Die Neuregelungen zur Betriebsratsvergütung sind im Sommer 2024 im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft getreten. Ziel des Gesetzgebers war es, die in der Praxis bestehenden Unsicherheiten bei der Festlegung von Betriebsratsvergütungen zu beseitigen, nachdem das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH; Az.: 6 StR 133/22 – Volkswagen (VW)) zur Untreuestrafbarkeit bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt hatte. Die strafrechtlichen Risiken gewinnen mit dem aktuellen Strafverfahren gegen Bernd Osterloh, den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden von VW, erneut an Brisanz. Osterloh wird vorgeworfen, als Betriebsratsvorsitzender Beihilfe zu einer Untreue (§ 266 StGB) geleistet zu haben, indem er die Unternehmensführung bei der Gewährung und Auszahlung von Gehältern unterstützte, die nach Auffassung der Ermittlungsbehörden deutlich über dem marktüblichen Niveau lagen und damit eine begünstigende Behandlung der betreffenden Betriebsratsmitglieder darstellten.
Aufgrund dieser aktuellen Ereignisse zeigt sich von Neuem, dass der Rahmen für eine zulässige Betriebsratsvergütung nicht nur eine Frage des Arbeitsrechts ist, sondern ihr auch strafrechtliche Relevanz zukommen kann.
Nachdem das neue Gesetz nun seit über einem halben Jahr in Kraft ist, wollen wir Ihnen nochmals die Einzelheiten erläutern und eine erste Bewertung des Gesetzes vornehmen.
Hintergründe
Betriebsratsmitglieder führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Die Betriebsratstätigkeit selbst wird nicht vergütet (§ 37 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz; BetrVG). Betriebsratsmitglieder dürfen aufgrund ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch bevorzugt werden (§ 78 BetrVG). Dieser Grundsatz erstreckt sich auch auf ihre berufliche Weiterentwicklung und das Arbeitsentgelt. Das Benachteiligungs- und das Begünstigungsverbot wird durch einen Mindestvergütungsanspruch flankiert, nach dem das Arbeitsentgelt nicht geringer bemessen werden darf als das von vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher Entwicklung (§ 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG).
Was in der Theorie einfach schien, führte bereits vor der Gesetzesänderungen bei der Rechtsanwendung oft zu Problemen. Die korrekte Ermittlung der Vergütung war – insbesondere bei lang freigestellten Betriebsratsmitgliedern – schwierig und fehleranfällig. Da sowohl eine überhöhte als auch eine zu niedrig angesetzte Vergütung von Betriebsräten ein Strafbarkeitsrisiko bot, war die Ermittlung eines zulässigen Vergütungsbetrags lange Zeit von Unsicherheit bei den Verantwortlichen geprägt. Die Folge war Misstrauen zwischen den Betriebspartnern, worunter auch die Betriebsabläufe litten.
Mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22) die Gewährung einer überhöhten Vergütung an Betriebsratsmitglieder als strafbare Untreue eingestuft und das Thema Betriebsratsvergütung in den Fokus gerückt. Dieses Urteil verstärkte bei Unternehmen bereits bestehende Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung der maßgeblichen betriebsüblichen beruflichen Entwicklung von Arbeitnehmern, die mit den jeweiligen Betriebsratsmitgliedern vergleichbar sind; insbesondere bei langjährig freigestellten Betriebsratsmitgliedern.
Inhalte der Gesetzesänderung
Um Unternehmen angesichts der durch die Rechtsprechung noch verstärkten Rechtsunsicherheiten vor negativen Folgen für die betriebliche Mitbestimmung zu bewahren und das Risiko von Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot zu reduzieren, entschied sich der Gesetzgeber in Fortschreibung des Ehrenamtsprinzips zu einer klarstellenden Ergänzung in § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 S. 3 BetrVG. Der Gesetzgeber bezweckt mit diesen Klarstellungen die Vereinfachung der Rechtslage und die Verringerung des Risikos als Unternehmen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot zu verstoßen und sich damit strafbar zu machen.
In § 37 Abs. 4 BetrVG ist nunmehr klargestellt, dass zur Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen ist. Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes kann eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe vorgenommen werden. Den Betriebsparteien ist es dabei auch möglich in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer zu regeln. Diese in einer Betriebsvereinbarung vorgenommene Konkretisierung der Vergleichbarkeit soll künftig nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit gerichtlich überprüft werden können. Die Neuregelung soll für die Betriebsparteien einen Anreiz schaffen, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern transparent im Voraus festzulegen, um so mehr Rechtssicherheit zu erhalten.
Die Maßstäbe des Verbots der Begünstigung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern sind in Ergänzung von § 78 BetrVG dahingehend konkretisiert worden, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegen soll, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.
Eine ausführliche Erläuterung der Neuregelungen finden Sie auch im Beitrag unserer Kollegin Elif Hoffmann-Remy: Novellierung der Betriebsratsvergütung in Kraft getreten.
Folgen und Hinweise für die Praxis
Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Betriebsratsvergütung sind für eine Vielzahl von Unternehmen von enormer praktischer Bedeutung.
Ob die Neuregelungen der Praxis die gewünschte Sicherheit bringen, wurde von Anfang an kritisch gesehen und eine erste Zwischenbilanz lässt diese Zweifel nicht kleiner werden:
- Die nun gesetzlich vorgesehene Zulässigkeit zur Neubestimmung von Vergleichsgruppen dürfte sich für Unternehmen zwar als ein nützliches Mittel bei der Vergütungsbemessung erweisen, da auf tatsächliche Änderungen reagiert werden kann. Auch durch die Möglichkeit zur Aufstellung und fortlaufenden Entwicklung eigener betrieblicher Regelungen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern hat der Rechtsanwender ein gewisses Maß an Flexibilität hinzugewonnen, mit dem das Risiko von strafrechtlichen Konsequenzen zukünftig minimiert werden könnte.
- Dennoch lässt die Gesetzesänderung einige wichtige Fragen offen. Es bleibt ungeklärt, ob bei der Erfüllung der erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien nach § 78 BetrVG auch durch oder während der Amtstätigkeit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigt werden dürfen. Weiterhin stellt sich für den Rechtsanwender die Frage, in welchen Fällen ein sachlicher Grund zur Neubestimmung der Vergleichsgruppe im Rahmen von § 37 Abs. 4 BetrVG anzunehmen ist. Zudem darf die vorgesehene Begrenzung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Betriebsvereinbarungen zur Festlegung von Vergleichsgruppen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bemessung der Betriebsratsvergütung weiterhin zu beachten sind und nach wie vor rechtliche Risiken in sich tragen. Es bleibt abzuwarten, wie strikt die Gerichte den Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit anwenden werden.
Fazit zur Neuregelung
Insgesamt kann die Gesetzesänderung sicherlich einen Mehrwert zur Klarstellung der mit enormer Unsicherheit behafteten Rechtslage beitragen. Dennoch sind einige praxisrelevante Fragen immer noch ungeklärt. Unternehmen sollten also auch weiterhin die strafrechtlichen Risiken stets im Blick behalten, die mit einer erhöhten Betriebsratsvergütung einhergehen können.
Um strafrechtliche Risiken angesichts der strengen Rechtsprechung des BGH vorzubeugen, sind Unternehmen auch weiterhin gut beraten, die Vergütung ihrer Betriebsratsmitglieder regelmäßig sorgfältig zu überprüfen und die relevanten Entscheidungskriterien – wie die Qualifikationen der Betriebsratsmitglieder, die Festlegung der jeweiligen Vergleichsgruppen und deren Karriereentwicklung – nachvollziehbar zu dokumentieren.
Mit weiteren Einzelfragen der Betriebsratsvergütung befasst sich unsere Kollegin Elif Hoffmann-Remy in ihrem Beitrag: Zuschlagspflichtige Betriebsratsarbeit? Neues aus Erfurt zur Betriebsratsvergütung.