werden, den Zeitraum bis zur Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber bereits zu nutzen, um die Entgeltstrukturen auf Konformität mit der Richtlinie zu prüfen und etwaige erforderliche Anpassungen einzuleiten. Denn die Anpassung von Vergütungssystemen braucht erfahrungsgemäß einigen Vorlauf.

3. Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Über die Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 (6 StR 133/22), wonach der Straftatbestand der Untreue bei überhöhter Vergütung von Betriebsratsmitgliedern erfüllt sein kann, haben wir bereits ausführlich in unserem Blog berichtet (Betriebsratsvergütung: Das Ende vom rechtlichen Flankenschutz für Sonderkarrieren).

Mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (Bundesrat-Drucksache 0564-23) sollen Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern beseitigt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesentwurf noch Änderungen unterliegt. Es wird mit einem schnellen Gesetzgebungsprozess gerechnet.

Die vorgesehenen Änderungen im Gesetzesentwurf sind überwiegend klarstellender Natur und bewegen sich auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Besonders hervorzuheben ist jedoch die beabsichtigte gesetzliche Aufnahme der in der Rechtsprechung anerkannten Möglichkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regelt. Die Rechtssicherheit für Arbeitgeber würden durch solche Betriebsvereinbarungen deutlich erhöht. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in der Betriebsvereinbarung und die Festlegung von Vergleichspersonen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden könnte.

4. Familienstartzeit (Väterzeit)

Eine zeitnahe Regelung für Anfang 2024 wurde hinsichtlich der sog. Familienstartzeit erwartet. Obwohl die dem zugrundeliegende EU-Richtlinie bis zum 02.08.2022 in nationales Recht umzusetzen war und die EU wegen der nicht fristgerechten Umsetzung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, befindet sich der Referentenentwurf des Familienministeriums noch in der Ressortabstimmung.

Der Entwurf des Familienstartzeitgesetz sieht für den nicht gebärenden Elternteil einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Dauer von zehn Arbeitstagen (bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche) nach der Geburt eines Kindes vor. Währenddessen erhält der Partner vom Arbeitgeber sog. Partnerschaftslohn, der sich nach den Regeln des Mutterschutzlohns berechnet.

5. Massenentlassungsanzeige und Konsultationsverfahren

Arbeitsrechtliche Änderungen bleiben nicht nur der Gesetzgebung überlassen. Wichtige Impulse sind weiterhin von der Rechtsprechung zu erwarten.

Wie bereits berichtet (vgl. ausführlich unsere Blogbeiträge zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2023 und zur am 22.12.2023 veröffentlichen Begründung des Vorlagebeschlusses), beabsichtigt beispielsweise der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts, die Rechtsprechung zum Massenentlassungsverfahren nach § 17 KSchG zu ändern. Fehler bei Erstatten der Massenentlassungsanzeige sollen nicht mehr zur Unwirksamkeit von Kündigungen führen. Fehler im zuvor mit dem zuständigen Betriebsrat durchzuführenden Konsultationsverfahren sollen weiterhin die Unwirksamkeit von Kündigungen auslösen können.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Sechste Senat jedoch nicht alleine ändern und hat deshalb den Zweiten Senat hierzu angefragt. Nun bleibt abzuwarten, ob der Zweite Senat sich der Auffassung des Sechsten Senats im Rahmen der sog. Divergenzanfrage anschließt. Schließt er sich nicht an, läge die Entscheidung über das Sanktionssystem für Fehler beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen in den Händen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (gebildet aus der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, je einem Berufsrichter der neun weiteren Senate, in denen die Präsidentin nicht den Vorsitz führt, und je drei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber).

Auch wenn die „Kehrtwende“ nur das Erstatten von Massenentlassungsanzeigen beträfe und nicht auch das mit dem zuständigen Betriebsrat durchzuführende Konsultationsverfahren, wäre eine Änderung der Rechtsprechung ein wichtiger Schritt beim arbeitsrechtlichen Bürokratieabbau.

III. Fazit

Auch im diesem Jahr stehen viele bedeutsame Veränderungen im Arbeitsrecht an, die zu Anpassungsbedarf in der betrieblichen Praxis führen werden. Wir halten Sie über die neusten Entwicklungen auf dem Laufenden. Besuchen Sie gerne unseren Blog.

Update Arbeitsrecht 2024

Das neue Jahr hat begonnen. Zeit sich noch einmal vor Augen zu führen, welche Änderungen das neue Jahr im Arbeitsrecht und für die HR-Praxis bringt.

I. Was bringt das neue Jahr? Die wichtigsten Änderungen

Zunächst zu den wichtigsten Änderungen von der telefonischen Krankmeldung bis zum Hinweisgeberschutzgesetz:

1. Telefonische Krankschreibung

Während der Corona-Pandemie wurde erstmals die Möglichkeit zur telefonischen Krankmeldung eingeführt. Seit dem 07.12.2023 ist dies wieder bis auf Weiteres möglich. Ursprünglich zur Eindämmung von Corona eingeführt, soll sie jetzt der Entlastung der Arztpraxen und generell der Infektionsprävention bei allen Erkrankungen dienen.

Die telefonische Krankschreibung bei Infektionen ist für maximal 5 Tage möglich. Voraussetzungen sind:

  • Es handelt sich nur um einen leichten grippalen Infekt.
  • Der Patient ist der Praxis bereits bekannt.
  • Eine Video-Konsultation ist nicht möglich.

2. Mindestlohn und Verdienstgrenze bei Minijobbern

Das Bundeskabinett hat am 15.11.2023 die Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung beschlossen (vgl. Pressemitteilung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Mit Wirkung zum 01.01.2024 wurde der Mindestlohn von 12,00 € auf 12,41 € je Zeitstunde angehoben. Zum 01.01.2025 steigt er auf 12,82 €.

Auch die Verdienstgrenze für Minijobs wurde zum 01.01.2024 auf 538 € brutto im Monat angehoben. Die jährliche Verdienstgrenze erhöht sich entsprechend auf 6.456 € brutto.

3. Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz setzt die EU-Whistleblower-Richtlinie um. Es soll Beschäftigten ermöglichen, Ordnungswidrigkeiten, sonstige Rechtsverstöße im Unternehmen und Straftaten über ein internes Hinweisgebersystem zu melden, ohne eigene Nachteile befürchten zu müssen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt bereits seit dem 02.07.2023 (vgl. hierzu unseren ausführlichen Blog-Beitrag „Update Whistleblowing: Bundestag beschließt Hinweisgeberschutzgesetz“). Für größere Unternehmen sah es schon seitdem eine Pflicht vor, eine interne Meldestelle für Hinweisgeber einzurichten.

Seit dem 17.12.2023 gilt die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nun auch für kleine und mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten, wobei sich solche Unternehmen auch eine Meldestelle teilen können (§ 14 Abs. 2 HinSchG).

4. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) ist bereits zum 01.01.2023 in Kraft getreten (vgl. hierzu bereits unseren Blogbeitrag  Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz). Wichtig sind auch dessen arbeitsrechtliche Vorgaben (hierzu instruktiv Sagan/Schmidt, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Ein Überblick aus der Perspektive des Arbeitsrechts, NZA-RR 2022, 281).

Zu erwähnen ist zum einen insbesondere das in § 8 LkSG vorgesehene Beschwerdeverfahren, das die Unternehmen – auch für unternehmensinterne Hinweisgeber – einzurichten und auszugestalten haben. Zum anderen ist die Mitbestimmung nach § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG zu beachten, wonach „Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten zählen, über die das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend zu unterrichten hat.

Die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gewinnen nun noch mehr Bedeutung: Galt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bislang für Unternehmen mit in der Regel mindestens 3.000 Beschäftigten im Inland, wurde der Schwellenwert seit dem 01.01.2024 auf 1.000 Beschäftigte abgesenkt.

„Mitzuzählen“ sind dabei auch ins Ausland entsandte Arbeitnehmer sowie entliehene Leiharbeitnehmer, wenn ihre Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Bei verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG ist außerdem zu beachten, dass die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer aller konzernangehörigen Unternehmen bei der Berechnung des Schwellenwertes für die Obergesellschaft mitzählen.

5. Reformen zur Aus- und Weiterbildungsförderung

Ab dem 01.04.2024 wird im Rahmen von Maßnahmen zur Weiterbildungsförderung neben einer „Ausbildungsgarantie“ u.a. das Qualifizierungsgeld als besondere Form der staatlichen Lohnersatzleistung eingeführt (§§ 82a SGB III ff.). Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz durch die Transformation der Arbeitswelt bedroht ist, können von der Arbeit freigestellt werden und in dieser Zeit eine Weiterbildung absolvieren, um anschließend auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden zu können.

Die Entgeltersatzleistung beträgt 60 bzw. 67 Prozent des durch die Freistellung entfallenden Nettoentgelts und wird von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. Voraussetzung für die Entgeltersatzleistung ist ein kollektiver Tatbestand. Persönliche und betriebliche Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Im Betrieb müssen mindestens 20 % der Beschäftigten vom Strukturwandel betroffen sein, bei weniger als 250 Beschäftigten 10 %.
  • Es muss eine Kollektivvereinbarung (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) bestehen, die betriebsbezogene Regelungen über die Gewährung des Qualifizierungszuschusses enthält; in Kleinbetrieben kann ersatzweise eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers über die Einzelheiten der Inanspruchnahme erfolgen.
  • In persönlicher Hinsicht muss die Weiterbildung im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgen. Der Arbeitnehmer darf in den letzten vier Jahren vor Antragstellung an keiner Qualifizierungsmaßnahme teilgenommen haben.
  • Die Weiterbildungskosten trägt der Arbeitgeber.

6. Elterngeld

Sehr kontrovers geführt wurde im vergangenen Jahr die Debatte über die Absenkung der Einkommensgrenze für das Elterngeld. Zunächst wurde von der Bundesregierung die Absenkung der Einkommensgrenze von 300.000 € für Paare bzw. von 250.000 € für Alleinerziehende auf einen Betrag von 150.000 € des zu versteuernden Einkommens geplant. Die Einkommensgrenze wird nunmehr in zwei Schritten zum 01.04.2024 abgesenkt:

  • Für Ehepaare: Für Geburten ab dem 01.04.2024 auf 200.000 € und zum 01.04.2025 auf 175.000 €
  • Für Alleinerziehende: Für Geburten ab dem 01.04.2024 auf 150.000 €.

Ab April 2024 ändern sich auch die Rahmenbedingungen für die sog. Partnermonate: Weiterhin können Eltern insgesamt 14 Monate Elterngeld beziehen. Das gleichzeitige Beziehen von Elterngeld soll innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes nur noch für einen Monat möglich sein. Mindestens einer der Partnermonate muss allein genommen werden. Bisher können Paare maximal 14 Monate lang das Standard-Elterngeld beziehen und die Monate frei kombinieren.

7. Kinderkrankengeld

Das Kinderkrankengeld wird für die Jahre 2024 und 2025 angepasst. Der Anspruch besteht bei Erkrankung des Kindes für 15 Tage pro Kind und Elternteil, sofern die weiteren Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Alleinerziehende bis zu 30 Arbeitstage). Insgesamt ist der Anspruch auf 35 Tage pro Elternteil begrenzt (Alleinerziehende bis zu 70 Tage).

Damit wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld im Vergleich zu der im Zuge der Corona-Pandemie geltenden Regelung verringert (pro Kind und Elternteil 30, insgesamt 65 Tage; bei Alleinerziehenden 60 pro Kind, insgesamt 130), die Anzahl der Tage bleibt aber höher als vor 2020 (seinerzeit: je Elternteil 10 Tage, Alleinerziehende 20).

8. Ausgleichsabgabe für Nichtbesetzung inklusiver Arbeitsplätze

Seit dem 01.01.2024 wurde die maximal zu zahlende Ausgleichsabgabe erhöht, die zu zahlen ist, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten (i.d.R. 5 %) für die Besetzung von Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten unterschritten werden.

Bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0 Prozent beläuft sich die Ausgleichsabgabe ab dem 01.01.2024 auf 720 € (§ 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB IX). Zudem können Arbeitgeber künftig höhere Lohnkostenzuschüsse erhalten, wenn sie Beschäftigte einstellen, die bisher in Behindertenwerkstätten tätig waren.

9. Unfallversicherungs-Anzeigenverordnung

Mit der Novellierung der Unfallversicherungs-Meldeverordnung wird ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung der öffentlichen Träger getan.

Ab dem 01.01.2024 können Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten per elektronischer Datenübertragung als Meldeweg an die gesetzliche Unfallversicherung gemeldet werden. Verpflichtend wird dies jedoch erst ab 2027.

10. Fachkräfteeinwanderung

Ob Nancy Faeser recht hat, wenn sie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dessen Anpassungen als modernstes Einwanderungsgesetz der Welt bezeichnet?

Nach seiner Einführung am 18.11.2023 wird es in den kommenden Jahren jedenfalls in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2021/1883 weiter modifiziert werden, um den bereits bestehenden und sich weiter abzeichnenden Fachkräftemangel zu verringern. Anforderungen an die Einwanderung sollen hierfür – abhängig von Qualifikation, Ausbildung oder „Potenzial“ bzw. Chancen auf dem Arbeitsmarkt – schrittweise gelockert werden.

  • Bereits seit November 2023 wurden erste Erleichterungen eingeführt, die insbesondere die sog. „Blaue Karte“ als spezieller Aufenthaltstitel für besonders hochqualifizierte Drittstaatsangehörige zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen. Es wurden u.a. die Verdienstgrenzen orientiert an der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung auf ein Jahreseinkommen von derzeit 43.800 € anstelle von 58.400 € abgesenkt und in sog. Mangelberufen (insbesondere Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin) auf derzeit 39.682,80 €.
  • IT-Spezialistinnen und -Spezialisten können eine „Blaue Karte“ erhalten, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss oder Fachkräfte mit Berufsausbildung können selbst dann nicht reglementierte Berufe ausüben, wenn kein Bezug zu ihrem Abschluss besteht (reglementiert in diesem Sinne ist z.B. der Beruf als Lehrer, Arzt oder Rechtsanwalt).
  • Ab März 2024 folgen nun weitere Gesetzesänderungen. U.a. werden die Anforderung an die Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation gesenkt. Fachkräfte können nach einer zweijährigen Ausbildung im Herkunftsstaat in nicht reglementierten Berufen arbeiten, wenn sie über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung verfügen. Die notwendige Berufserfahrung von IT-Fachkräften wird auf zwei Jahre verringert
  • Neu ist ab Juni 2024 die sog. „Chancenkarte“, mit der Drittstaatsangehörige zur Arbeitssuche einreisen können. Fachkräfte mit einer anerkannten Berufsausbildung oder einer akademischen Berufsausbildung erhalten die Karte ohne weitere Voraussetzungen. Für andere Drittstaatsangehörige gelten folgende Voraussetzungen:
    • Sie müssen einen im Ausbildungsstaat anerkannten qualifizierten Berufs- oder Hochschulabschluss nachweisen. Alternativ ist unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen auch ein Abschluss einer deutschen Auslandshandelskammer möglich.
    • Darüber hinaus müssen einfache Sprachkenntnisse in Deutsch (A1) oder Englisch (B2) nachgewiesen werden.
    • Schließlich müssen sechs Punkte nach einem Punktesystem erreicht werden, die für fachliche Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, den Bezug zu Deutschland und das Alter vergeben werden.

Die Bewältigung des Fachkräftemangels wird auch unter Geltung des Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine Herausforderung Faktor für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland bleiben. Für inländische Unternehmen bieten die Neuregelungen aber durchaus Chancen beim Anwerben von Fachkräften aus Drittstaaten.

II. Und was kommt noch? Ausblick auf die spannendsten Entwicklungen

Bereits jetzt steht fest, dass die Entwicklungen im Arbeitsrecht dynamisch bleiben. Hier die wesentlichen „Hot Topics“, die Unternehmen im Auge behalten sollten:

1. Arbeitszeiterfassung

In unserem Blog („Stechuhr“-Entscheidung des BAG) haben wir bereits über die „Stechuhr“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) berichtet. Arbeitgeber seien danach nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System zur Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Mehrarbeit einzuführen. Die genaue Ausgestaltung durch den Arbeitgeber ließ das Bundesarbeitsgericht allerdings offen und hat hierfür auf den Gesetzgeber verwiesen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Regelungsauftrag aufgegriffen und im April 2023 einen Referentenentwurf zur Neufassung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt (vgl. hierzu bereits unseren Blog-Beitrag Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes).

Der Referentenentwurf sieht im Kern folgende Pflichten vor:

  • Elektronische Arbeitszeiterfassung  von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, wobei der Entwurf beispielhaft von der elektronischen Aufzeichnung durch Apps auf Mobiltelefonen oder herkömmlichen Tabellenkalkulationsprogrammen wie beispielsweise Excel spricht.
  • Die Erfassung hat grundsätzlich am selben Tag wie die geleistete Arbeit zu erfolgen, d.h. die Aufzeichnungspflicht besteht „tagesaktuell“.
  • Die Verantwortung für die Aufzeichnung der Arbeitszeit liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Auch nach der Konzeption des Referentenentwurfs können Arbeitgeber die Aufzeichnung aber an Arbeitnehmer oder Dritte (z.B. Vorgesetzte oder Entleiher von Leiharbeitnehmern) delegieren.

Möglicherweise ist bereits in diesem Jahr mit einer gesetzlichen Anpassung des Arbeitszeitgesetzes und einer Klärung der drängenden Fragen, die das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgeworfen hat, zu rechnen. Auf Arbeitgeberseite wird das Gesetz und jede weitere Entwicklung zum Referentenentwurf jedenfalls mit Spannung erwartet.

2. Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Mit Spannung sollte auch die Umsetzung der im Juni 2023 in Kraft getretenen EU-Entgelttransparenzrichtlinie verfolgt werden. Sie ist bis zum 07.06.2026 in nationales Recht umzusetzen und sieht erhebliche Verschärfungen zum derzeit geltenden Entgelttransparenzgesetz vor, u.a. umfangreiche Informationspflichten im laufenden Arbeitsverhältnis und bereits im Bewerbungsverfahren sowie weitreichende Auskunftsrechte für Arbeitnehmer.

Unternehmen kann dabei nur geraten werden, den Zeitraum bis zur Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber bereits zu nutzen, um die Entgeltstrukturen auf Konformität mit der Richtlinie zu prüfen und etwaige erforderliche Anpassungen einzuleiten. Denn die Anpassung von Vergütungssystemen braucht erfahrungsgemäß einigen Vorlauf.

3. Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Über die Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 (6 StR 133/22), wonach der Straftatbestand der Untreue bei überhöhter Vergütung von Betriebsratsmitgliedern erfüllt sein kann, haben wir bereits ausführlich in unserem Blog berichtet (Betriebsratsvergütung: Das Ende vom rechtlichen Flankenschutz für Sonderkarrieren).

Mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (Bundesrat-Drucksache 0564-23) sollen Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern beseitigt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesentwurf noch Änderungen unterliegt. Es wird mit einem schnellen Gesetzgebungsprozess gerechnet.

Die vorgesehenen Änderungen im Gesetzesentwurf sind überwiegend klarstellender Natur und bewegen sich auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Besonders hervorzuheben ist jedoch die beabsichtigte gesetzliche Aufnahme der in der Rechtsprechung anerkannten Möglichkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regelt. Die Rechtssicherheit für Arbeitgeber würden durch solche Betriebsvereinbarungen deutlich erhöht. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in der Betriebsvereinbarung und die Festlegung von Vergleichspersonen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden könnte.

4. Familienstartzeit (Väterzeit)

Eine zeitnahe Regelung für Anfang 2024 wurde hinsichtlich der sog. Familienstartzeit erwartet. Obwohl die dem zugrundeliegende EU-Richtlinie bis zum 02.08.2022 in nationales Recht umzusetzen war und die EU wegen der nicht fristgerechten Umsetzung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, befindet sich der Referentenentwurf des Familienministeriums noch in der Ressortabstimmung.

Der Entwurf des Familienstartzeitgesetz sieht für den nicht gebärenden Elternteil einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Dauer von zehn Arbeitstagen (bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche) nach der Geburt eines Kindes vor. Währenddessen erhält der Partner vom Arbeitgeber sog. Partnerschaftslohn, der sich nach den Regeln des Mutterschutzlohns berechnet.

5. Massenentlassungsanzeige und Konsultationsverfahren

Arbeitsrechtliche Änderungen bleiben nicht nur der Gesetzgebung überlassen. Wichtige Impulse sind weiterhin von der Rechtsprechung zu erwarten.

Wie bereits berichtet (vgl. ausführlich unsere Blogbeiträge zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2023 und zur am 22.12.2023 veröffentlichen Begründung des Vorlagebeschlusses), beabsichtigt beispielsweise der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts, die Rechtsprechung zum Massenentlassungsverfahren nach § 17 KSchG zu ändern. Fehler bei Erstatten der Massenentlassungsanzeige sollen nicht mehr zur Unwirksamkeit von Kündigungen führen. Fehler im zuvor mit dem zuständigen Betriebsrat durchzuführenden Konsultationsverfahren sollen weiterhin die Unwirksamkeit von Kündigungen auslösen können.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Sechste Senat jedoch nicht alleine ändern und hat deshalb den Zweiten Senat hierzu angefragt. Nun bleibt abzuwarten, ob der Zweite Senat sich der Auffassung des Sechsten Senats im Rahmen der sog. Divergenzanfrage anschließt. Schließt er sich nicht an, läge die Entscheidung über das Sanktionssystem für Fehler beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen in den Händen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (gebildet aus der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, je einem Berufsrichter der neun weiteren Senate, in denen die Präsidentin nicht den Vorsitz führt, und je drei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber).

Auch wenn die „Kehrtwende“ nur das Erstatten von Massenentlassungsanzeigen beträfe und nicht auch das mit dem zuständigen Betriebsrat durchzuführende Konsultationsverfahren, wäre eine Änderung der Rechtsprechung ein wichtiger Schritt beim arbeitsrechtlichen Bürokratieabbau.

III. Fazit

Auch im diesem Jahr stehen viele bedeutsame Veränderungen im Arbeitsrecht an, die zu Anpassungsbedarf in der betrieblichen Praxis führen werden. Wir halten Sie über die neusten Entwicklungen auf dem Laufenden. Besuchen Sie gerne unseren Blog.

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