In Teil 1 und Teil 2 unserer Beitragsserie haben wir das Zutrittsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb und die besondere Rolle des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft behandelt. In Teil 3 wollen wir beleuchten, welche Reaktionsmöglichkeiten bei einem drohenden Arbeitskampf aus Arbeitgebersicht bestehen.
Ein Arbeitgeber, der sich mit einem Arbeitskampf konfrontiert sieht, muss typischerweise in verschiedene Richtungen denken: Gibt es rechtliche Möglichkeiten zur Untersagung des Streiks? Kann der Arbeitgeber selbst aktiv in den Arbeitskampf eingreifen? Welche operativen Vorbereitungen sind erforderlich, wenn ein Arbeitskampf nicht zu vermeiden ist?
Dieser Blogbeitrag beleuchtet die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Arbeitskampf und zeigt auf, warum eine frühzeitige Planung entscheidend ist, um die Auswirkungen eines Streiks zu minimieren und die Unternehmensinteressen zu sichern. Dazu gehören nicht nur rechtliche und operative Maßnahmen, sondern auch ein gezieltes Kommunikationskonzept.
1. Gerichtliche Untersagung des Arbeitskampfs
Das Streikrecht hat seine Grundlage im Grundgesetz und genießt zurecht eine besondere Stellung. Dennoch ist nicht jeder Arbeitskampf automatisch zulässig. Da es jedoch an einfachgesetzlichen Regelungen fehlt, ist nahezu alles umstritten und wie so oft eine Frage der Einzelfallabwägung bzw. Verhältnismäßigkeit. Für ein langwieriges Hauptsacheverfahren ist aber gerade keine Zeit, wenn Arbeitskampfmaßnahmen in wenigen Wochen, Tagen oder sogar Stunden beginnen sollen. Sämtliche Fragen rund um die Zulässigkeit und gerichtliche Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen finden daher grundsätzlich im einstweiligen Verfügungsverfahren statt. Wegen der dort stattfindenden vereinfachten (summarischen) Prüfung und den grundgesetzlich besonders geschützten Rechten der Gewerkschaften (Art. 9 Abs.3 Grundgesetz (GG)) werden Arbeitskampfmaßnahmen nur in äußerst seltenen Fällen gerichtlich untersagt. Gerichtliche Hilfe kann der Arbeitgeber also nur ausnahmsweise erwarten. Dennoch können rechtswidrige Streikmaßnahmen gerichtlich durchaus untersagt werden. Die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes kann beispielsweise in folgenden Konstellationen vorliegen:
- Der Arbeitskampf muss von einer Gewerkschaft geführt werden
Da nur Gewerkschaften zum Abschluss von Tarifverträgen befugt sind, sind auch nur sie berechtigt, ihre Forderungen für einen Tarifvertrag im Wege des Streiks durchzusetzen. Alle anderen Akteure dürfen nicht streiken.
- Verstoß gegen die Friedenspflicht
Mit dem Abschluss des Tarifvertrages wird ein „Waffenstillstand“ begründet. Arbeitskampfmaßnahmen, die auf die Durchsetzung von verbindlich im Tarifvertrag geregelten Forderungen gerichtet sind, sind für die Dauer der Laufzeit des Tarifvertrages unzulässig.
- Arbeitskampf mit einem nicht regelbaren Ziel / Tarifbezogenheit des Arbeitskampfes
Ein Arbeitskampf muss auf die Durchsetzung eines Ziels gerichtet sein, dass die Tarifvertragsparteien regeln können und dürfen, z.B. Lohnerhöhungen oder Arbeitszeiten. Ziel des Arbeitskampfes muss der Abschluss eines Tarifvertrages sein. Unzulässig sind damit insbesondere politische Streiks.
- Allgemein unverhältnismäßiger Arbeitskampf (Einzelfallprüfung mit großer Zurückhaltung der Arbeitsgerichtsbarkeit)
Die Mittel des Arbeitskampfes müssen für die Erreichung des bezweckten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Ein Streik muss immer das letztmögliche Mittel sein und ist z.B. rechtswidrig, wenn keine vorausgehenden Verhandlungen oder ein Schlichtungsversuch stattgefunden haben. Die Rechtsprechung billigt den Gewerkschaften hierbei einen weiten Beurteilungsspielraum zu.
- Arbeitskampf ohne Durchführung erforderlicher Notdienst- und Erhaltungsarbeiten/Verletzung des Gemeinwohls (vergleiche dazu Teil 4 unserer Serie)
Für bestimmte Bereiche der Daseinsfürsorge (z. B. Gesundheitswesen, Personentransport, Energieversorgung) muss trotz des Streiks ein Mindestmaß an Versorgung gewährleistet sein. Hierfür haben die Tarifvertragsparteien sog. Notdienstvereinbarungen zu schließen, die im Zweifel auch durch das Gericht angeordnet werden können. Darüber hinaus können Gerichte auch die Einschränkung von Arbeitskampfmaßnahmen anordnen, wenn ansonsten das Gemeinwohl beeinträchtigt wird. Dies bedarf einer Einzelfallbeurteilung, wobei die Gerichte eher zurückhaltend sind.
2. Aktives Vorgehen des Arbeitgebers
Mit Blick auf die mitunter geringen Erfolgsaussichten der gerichtlichen Untersagungen eines Arbeitskampfes sollten Arbeitgeber aktiv prüfen, welche Reaktionsmöglichkeiten bestehen und wie sie daher auch selbst den Arbeitskampf eingreifen können. Es gibt durchaus Instrumente, an die der Arbeitgeber im Falle eines Arbeitskampfes denken sollte:
- Aussperrung
Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmer oder jedenfalls Teile der Arbeitnehmer aus dem Betrieb aussperren. Während dieser Zeit besteht kein Vergütungsanspruch für die betroffenen Arbeitnehmer. Gewerkschaftlich vertretene Arbeitnehmer erhalten eine finanzielle Unterstützung durch die Gewerkschaft, alle anderen gehen leer aus. Durch die Aussperrung kann der Arbeitgeber mehr Arbeitnehmer in die Folgen des Arbeitskampfes einbeziehen, so dass die Gewerkschaft hierdurch (finanziell) stärker belastet wird. Dies kann die Dauer des Arbeitskampfes verkürzen. Das BAG hat dem Arbeitgeber enge Grenzen für eine Aussperrung gesetzt, weshalb die Aussperrung nur selten tatsächlich in Betracht kommt.
- (Vorübergehende) Betriebsschließung
Der Arbeitgeber kann seinen Betrieb während eines Streiks vorübergehend schließen. Durch dieses freiwillige „Beugen“ des Arbeitgebers werden auch für die nicht streikenden Arbeitnehmer die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert und der Vergütungsanspruch entfällt – für die Streikenden und die Nicht-Streikenden. Nach der Rechtsprechung des BAG ist dieses Mittel zulässig und stellt keine Arbeitskampfmaßnahme dar. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Stilllegung im zeitlichen und gegenständlichen Umfang des Streiks hält. Anders als die Aussperrung ist die Betriebsstilllegung eine praktikable, aber in der Praxis unterschätzte Handlungsoption für den Arbeitgeber, um auf gewerkschaftliche Maßnahmen zu reagieren. Dies gilt vor allem dann, wenn in Folge eines Streiks eine Aufrechterhaltung des Restbetriebs nicht sinnvoll oder möglich ist.
- Zahlung einer Streikbruchprämie
Die Streikbruchprämie ist ein finanzieller Anreiz, um Arbeitnehmer dazu zu bewegen, den Streik zu „brechen“ und wieder zur Arbeit zu erscheinen oder von vornherein nicht am Streik teilzunehmen. Sie stellt ein probates Mittel dar, um die „Arbeitskampfmoral“ innerhalb der streikenden Belegschaft zu schwächen. Die Streikbruchprämie wird allen Arbeitnehmern ausgezahlt, die nicht am Streik teilgenommen haben. Nachteil hieran ist, dass dies auch Arbeitnehmer erfasst, die ohnehin nicht am Streik teilgenommen hätten.
Je nach konkreter Situation im Unternehmen ist dann zu entscheiden, ob eine der dargestellten Maßnahmen die ohnehin schon aufgeladene Situation im Betrieb zu sehr anheizt oder ein geeignetes Mittel im Rahmen des Arbeitskampfes ist. Sicherlich kann es auch eine Option sein, einen Arbeitskampf einfach „auszuhalten“ oder – wenn man von geringen Teilnehmerzahlen ausgeht – ins Leere laufen zu lassen.
3. Unbedingt erforderlich: Aktive und fortgesetzte Kommunikation
Elementarer Baustein einer Tarifstrategie auf Arbeitgeberseite muss die Kommunikation sein. Bereits vor und während laufender Verhandlungen, aber insbesondere im Rahmen von drohenden Arbeitskampfmaßnahmen, kommt der Kommunikation eine herausragende Bedeutung zu. Der Einfluss einer frühzeitig konzipierten Kommunikationsstrategie wird dabei leider regelmäßig unterschätzt. Häufig wird der Gewerkschaft kommunikativ komplett das Feld überlassen.
Durch eine geschickte Kommunikation kann der Arbeitgeber aber oft in die Auseinandersetzung eingreifen und seine Sicht der Dinge darstellen. Nicht selten setzt dann – zumindest in Teilen der Belegschaft – ein Prozess des Nachdenkens ein, der die Streikbereitschaft insbesondere dann senkt, wenn das Arbeitgeberangebot zwar nicht als Nonplusultra, als zumindest fair und ausgewogen wahrgenommen wird, also einen Kompromiss darstellt, der beiden Seiten weh tut, mit dem man aber leben kann. Dies ist insbesondere dann realistisch, wenn es nicht um reines Gewerkschafts-Bashing geht, sondern wenn die Arbeitgeberposition durch Zahlen und Fakten untermauert wird.
4. Operative Streikvorbereitung
Lässt sich der Arbeitskampf rechtlich oder kommunikativ nicht verhindern, ist das häufig ein besonderer Stresstest für die HR-Abteilung. Natürlich hängen die Einzelheiten stark von der jeweiligen Branche und dem Unternehmen ab, aber allgemeingültig und branchenunabhängig sind sicher folgende Handlungsfelder:
- Können Arbeitsprozesse so gesteuert werden, dass der Arbeitskampf möglichst wenig Schaden anrichtet?
- Können Aufträge vorgezogen werden, können Aufträge nach hinten geschoben werden?
- Können erwartbare operative Schwierigkeiten innerhalb der Unternehmensgruppe oder innerhalb des Konzerns abgefedert werden?
- Müssen Kunden, Vertragspartner, Lieferanten, Behörden und sonstige Dritte informiert werden?
Ergänzend sollte, insbesondere bei länger andauernden Maßnahmen, eine Taskforce gebildet, bei der die Fäden zusammenlaufen. Kommt es schließlich zum Arbeitskampf, muss erfasst werden, wer daran teilnimmt. Es besteht für die Arbeitnehmer jedoch keine Pflicht zum Ausstempeln beim Verlassen des Arbeitsplatzes. Da jedoch für die Zeit der Teilnahme am Arbeitskampf kein Vergütungsanspruch besteht, muss der Arbeitgeber wissen, wer am Arbeitskampf teilgenommen hat und wer nicht. Meist bleibt daher nichts anderes übrig, als dass Führungskräfte die Teilnehmer am Arbeitskampf erfassen, damit das Entgelt für die Dauer der Teilnahme gekürzt werden kann. Im vierten und letzten Teil unserer Serie wollen wir Ihnen die Spielregeln erklären, die auch während eines – oft hitzigen – Arbeitskampfs gelten