Autoren
Prof. Dr. Thomas Kania
Datum

21. Dezember 2022

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Nachdem die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (sog. EU-Whistleblowing-Richtlinie EU 2019/1937) seit nun einem Jahr verstrichen ist (wie berichtet, Whistleblower-Richtlinie: Was heute schon zu tun ist), hat der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) am 16.12.2022 endlich beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus, mit ihr ist voraussichtlich erst im Februar 2023 zu rechnen. Nach dem Beschluss wird das neue HinSchG künftig die maßgebliche Rechtsgrundlage sowohl für das Meldeverfahren von Verstößen als auch für die Rechtsstellung und den Schutz meldender (sog. „Whistleblower“) und von Meldung betroffener Personen darstellen. Was ist neu und was müssen vor allem Unternehmen bzw. Arbeitgeber nach dem zukünftigen HinSchG beachten?

Anwendungsbereich des HinSchG weiter als EU-Whistleblowing Richtlinie

Zielsetzung des HinSchG ist sowohl der Schutz hinweisgebender Personen, also auch derjenigen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind bzw. hiervon betroffen sind (§ 1 HinSchG). Es erfasst insbesondere Verstöße, die strafbewährt sind, sowie bußgeldbewährte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Daneben sind diverse weitere Gesetzesverstöße, etwa Verstöße gegen für Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften geltende steuerliche Rechtsnormen, ausdrücklich aufgezählt (§ 2 HinSchG). War die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs zuletzt politisch noch umstritten, soll nun gelten: Das HinSchG geht über den Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie hinaus, weil es nicht nur Verstöße gegen Rechtsakte der Europäischen Union, sondern auch Verstöße gegen nationales Recht in gewissem Umfang in seinen Anwendungsbereich einbezieht.

Neu: Pflicht zur Errichtung von internen Meldestellen für Arbeitgeber

Für den privaten Arbeitgeber wird mit dem HinSchG die Errichtung interner Meldestellen für Hinweise unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtend. Das gilt grundsätzlich für Unternehmen mit in der Regel über 50 Beschäftigten. Kleine Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten haben für die Einrichtung interner Meldestellen noch eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023 und können zudem auch zusammen mit anderen Unternehmen eine gemeinsame Meldestelle betreiben (§ 14 Abs. 2 HinSchG). Als interne Meldestelle sollen grundsätzlich ein oder mehrere Beschäftigte fungieren, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig agieren und die nicht aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeit für den Arbeitgeber Interessenkonflikten ausgesetzt sein dürfen. Außerdem ist in § 16 HinSchG die Pflicht zur Einrichtung spezieller „Meldekanäle“ vorgesehen. Diese müssen so ausgestaltet sein, dass sie Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen und auch für Leiharbeitnehmer zugänglich sind. Auch anonym abgegebene Meldungen sind nach der neusten Fassung des HinSchG zu ermöglichen (§ 16 Abs 1 HinSchG). Zur Umsetzung anonymer Meldekanäle soll den Unternehmen aber eine Übergangsfrist bis zum 01.01.2025 bleiben.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates?

Nicht eindeutig geklärt ist die Frage, inwieweit die Ausgestaltung der Einrichtung interner Meldestellen der Mitbestimmung des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegt. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG spricht vieles dafür, die personelle Besetzung der internen Meldestelle als mitbestimmungsfrei einzustufen (BAG 21.07.09 – 1 ABR 42/08, NZA 09, 1049 zur Besetzung der Beschwerdestelle nach § 13 AGG). Die Ausgestaltung des weiteren Verfahrens fällt grundsätzlich unter die Mitbestimmung, aber ihr bleibt angesichts der detaillierten Vorgaben des HinSchG wenig Raum. Zusätzlich wird die verwandte Software bei IT-gestützten Meldekanälen regelmäßig das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen.

Externe Meldestellen 

Neben den internen Meldestellen sieht das HinSchG eine zentrale externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz vor (§ 19 HinSchG), die sowohl für den öffentlichen Sektor als auch für die Privatwirtschaft zuständig ist. Außerdem werden bestehende Meldesysteme bei der BaFin und beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden (§§ 21, 22 HinSchG). 

Kein Vorrang der internen vor der externen Meldung 

Im Gegensatz zu der früheren Rechtslage, die es als arbeitsvertragliche Nebenpflicht verstanden hat, sich zuvor um innerbetriebliche Abhilfe zu bemühen, kennt das HinSchG keinen zwingenden Vorrang der internen vor der externen Meldung. Es steht den Arbeitnehmern damit grundsätzlich frei, sich etwa auch direkt an eine externe Meldestelle zu wenden. Allerdings sollen Arbeitgeber „Anreize“ dafür schaffen, dass sich die hinweisgebenden Personen zunächst an die internen Meldestellen wenden. Die Meldestellen unterliegen dabei einer grundsätzlichen Vertraulichkeitspflicht (§ 8 HinSchG). 

Wichtige Abgrenzung zur „Offenlegung von Informationen“ (§ 32 HinSchG)

Von der Meldung von Verstößen über die Meldestellen ist die sog. Offenlegung von Informationen (§ 32 HinSchG) zu unterscheiden. Ein solches Publikmachen von Verstößen gegenüber der Öffentlichkeit ohne Einschaltung der Meldestellen soll nur in sehr eng begrenzten Fällen zulässig sein. Das Gesetz nennt hier als wichtigen Grund etwa die Gefahr irreversibler Schäden oder die Gefahr von Vernichtung von Beweismitteln. Die Person, die Informationen über Verstöße regelwidrig offenlegt, muss zudem einen „hinreichenden Grund“ zu der Annahme haben, dass die im Gesetz erwähnten Gründe zur Offenlegung ohne vorherige Meldung vorliegen. Nach der Gesetzesbegründung kann es dabei zumutbar und erforderlich sein, sich vorab qualifizierten Rat einzuholen. 

Schutz vor Repressalien für Whistleblower

Personen, die sich bei ihrer Meldung oder Offenlegung innerhalb der Vorgaben des HinSchG halten, sollen den Schutz des § 36 HinSchG genießen. Danach sind gegen Hinweisgeber gerichtete Repressalien verboten, ebenso deren Androhung oder der Versuch, sie auszuüben. Unzulässig sind auch jegliche Benachteiligungen im beruflichen Umfeld als Folge der Meldung, wie z.B. Kündigungen des Arbeitsverhältnisses, Abmahnungen etc. Das Repressalienverbot ist durch eine Beweislastumkehr zugunsten der hinweisgebenden Person (§ 36 Abs. 2 HinSchG) und einen eventuellen Schadensersatzanspruch (§ 37 HinSchG) abgesichert. Erfolgt aber vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen, macht sich die hinweisgebende Person selbst schadensersatzpflichtig (§ 38 HinSchG). Daneben werden Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des HinSchG als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet (§ 40 HinSchG).

Fazit

Mit dem Beschluss des Bundestages über das HinSchG macht der Gesetzgeber nach einiger Verzögerung einen entscheidenden Schritt zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtline. Damit gewinnt das Thema Compliance in Unternehmen weiter zunehmend an Bedeutung. Sofern noch nicht geschehen, sind Arbeitgeber jetzt schon dazu aufgerufen, entsprechende Hinweisgebersysteme zu etablieren und ihrer zukünftigen Pflicht zur Einführung interner Meldestellen nachzukommen. 

Update Whistleblowing: Bundestag beschließt endlich Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)

Nachdem die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (sog. EU-Whistleblowing-Richtlinie EU 2019/1937) seit nun einem Jahr verstrichen ist (wie berichtet, Whistleblower-Richtlinie: Was heute schon zu tun ist), hat der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) am 16.12.2022 endlich beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus, mit ihr ist voraussichtlich erst im Februar 2023 zu rechnen. Nach dem Beschluss wird das neue HinSchG künftig die maßgebliche Rechtsgrundlage sowohl für das Meldeverfahren von Verstößen als auch für die Rechtsstellung und den Schutz meldender (sog. „Whistleblower“) und von Meldung betroffener Personen darstellen. Was ist neu und was müssen vor allem Unternehmen bzw. Arbeitgeber nach dem zukünftigen HinSchG beachten?

Anwendungsbereich des HinSchG weiter als EU-Whistleblowing Richtlinie

Zielsetzung des HinSchG ist sowohl der Schutz hinweisgebender Personen, also auch derjenigen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind bzw. hiervon betroffen sind (§ 1 HinSchG). Es erfasst insbesondere Verstöße, die strafbewährt sind, sowie bußgeldbewährte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Daneben sind diverse weitere Gesetzesverstöße, etwa Verstöße gegen für Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften geltende steuerliche Rechtsnormen, ausdrücklich aufgezählt (§ 2 HinSchG). War die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs zuletzt politisch noch umstritten, soll nun gelten: Das HinSchG geht über den Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie hinaus, weil es nicht nur Verstöße gegen Rechtsakte der Europäischen Union, sondern auch Verstöße gegen nationales Recht in gewissem Umfang in seinen Anwendungsbereich einbezieht.

Neu: Pflicht zur Errichtung von internen Meldestellen für Arbeitgeber

Für den privaten Arbeitgeber wird mit dem HinSchG die Errichtung interner Meldestellen für Hinweise unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtend. Das gilt grundsätzlich für Unternehmen mit in der Regel über 50 Beschäftigten. Kleine Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten haben für die Einrichtung interner Meldestellen noch eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023 und können zudem auch zusammen mit anderen Unternehmen eine gemeinsame Meldestelle betreiben (§ 14 Abs. 2 HinSchG). Als interne Meldestelle sollen grundsätzlich ein oder mehrere Beschäftigte fungieren, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig agieren und die nicht aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeit für den Arbeitgeber Interessenkonflikten ausgesetzt sein dürfen. Außerdem ist in § 16 HinSchG die Pflicht zur Einrichtung spezieller „Meldekanäle“ vorgesehen. Diese müssen so ausgestaltet sein, dass sie Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen und auch für Leiharbeitnehmer zugänglich sind. Auch anonym abgegebene Meldungen sind nach der neusten Fassung des HinSchG zu ermöglichen (§ 16 Abs 1 HinSchG). Zur Umsetzung anonymer Meldekanäle soll den Unternehmen aber eine Übergangsfrist bis zum 01.01.2025 bleiben.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates?

Nicht eindeutig geklärt ist die Frage, inwieweit die Ausgestaltung der Einrichtung interner Meldestellen der Mitbestimmung des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegt. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG spricht vieles dafür, die personelle Besetzung der internen Meldestelle als mitbestimmungsfrei einzustufen (BAG 21.07.09 – 1 ABR 42/08, NZA 09, 1049 zur Besetzung der Beschwerdestelle nach § 13 AGG). Die Ausgestaltung des weiteren Verfahrens fällt grundsätzlich unter die Mitbestimmung, aber ihr bleibt angesichts der detaillierten Vorgaben des HinSchG wenig Raum. Zusätzlich wird die verwandte Software bei IT-gestützten Meldekanälen regelmäßig das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen.

Externe Meldestellen 

Neben den internen Meldestellen sieht das HinSchG eine zentrale externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz vor (§ 19 HinSchG), die sowohl für den öffentlichen Sektor als auch für die Privatwirtschaft zuständig ist. Außerdem werden bestehende Meldesysteme bei der BaFin und beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden (§§ 21, 22 HinSchG). 

Kein Vorrang der internen vor der externen Meldung 

Im Gegensatz zu der früheren Rechtslage, die es als arbeitsvertragliche Nebenpflicht verstanden hat, sich zuvor um innerbetriebliche Abhilfe zu bemühen, kennt das HinSchG keinen zwingenden Vorrang der internen vor der externen Meldung. Es steht den Arbeitnehmern damit grundsätzlich frei, sich etwa auch direkt an eine externe Meldestelle zu wenden. Allerdings sollen Arbeitgeber „Anreize“ dafür schaffen, dass sich die hinweisgebenden Personen zunächst an die internen Meldestellen wenden. Die Meldestellen unterliegen dabei einer grundsätzlichen Vertraulichkeitspflicht (§ 8 HinSchG). 

Wichtige Abgrenzung zur „Offenlegung von Informationen“ (§ 32 HinSchG)

Von der Meldung von Verstößen über die Meldestellen ist die sog. Offenlegung von Informationen (§ 32 HinSchG) zu unterscheiden. Ein solches Publikmachen von Verstößen gegenüber der Öffentlichkeit ohne Einschaltung der Meldestellen soll nur in sehr eng begrenzten Fällen zulässig sein. Das Gesetz nennt hier als wichtigen Grund etwa die Gefahr irreversibler Schäden oder die Gefahr von Vernichtung von Beweismitteln. Die Person, die Informationen über Verstöße regelwidrig offenlegt, muss zudem einen „hinreichenden Grund“ zu der Annahme haben, dass die im Gesetz erwähnten Gründe zur Offenlegung ohne vorherige Meldung vorliegen. Nach der Gesetzesbegründung kann es dabei zumutbar und erforderlich sein, sich vorab qualifizierten Rat einzuholen. 

Schutz vor Repressalien für Whistleblower

Personen, die sich bei ihrer Meldung oder Offenlegung innerhalb der Vorgaben des HinSchG halten, sollen den Schutz des § 36 HinSchG genießen. Danach sind gegen Hinweisgeber gerichtete Repressalien verboten, ebenso deren Androhung oder der Versuch, sie auszuüben. Unzulässig sind auch jegliche Benachteiligungen im beruflichen Umfeld als Folge der Meldung, wie z.B. Kündigungen des Arbeitsverhältnisses, Abmahnungen etc. Das Repressalienverbot ist durch eine Beweislastumkehr zugunsten der hinweisgebenden Person (§ 36 Abs. 2 HinSchG) und einen eventuellen Schadensersatzanspruch (§ 37 HinSchG) abgesichert. Erfolgt aber vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen, macht sich die hinweisgebende Person selbst schadensersatzpflichtig (§ 38 HinSchG). Daneben werden Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des HinSchG als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet (§ 40 HinSchG).

Fazit

Mit dem Beschluss des Bundestages über das HinSchG macht der Gesetzgeber nach einiger Verzögerung einen entscheidenden Schritt zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtline. Damit gewinnt das Thema Compliance in Unternehmen weiter zunehmend an Bedeutung. Sofern noch nicht geschehen, sind Arbeitgeber jetzt schon dazu aufgerufen, entsprechende Hinweisgebersysteme zu etablieren und ihrer zukünftigen Pflicht zur Einführung interner Meldestellen nachzukommen. 

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