Autoren
Dr. Piero Sansone
Datum

22. Dezember 2023

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Wie bereits berichtet, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 14. Dezember 2023 mitgeteilt, die Rechtsprechung zum Massenentlassungsverfahren nach § 17 KSchG ändern zu wollen und den Zweiten Senat hierzu angefragt (vgl. Sechster Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt grundlegende Rechtsprechungsänderung). Seit heute liegt die Begründung des Vorlagebeschlusses vor. Nun ist klar, wie sich der Sechste Senat den Rechtsprechungswandel vorstellt: Fehler bei Erstatten der Massenentlassungsanzeige sollen nicht mehr zur Unwirksamkeit von Kündigungen führen. Über Fehler im Konsultationsverfahren soll weiterhin das Damoklesschwert der Unwirksamkeit von Kündigungen schweben.

I. Hintergrund

Besteht in dem von Massenentlassungen betroffenen Betrieb ein Betriebsrat verlangt § 17 KSchG, dass vor Ausspruch der Kündigungen zwei Verfahren durchgeführt werden:

  1. Zunächst hat der Arbeitgeber mit dem – soweit vorhanden – zuständigen Betriebsrat das sog. Konsultationsverfahren durchzuführen. Im Konsultationsverfahren hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat bestimmte, gesetzlich vorgegebene Informationen mitzuteilen und mit ihm insbesondere die Möglichkeit zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 KSchG).
  2. Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens und vor Durchführung der Entlassungen ist die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit mit den gesetzlich vorgesehenen Angaben zu erstatten (§ 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG).

Bisher geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass viele Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben des § 17 KSchG sowohl im Rahmen des Konsultationserfahrens als auch bei Erstatten einer Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit aller erfassten Kündigungen führen.

Diese strenge Sichtweise wurde im juristischen Schrifttum zurecht vielfach kritisiert. Sie hat u.a. dazu geführt, dass in der anwaltlichen Praxis häufig mit einer großen Anzahl von vorsorglichen Massenentlassungsanzeigen gearbeitet wird, um möglichst für jede denkbare Konstellation eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet zu haben („gehört die entlegen gelegene weitere Betriebsstätte ggf. auch zu dem zu schließenden Betrieb, jedenfalls im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie?“ usw.).

II. Entscheidung des Sechsten Senats vom 14. Dezember 2023

Mit seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2023 hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts den Grundstein zu einer Kehrtwende von der bisherigen Rechtsprechung gelegt.

Ausgangspunkt waren mehrere Verfahren des Sechsten Senats (6 AZR 157/22, 6 AZR 155/21 und 6 AZR 121/22), in denen verschiedene Verstöße gegen die Vorgaben des § 17 KSchG beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen Gegenstand waren. Gegenstand des Verfahrens 6 AZR 157/22 war dabei ein Rechtsstreit, in dem ein Arbeitgeber trotz Überschreiten der in § 17 Abs. 1 KSchG vorgesehenen Schwellenwerten keine Massenentlassungsanzeige gestellt hatte. Nach bisheriger Rechtsprechung des Zweiten und Sechsten Senats ein klarer Fall, bei dem alle erfassten Kündigungen unwirksam waren.

Der Sechste Senat hat in den Verfahren 6 AZR 157/22 (B), 6 AZR 155/21 (B) und 6 AZR 121/22 (B) jedoch mitgeteilt, dass er beabsichtigt, seine Rechtsprechung aufzugeben, wonach eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB unwirksam ist, wenn im Zeitpunkt ihrer Erklärung keine oder eine fehlerhafte Anzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG vorliegt.

Da diese Änderung der Rechtsprechung jedoch von der bisherigen Rechtsprechung auch des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts seit dessen Urteil vom 22. November 2012 (Az.: 2 AZR 371/11) abweichen würde, hat der Sechste Senat eine sog. Divergenzanfrage an den Zweiten Senat gestellt.

Seit heute liegt die Begründung des Vorlagebeschlusses vor und bringt neue Erkenntnisse:

1. Der Sechste Senat meint es ernst mit der Kehrtwende

Wurde bislang nach Art des Fehlers der Massenentlassungsanzeige differenziert, sollen nach Auffassung des Sechsten Senats keinerlei Fehler und selbst das vollständige Fehlen einer Massenentlassungsanzeige nicht zu einer Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen nach § 134 BGB führen.

Der bisherigen Kritik folgend erkennt der Sechste Senat nunmehr zutreffend, dass der Gesetzgeber eine solche Sanktion nicht vorgesehen hat. Sie ist auch unionsrechtlich nicht geboten. Im Gegenteil: Aus Sicht der hierfür maßgeblichen Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (kurz: MERL) ist die Unwirksamkeit von Kündigungen bei Fehlern im Rahmen des administrativ-prozeduralen Anzeigeverfahrens eine unverhältnismäßige und damit unionsrechtlich unzulässige Rechtsfolge.

Zutreffend erkennt der Sechste Senat schließlich, dass die für derartige Fehler gebotene Sanktion primär vom Gesetzgeber zu bestimmen ist.

2. Die Kehrtwende soll nur das Anzeigeverfahren betreffen!

Hinsichtlich des Konsultationsverfahrens soll es beim strengen Maßstab der bisherigen Rechtsprechung bleiben. Fehler hierbei sollen weiterhin die Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB zur Folge haben, wie es bislang vom Zweiten und Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommen wird.

Zur Begründung weist der Sechste Senat darauf hin, dass das Konsultationsverfahren ein kollektives Informationsrecht regelt und dem Betriebsrat u.a. ermöglichen soll, dem Arbeitgeber konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um Massenentlassungen zu verhindern oder zu beschränken. Anders als die in § 102 Abs. 1 BetrVG vorgesehene Anhörung von Betriebsräten vor Ausspruch von Kündigungen sehe das Konsultationsverfahren damit eine Einflussmöglichkeit des Betriebsrats auf die Willensbildung des Arbeitgebers vor. Dann könne die Sanktion im Konsultationsverfahren nicht hinter der Sanktion für Fehler bei der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zurückbleiben.

Die Begründung überzeugt nicht: Anders als für das Konsultationsverfahren hat der Gesetzgeber in § 102 Abs. 1 Satz 3 KSchG die Unwirksamkeitsfolge für Kündigungen ausdrücklich angeordnet („Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam“). Es kann aber durchaus bezweifelt werden, ob die Auslegung des nationalen und Unionsrechts die Unwirksamkeit von Kündigung als Rechtsfolge für Fehler im Konsultationsverfahren rechtfertigt oder, ob dies nicht ebenfalls eine unverhältnismäßige und damit unionsrechtlich unzulässige Rechtsfolge darstellt. Eine ausdrückliche gesetzgeberische Anordnung fehlt jedenfalls. Entsprechend wird im Schrifttum diskutiert, ob auch für Fehler im Konsultationsverfahren andere, gleich effektive aber weniger einschneidende Rechtsfolgen bestehen (vgl. hierzu etwa Schubert/Schmitt, „One sanction fits all?”, Jahrbuch des Arbeitsrechts, Band 59, Seite 81 ff.).

III. Wie geht es weiter?

Zunächst bleibt abzuwarten, ob der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts sich der Auffassung des Sechsten Senats im Rahmen der sog. Divergenzanfrage anschließt. Das Arbeitsgerichtsgesetz verlangt insofern grundsätzlich, dass ein Senat des Bundesarbeitsgerichts, der – wie vorliegend – von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen möchte, zunächst bei diesem Senat eine Anfrage stellt, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 45 Abs. 3 ArbGG).

Sollte der Zweite Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten, läge die Entscheidung über das Sanktionssystem für Fehler beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen in den Händen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (gebildet aus der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, je einem Berufsrichter der neun weiteren Senate, in denen die Präsidentin nicht den Vorsitz führt, und je drei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber).

Die Begründung der Divergenzanfrage durch den Sechsten Senat bestätigt jedenfalls die Hoffnung, dass die Anforderungen des § 17 KSchG wenigstens hinsichtlich Massenentlassungsanzeigen auf ein sinnvolles Maß zurückgeführt werden. Bis dahin bleibt größte Sorgfalt beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen zu wahren!

In jedem Fall bleibt es aber vorerst dabei, dass Arbeitgeber im Rahmen des Konsultationsverfahrens mit Betriebsräten mit höchster Präzision arbeiten müssen, da der Sechste Senat keinen Anlass sieht, die Sanktion für Fehler im Konsultationsverfahren in Frage zu stellen.

Fehlerquellen und Rechtsfrage beim Erstatten von Entlassungsanzeigen und im Rahmen des Konsultationsverfahrens wie die Bestimmung des „Betriebs im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie“ oder die Bemessung der „in der Regel beschäftigten Mitarbeiter“ sind jedoch in beiden Verfahren häufig identisch. Auch bleibt es bei der besonderen Bedeutung der Stellungnahme der Betriebsräte im Rahmen des Konsultationsverfahrens, durch die ggf. bestimmte Fehler im Konsultationsverfahren „geheilt“ werden können. Die bisherige Rechtsprechung lässt jedoch bislang keinen abschließenden Schluss zu, welche Unterrichtungsmangel durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden können. Kurzum: Jedenfalls bei der Konsultation bleibt es bei „safety first“!

Massenentlassungsanzeige und Konsultation: Update zur beabsichtigten Rechtsprechungsänderung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts

Wie bereits berichtet, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 14. Dezember 2023 mitgeteilt, die Rechtsprechung zum Massenentlassungsverfahren nach § 17 KSchG ändern zu wollen und den Zweiten Senat hierzu angefragt (vgl. Sechster Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt grundlegende Rechtsprechungsänderung). Seit heute liegt die Begründung des Vorlagebeschlusses vor. Nun ist klar, wie sich der Sechste Senat den Rechtsprechungswandel vorstellt: Fehler bei Erstatten der Massenentlassungsanzeige sollen nicht mehr zur Unwirksamkeit von Kündigungen führen. Über Fehler im Konsultationsverfahren soll weiterhin das Damoklesschwert der Unwirksamkeit von Kündigungen schweben.

I. Hintergrund

Besteht in dem von Massenentlassungen betroffenen Betrieb ein Betriebsrat verlangt § 17 KSchG, dass vor Ausspruch der Kündigungen zwei Verfahren durchgeführt werden:

  1. Zunächst hat der Arbeitgeber mit dem – soweit vorhanden – zuständigen Betriebsrat das sog. Konsultationsverfahren durchzuführen. Im Konsultationsverfahren hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat bestimmte, gesetzlich vorgegebene Informationen mitzuteilen und mit ihm insbesondere die Möglichkeit zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 KSchG).
  2. Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens und vor Durchführung der Entlassungen ist die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit mit den gesetzlich vorgesehenen Angaben zu erstatten (§ 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG).

Bisher geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass viele Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben des § 17 KSchG sowohl im Rahmen des Konsultationserfahrens als auch bei Erstatten einer Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit aller erfassten Kündigungen führen.

Diese strenge Sichtweise wurde im juristischen Schrifttum zurecht vielfach kritisiert. Sie hat u.a. dazu geführt, dass in der anwaltlichen Praxis häufig mit einer großen Anzahl von vorsorglichen Massenentlassungsanzeigen gearbeitet wird, um möglichst für jede denkbare Konstellation eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet zu haben („gehört die entlegen gelegene weitere Betriebsstätte ggf. auch zu dem zu schließenden Betrieb, jedenfalls im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie?“ usw.).

II. Entscheidung des Sechsten Senats vom 14. Dezember 2023

Mit seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2023 hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts den Grundstein zu einer Kehrtwende von der bisherigen Rechtsprechung gelegt.

Ausgangspunkt waren mehrere Verfahren des Sechsten Senats (6 AZR 157/22, 6 AZR 155/21 und 6 AZR 121/22), in denen verschiedene Verstöße gegen die Vorgaben des § 17 KSchG beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen Gegenstand waren. Gegenstand des Verfahrens 6 AZR 157/22 war dabei ein Rechtsstreit, in dem ein Arbeitgeber trotz Überschreiten der in § 17 Abs. 1 KSchG vorgesehenen Schwellenwerten keine Massenentlassungsanzeige gestellt hatte. Nach bisheriger Rechtsprechung des Zweiten und Sechsten Senats ein klarer Fall, bei dem alle erfassten Kündigungen unwirksam waren.

Der Sechste Senat hat in den Verfahren 6 AZR 157/22 (B), 6 AZR 155/21 (B) und 6 AZR 121/22 (B) jedoch mitgeteilt, dass er beabsichtigt, seine Rechtsprechung aufzugeben, wonach eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB unwirksam ist, wenn im Zeitpunkt ihrer Erklärung keine oder eine fehlerhafte Anzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG vorliegt.

Da diese Änderung der Rechtsprechung jedoch von der bisherigen Rechtsprechung auch des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts seit dessen Urteil vom 22. November 2012 (Az.: 2 AZR 371/11) abweichen würde, hat der Sechste Senat eine sog. Divergenzanfrage an den Zweiten Senat gestellt.

Seit heute liegt die Begründung des Vorlagebeschlusses vor und bringt neue Erkenntnisse:

1. Der Sechste Senat meint es ernst mit der Kehrtwende

Wurde bislang nach Art des Fehlers der Massenentlassungsanzeige differenziert, sollen nach Auffassung des Sechsten Senats keinerlei Fehler und selbst das vollständige Fehlen einer Massenentlassungsanzeige nicht zu einer Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen nach § 134 BGB führen.

Der bisherigen Kritik folgend erkennt der Sechste Senat nunmehr zutreffend, dass der Gesetzgeber eine solche Sanktion nicht vorgesehen hat. Sie ist auch unionsrechtlich nicht geboten. Im Gegenteil: Aus Sicht der hierfür maßgeblichen Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (kurz: MERL) ist die Unwirksamkeit von Kündigungen bei Fehlern im Rahmen des administrativ-prozeduralen Anzeigeverfahrens eine unverhältnismäßige und damit unionsrechtlich unzulässige Rechtsfolge.

Zutreffend erkennt der Sechste Senat schließlich, dass die für derartige Fehler gebotene Sanktion primär vom Gesetzgeber zu bestimmen ist.

2. Die Kehrtwende soll nur das Anzeigeverfahren betreffen!

Hinsichtlich des Konsultationsverfahrens soll es beim strengen Maßstab der bisherigen Rechtsprechung bleiben. Fehler hierbei sollen weiterhin die Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB zur Folge haben, wie es bislang vom Zweiten und Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommen wird.

Zur Begründung weist der Sechste Senat darauf hin, dass das Konsultationsverfahren ein kollektives Informationsrecht regelt und dem Betriebsrat u.a. ermöglichen soll, dem Arbeitgeber konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um Massenentlassungen zu verhindern oder zu beschränken. Anders als die in § 102 Abs. 1 BetrVG vorgesehene Anhörung von Betriebsräten vor Ausspruch von Kündigungen sehe das Konsultationsverfahren damit eine Einflussmöglichkeit des Betriebsrats auf die Willensbildung des Arbeitgebers vor. Dann könne die Sanktion im Konsultationsverfahren nicht hinter der Sanktion für Fehler bei der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zurückbleiben.

Die Begründung überzeugt nicht: Anders als für das Konsultationsverfahren hat der Gesetzgeber in § 102 Abs. 1 Satz 3 KSchG die Unwirksamkeitsfolge für Kündigungen ausdrücklich angeordnet („Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam“). Es kann aber durchaus bezweifelt werden, ob die Auslegung des nationalen und Unionsrechts die Unwirksamkeit von Kündigung als Rechtsfolge für Fehler im Konsultationsverfahren rechtfertigt oder, ob dies nicht ebenfalls eine unverhältnismäßige und damit unionsrechtlich unzulässige Rechtsfolge darstellt. Eine ausdrückliche gesetzgeberische Anordnung fehlt jedenfalls. Entsprechend wird im Schrifttum diskutiert, ob auch für Fehler im Konsultationsverfahren andere, gleich effektive aber weniger einschneidende Rechtsfolgen bestehen (vgl. hierzu etwa Schubert/Schmitt, „One sanction fits all?”, Jahrbuch des Arbeitsrechts, Band 59, Seite 81 ff.).

III. Wie geht es weiter?

Zunächst bleibt abzuwarten, ob der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts sich der Auffassung des Sechsten Senats im Rahmen der sog. Divergenzanfrage anschließt. Das Arbeitsgerichtsgesetz verlangt insofern grundsätzlich, dass ein Senat des Bundesarbeitsgerichts, der – wie vorliegend – von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen möchte, zunächst bei diesem Senat eine Anfrage stellt, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 45 Abs. 3 ArbGG).

Sollte der Zweite Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten, läge die Entscheidung über das Sanktionssystem für Fehler beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen in den Händen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (gebildet aus der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, je einem Berufsrichter der neun weiteren Senate, in denen die Präsidentin nicht den Vorsitz führt, und je drei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber).

Die Begründung der Divergenzanfrage durch den Sechsten Senat bestätigt jedenfalls die Hoffnung, dass die Anforderungen des § 17 KSchG wenigstens hinsichtlich Massenentlassungsanzeigen auf ein sinnvolles Maß zurückgeführt werden. Bis dahin bleibt größte Sorgfalt beim Erstatten von Massenentlassungsanzeigen zu wahren!

In jedem Fall bleibt es aber vorerst dabei, dass Arbeitgeber im Rahmen des Konsultationsverfahrens mit Betriebsräten mit höchster Präzision arbeiten müssen, da der Sechste Senat keinen Anlass sieht, die Sanktion für Fehler im Konsultationsverfahren in Frage zu stellen.

Fehlerquellen und Rechtsfrage beim Erstatten von Entlassungsanzeigen und im Rahmen des Konsultationsverfahrens wie die Bestimmung des „Betriebs im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie“ oder die Bemessung der „in der Regel beschäftigten Mitarbeiter“ sind jedoch in beiden Verfahren häufig identisch. Auch bleibt es bei der besonderen Bedeutung der Stellungnahme der Betriebsräte im Rahmen des Konsultationsverfahrens, durch die ggf. bestimmte Fehler im Konsultationsverfahren „geheilt“ werden können. Die bisherige Rechtsprechung lässt jedoch bislang keinen abschließenden Schluss zu, welche Unterrichtungsmangel durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden können. Kurzum: Jedenfalls bei der Konsultation bleibt es bei „safety first“!

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