Autoren
Dr. Roua Schmitz
Datum

06. Dezember 2022

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 13.09.2022 – 1 ABR 22/21– entschieden, dass der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ist, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann (Blog: Allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung). Nunmehr liegen auch die vollständigen Entscheidungsgründe vor – die in Presse und verschiedensten Blogbeiträgen derzeit für viel Wirbel und Unsicherheiten sorgen. Dabei sind die Entscheidungsgründe kein Grund in Panik zu verfallen – Bußgelder drohen zumindest nicht unmittelbar –, sondern Anlass, nunmehr die Arbeitszeiterfassung maßgeschneidert umzusetzen.

Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Überstunden

Arbeitgeber müssen – sofern noch nicht geschehen – gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ein System einführen, mit dem Beginn, Ende und die Pausen der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) – erfasst werden. Dies ist jedoch nicht neu und stand spätestens mit der zum Beschluss vom 13.09.2022 veröffentlichten Pressemitteilung des BAG fest. 

Aus den ausführlichen Urteilsgründen ergeben sich lediglich folgende weitere Erkenntnisse:

  • Das System zur Arbeitszeiterfassung darf sich nicht darauf beschränken, allein Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit lediglich zu „erheben“. Die Daten müssen auch aufgezeichnet werden.
  • Arbeitnehmern darf das System nicht bloß zur freigestellten Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Es muss vom Arbeitgeber tatsächlich so genutzt werden, dass sichergestellt ist, dass die Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Pausen eingehalten werden.

Ausnahmen für bestimmte Beschäftigtengruppen (z.B. leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG )?

Nach § 18 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist das Arbeitszeitgesetz und damit grundsätzlich die Verpflichtung, Arbeitszeit aufzuzeichnen, nicht anzuwenden etwa auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sowie Chefärzte. Es ist derzeit nicht geklärt, ob diese Ausnahmen so weiter anwendbar sind. Das BAG hat zwar festgehalten, dass die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit nur für diejenigen Arbeitnehmer gilt, für die der nationale Gesetzgeber nicht auf Grundlage des Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG abweichende Regelungen getroffen hat. Ob § 18 Abs. 1 ArbZG unionsrechtskonform ist, hat das BAG bewusst noch offen gelassen, weil keiner dieser Personenkreise in dem vorliegenden Fall betroffen war.

Gibt es bestimmte Vorgaben, wie das Arbeitszeiterfassungssystem ausgestaltet sein muss?

Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems hat das BAG, wie erwartet, auf die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in der CCOO Entscheidung (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18) hingewiesen. 

Danach muss das System 

  • objektiv,
  • verlässlich und 
  • zugänglich sein.

Allein die Frage, was genau unter einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassungssystem zu verstehen ist, bleibt jedoch auch nach der Entscheidung des BAG weiterhin ungeklärt. 

Das BAG hat allerdings immerhin darauf hingewiesen, dass für den Arbeitgeber ein Spielraum bestehe, in dessen Rahmen er u.a. die „Form“ dieses Systems festlegen könne. Zu berücksichtigen sind hier betroffene Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens. Dies gilt jedenfalls solange, wie vom Gesetzgeber (noch) keine konkretisierenden Regelungen getroffen wurden. 

So können je nach Tätigkeit und Unternehmen auch Aufzeichnungen in Papierform genügen oder die Aufzeichnungen an die Arbeitsnehmer delegiert werden. Entscheidend ist, dass die Aufzeichnungsmethode tauglich ist, den Dokumentationszweck zu erfüllen.

Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich

Das Urteil bedeutet nicht das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Bei entsprechender Gestaltung kann auch eine Vertrauensarbeitszeit weiterhin praktiziert werden. Den Arbeitgeber dürften jedoch höhere Organisations-, Informations- und Kontrollpflichten treffen, damit ein hinreichendes System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit vorliegt.

Keine unmittelbare Drohung von Bußgeldern bei Verstößen gegen das ArbSchG

Ein Verstoß gegen die sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ergebende Pflicht zur Einführung und Nutzung eines Arbeitszeiterfassungssystems ist nicht unmittelbar bußgeldbewehrt

  • Gemäß § 21 ArbSchG ist die Überwachung des Arbeitsschutzes eine staatliche Aufgabe. Daher müssen die zuständigen Landesbehörden jährlich eine bestimmte Anzahl von Routinebesichtigungen und -überprüfungen in Betrieben vornehmen. 
  • Findet sich bei der Überprüfung ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem ArbSchG, so kann die Behörde gemäß § 22 Abs. 3 ArbSchG im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen oder die Beschäftigten zur Erfüllung der Pflichten zu treffen haben – z.B. die Schaffung und Einführung eines Zeiterfassungssystems. Allerdings haben die Aufsichtsbehörden die dem einzelnen Arbeitgeber ausdrücklich eingeräumten Gestaltungsspielräume im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG zu respektieren. Zudem besteht die Möglichkeit, gegen eine Anordnung verwaltungsgerichtlich vorzugehen und diese überprüfen zu lassen.
  • Kommt der Arbeitgeber dieser Anordnung nicht nach, so kann gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 ArbSchG ein Bußgeld verhängt werden, welches bis zu 30.000 EUR betragen kann. 

Sanktionen nach dem ArbSchG drohen also nur nach einem behördlichen „Warnschuss“. Sanktionen nach dem ArbZG dürften darüber hinaus nur zu befürchten sein, wenn der Gesetzgeber in Zukunft eine Pflicht zur allgemeinen Arbeitszeiterfassung im ArbZG verankert (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG), bisher besteht nur die Pflicht zur Aufzeichnung von Zeiten, die 8 Stunden täglich übertragen. Die im Arbeitszeitgesetz enthaltenden Bußgeld- und Strafvorschriften beziehen sich jedoch nicht auf die Regelung des § 3 Abs. 2 S. 1 ArbSchG. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die zuständigen Arbeitsschutzbehörden die Rechtsansicht des BAG in Zukunft übernehmen werden und entsprechende Anordnungen zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems erlassen.

Im Ergebnis bleibt auch insoweit abzuwarten, ob und in welchem Maße die Existenz von Zeiterfassungssystemen in Zukunft von den Behörden bei ihren routinemäßigen Kontrollen überprüft werden und ob bei Nichtvorliegen tatsächlich entsprechende Anordnungen erlassen oder Bußgelder verhängt werden.

Keine Änderungen für den Überstundenprozess; Vorsicht ist aber geboten

Die Beweislast im Überstundenprozess ändert sich durch die Entscheidung des BAG zur Arbeitszeiterfassung nicht. Allein aus der Dokumentation von Arbeitszeit folgt keine automatische Vergütungspflicht dieser Zeiten: 

  • Das BAG hatte bereits in seiner Entscheidung vom 04.05.2022 – 5 AZR 359/21 – nachdrücklich seine bisherige Praxis bestätigt und festgehalten, dass die CCOO Entscheidung des EuGH letztlich nur den Bereich der Arbeitssicherheit, nicht jedoch den Vergütungsbereich betrifft. 
  • Zugleich führte das BAG jedoch auch aus, dass tatsächlich bestehende Zeiterfassungssysteme die Darlegung der Überstunden für Arbeitnehmer erleichtern können. Voraussetzung für die Erleichterung der Darlegung der Überstunden ist, dass die Erfassung der Arbeitszeiten unter Mitwirkung des Arbeitgebers erfolgt (beispielsweise durch Abzeichnung). 

Bei der Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems sollte daher auch dieser Aspekt berücksichtigt werden. So hat z.B. das BAG in seinem Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 452/18 – festgestellt, dass der Arbeitnehmer der ihm obliegenden Darlegungslast auch genügen kann, indem er vom Arbeitgeber abgezeichnete Arbeitsstunden und den sich daraus ergebenden Saldo vorträgt.

Beteiligung des Betriebsrates

Hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrates bleibt es dabei, dass zwar kein Initiativrecht („ob“) des Betriebsrates besteht. Die Ausgestaltung einer Erfassung bleibt aber weiterhin mitbestimmt und kann ggf. vor einer Einigungsstelle erzwungen werden. Will der Arbeitgeber eine elektronische Arbeitszeiterfassung im Betrieb einführen, dann ist auch dies nicht ohne die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG möglich.

Wo besteht nun Handlungsbedarf und was ist zu tun?

Anpassungsbedarf besteht, wie bereits in unserem Beitrag vom 19.09.2022 dargestellt, vor allem in Bereichen, in denen bisher Vertrauensarbeitszeit und/oder eine Delegation von Aufzeichnungspflichten auf Arbeitnehmer praktiziert wird. Den Arbeitgeber dürften diesbezüglich höhere Organisations-, Informations- und Kontrollpflichten treffen, damit ein dem Dokumentationszweck hinreichendes System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit vorliegt. Für die betroffenen Bereiche wäre, sofern nicht bereits geschehen, nach der Entscheidung eine praxistaugliche Lösung zur Einführung eines Systems, mit dem die Arbeitszeit erfasst werden kann, erforderlich. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. 

Bereiche, in denen bereits heute mit „Stechuhr“ oder anderen Zeiterfassungsmethoden gearbeitet wird, sind je nach Ausgestaltung nicht oder geringer betroffen.

Wichtig für Arbeitgeber sind nunmehr folgende Schritte:

  • Prüfung, in welchen Bereichen eine Zeiterfassung bereits erfolgt oder nicht erfolgt.
  • Entsprechende Umsetzung der Rechtsprechung in Bereichen, die der Pflicht zur Aufzeichnung unterfallen,
    • durch praxistaugliche Lösungen, falls möglich mit den technisch-organisatorischen Mitteln der Zeit,
    • mit einem der Unternehmensgröße verhältnismäßigen Aufwand.
  • Regelmäßige Aktualisierung des Kenntnisstandes, insbesondere hinsichtlich weiterer Konkretisierungen der Rechtsprechung und Veränderungen in der Gesetzgebung.

„Stechuhr“-Entscheidung des BAG – Was ist wirklich neu und was gilt bei Verstößen?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 13.09.2022 – 1 ABR 22/21– entschieden, dass der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ist, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann (Blog: Allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung). Nunmehr liegen auch die vollständigen Entscheidungsgründe vor – die in Presse und verschiedensten Blogbeiträgen derzeit für viel Wirbel und Unsicherheiten sorgen. Dabei sind die Entscheidungsgründe kein Grund in Panik zu verfallen – Bußgelder drohen zumindest nicht unmittelbar –, sondern Anlass, nunmehr die Arbeitszeiterfassung maßgeschneidert umzusetzen.

Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Überstunden

Arbeitgeber müssen – sofern noch nicht geschehen – gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ein System einführen, mit dem Beginn, Ende und die Pausen der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) – erfasst werden. Dies ist jedoch nicht neu und stand spätestens mit der zum Beschluss vom 13.09.2022 veröffentlichten Pressemitteilung des BAG fest. 

Aus den ausführlichen Urteilsgründen ergeben sich lediglich folgende weitere Erkenntnisse:

  • Das System zur Arbeitszeiterfassung darf sich nicht darauf beschränken, allein Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit lediglich zu „erheben“. Die Daten müssen auch aufgezeichnet werden.
  • Arbeitnehmern darf das System nicht bloß zur freigestellten Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Es muss vom Arbeitgeber tatsächlich so genutzt werden, dass sichergestellt ist, dass die Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Pausen eingehalten werden.

Ausnahmen für bestimmte Beschäftigtengruppen (z.B. leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG )?

Nach § 18 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist das Arbeitszeitgesetz und damit grundsätzlich die Verpflichtung, Arbeitszeit aufzuzeichnen, nicht anzuwenden etwa auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sowie Chefärzte. Es ist derzeit nicht geklärt, ob diese Ausnahmen so weiter anwendbar sind. Das BAG hat zwar festgehalten, dass die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit nur für diejenigen Arbeitnehmer gilt, für die der nationale Gesetzgeber nicht auf Grundlage des Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG abweichende Regelungen getroffen hat. Ob § 18 Abs. 1 ArbZG unionsrechtskonform ist, hat das BAG bewusst noch offen gelassen, weil keiner dieser Personenkreise in dem vorliegenden Fall betroffen war.

Gibt es bestimmte Vorgaben, wie das Arbeitszeiterfassungssystem ausgestaltet sein muss?

Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems hat das BAG, wie erwartet, auf die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in der CCOO Entscheidung (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18) hingewiesen. 

Danach muss das System 

  • objektiv,
  • verlässlich und 
  • zugänglich sein.

Allein die Frage, was genau unter einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassungssystem zu verstehen ist, bleibt jedoch auch nach der Entscheidung des BAG weiterhin ungeklärt. 

Das BAG hat allerdings immerhin darauf hingewiesen, dass für den Arbeitgeber ein Spielraum bestehe, in dessen Rahmen er u.a. die „Form“ dieses Systems festlegen könne. Zu berücksichtigen sind hier betroffene Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens. Dies gilt jedenfalls solange, wie vom Gesetzgeber (noch) keine konkretisierenden Regelungen getroffen wurden. 

So können je nach Tätigkeit und Unternehmen auch Aufzeichnungen in Papierform genügen oder die Aufzeichnungen an die Arbeitsnehmer delegiert werden. Entscheidend ist, dass die Aufzeichnungsmethode tauglich ist, den Dokumentationszweck zu erfüllen.

Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich

Das Urteil bedeutet nicht das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Bei entsprechender Gestaltung kann auch eine Vertrauensarbeitszeit weiterhin praktiziert werden. Den Arbeitgeber dürften jedoch höhere Organisations-, Informations- und Kontrollpflichten treffen, damit ein hinreichendes System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit vorliegt.

Keine unmittelbare Drohung von Bußgeldern bei Verstößen gegen das ArbSchG

Ein Verstoß gegen die sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ergebende Pflicht zur Einführung und Nutzung eines Arbeitszeiterfassungssystems ist nicht unmittelbar bußgeldbewehrt

  • Gemäß § 21 ArbSchG ist die Überwachung des Arbeitsschutzes eine staatliche Aufgabe. Daher müssen die zuständigen Landesbehörden jährlich eine bestimmte Anzahl von Routinebesichtigungen und -überprüfungen in Betrieben vornehmen. 
  • Findet sich bei der Überprüfung ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem ArbSchG, so kann die Behörde gemäß § 22 Abs. 3 ArbSchG im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen oder die Beschäftigten zur Erfüllung der Pflichten zu treffen haben – z.B. die Schaffung und Einführung eines Zeiterfassungssystems. Allerdings haben die Aufsichtsbehörden die dem einzelnen Arbeitgeber ausdrücklich eingeräumten Gestaltungsspielräume im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG zu respektieren. Zudem besteht die Möglichkeit, gegen eine Anordnung verwaltungsgerichtlich vorzugehen und diese überprüfen zu lassen.
  • Kommt der Arbeitgeber dieser Anordnung nicht nach, so kann gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 ArbSchG ein Bußgeld verhängt werden, welches bis zu 30.000 EUR betragen kann. 

Sanktionen nach dem ArbSchG drohen also nur nach einem behördlichen „Warnschuss“. Sanktionen nach dem ArbZG dürften darüber hinaus nur zu befürchten sein, wenn der Gesetzgeber in Zukunft eine Pflicht zur allgemeinen Arbeitszeiterfassung im ArbZG verankert (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG), bisher besteht nur die Pflicht zur Aufzeichnung von Zeiten, die 8 Stunden täglich übertragen. Die im Arbeitszeitgesetz enthaltenden Bußgeld- und Strafvorschriften beziehen sich jedoch nicht auf die Regelung des § 3 Abs. 2 S. 1 ArbSchG. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die zuständigen Arbeitsschutzbehörden die Rechtsansicht des BAG in Zukunft übernehmen werden und entsprechende Anordnungen zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems erlassen.

Im Ergebnis bleibt auch insoweit abzuwarten, ob und in welchem Maße die Existenz von Zeiterfassungssystemen in Zukunft von den Behörden bei ihren routinemäßigen Kontrollen überprüft werden und ob bei Nichtvorliegen tatsächlich entsprechende Anordnungen erlassen oder Bußgelder verhängt werden.

Keine Änderungen für den Überstundenprozess; Vorsicht ist aber geboten

Die Beweislast im Überstundenprozess ändert sich durch die Entscheidung des BAG zur Arbeitszeiterfassung nicht. Allein aus der Dokumentation von Arbeitszeit folgt keine automatische Vergütungspflicht dieser Zeiten: 

  • Das BAG hatte bereits in seiner Entscheidung vom 04.05.2022 – 5 AZR 359/21 – nachdrücklich seine bisherige Praxis bestätigt und festgehalten, dass die CCOO Entscheidung des EuGH letztlich nur den Bereich der Arbeitssicherheit, nicht jedoch den Vergütungsbereich betrifft. 
  • Zugleich führte das BAG jedoch auch aus, dass tatsächlich bestehende Zeiterfassungssysteme die Darlegung der Überstunden für Arbeitnehmer erleichtern können. Voraussetzung für die Erleichterung der Darlegung der Überstunden ist, dass die Erfassung der Arbeitszeiten unter Mitwirkung des Arbeitgebers erfolgt (beispielsweise durch Abzeichnung). 

Bei der Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems sollte daher auch dieser Aspekt berücksichtigt werden. So hat z.B. das BAG in seinem Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 452/18 – festgestellt, dass der Arbeitnehmer der ihm obliegenden Darlegungslast auch genügen kann, indem er vom Arbeitgeber abgezeichnete Arbeitsstunden und den sich daraus ergebenden Saldo vorträgt.

Beteiligung des Betriebsrates

Hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrates bleibt es dabei, dass zwar kein Initiativrecht („ob“) des Betriebsrates besteht. Die Ausgestaltung einer Erfassung bleibt aber weiterhin mitbestimmt und kann ggf. vor einer Einigungsstelle erzwungen werden. Will der Arbeitgeber eine elektronische Arbeitszeiterfassung im Betrieb einführen, dann ist auch dies nicht ohne die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG möglich.

Wo besteht nun Handlungsbedarf und was ist zu tun?

Anpassungsbedarf besteht, wie bereits in unserem Beitrag vom 19.09.2022 dargestellt, vor allem in Bereichen, in denen bisher Vertrauensarbeitszeit und/oder eine Delegation von Aufzeichnungspflichten auf Arbeitnehmer praktiziert wird. Den Arbeitgeber dürften diesbezüglich höhere Organisations-, Informations- und Kontrollpflichten treffen, damit ein dem Dokumentationszweck hinreichendes System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit vorliegt. Für die betroffenen Bereiche wäre, sofern nicht bereits geschehen, nach der Entscheidung eine praxistaugliche Lösung zur Einführung eines Systems, mit dem die Arbeitszeit erfasst werden kann, erforderlich. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. 

Bereiche, in denen bereits heute mit „Stechuhr“ oder anderen Zeiterfassungsmethoden gearbeitet wird, sind je nach Ausgestaltung nicht oder geringer betroffen.

Wichtig für Arbeitgeber sind nunmehr folgende Schritte:

  • Prüfung, in welchen Bereichen eine Zeiterfassung bereits erfolgt oder nicht erfolgt.
  • Entsprechende Umsetzung der Rechtsprechung in Bereichen, die der Pflicht zur Aufzeichnung unterfallen,
    • durch praxistaugliche Lösungen, falls möglich mit den technisch-organisatorischen Mitteln der Zeit,
    • mit einem der Unternehmensgröße verhältnismäßigen Aufwand.
  • Regelmäßige Aktualisierung des Kenntnisstandes, insbesondere hinsichtlich weiterer Konkretisierungen der Rechtsprechung und Veränderungen in der Gesetzgebung.
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