Die korrekte Vergütung von Betriebsratsmitgliedern beschäftigt die Arbeitsgerichte regelmäßig. Trotz vermeintlich klarer gesetzlicher Regelungen ist die Umsetzung in den Unternehmen im Detail oft schwierig. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob ein Betriebsratsmitglied Zuschläge erhält, auch wenn es nicht zu den zuschlagspflichtigen Zeiten gearbeitet hat.
BAG vom 28. August 2024 – 7 AZR 197/23
Fakten
Der Arbeitnehmer ist bei dem Arbeitgeber als Notfallsanitäter eingestellt und Mitglied des Betriebsrats. Er war zur Ausübung seines Betriebsratsmandats zunächst zu 80 % und ist mittlerweile vollständig von der beruflichen Tätigkeit freigestellt.
Vor der Freistellung arbeitete der Arbeitnehmer ausschließlich in Wechselschicht und erhielt zusätzlich zum Grundgehalt die tarifliche Wechselschichtzulage sowie Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Rufbereitschaft.
Seine Betriebsratstätigkeit übt der Arbeitnehmer hingegen ausschließlich von Montag bis Freitag zu den üblichen Bürozeiten des Arbeitgebers (ca. 8 Uhr bis 17 Uhr) aus. Er begründet dies damit, dass Betriebsratssitzungen tagsüber stattfinden und auch sonstige Betriebsratsaufgaben tagsüber wahrgenommen werden müssen. Der Arbeitnehmer verlangt daher von dem Arbeitgeber weiterhin die Zahlung der an die Wechselschicht gebundenen Zulagen und Zuschläge – für die Zeit der teilweisen und der vollständigen Freistellung.
Der Arbeitgeber lehnt die Zahlung dieser Vergütungsbestandteile ab. Er ist der Auffassung, der Arbeitnehmer habe mit Duldung des Arbeitgebers seine Arbeitszeiten von der Wechselschicht heraus in die Tagschicht verlegt. Würde er in dieser Situation weiterhin die eingeklagten Zulagen und Zuschläge erhalten, stellte dies eine unzulässige Begünstigung im Vergleich zu den anderen Arbeitnehmern in der Tagschicht dar.
Entscheidung
Anders als die beiden Vorinstanzen ist das BAG der Auffassung, dass dem Arbeitnehmer die an die Wechselschicht gebundenen Zulagen und Zuschläge zustehen, auch wenn er die Betriebsratstätigkeit nicht während der zuschlagspflichtigen Zeiten erbringt.
Entscheidend sei allein, so das BAG, wann der Kläger seine Arbeitsleistung als Notfallsanitäter erbracht hätte – nicht aber, wann er Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt als Ehrenamt führen, richte sich ihre Vergütung nach dem sog. Lohnausfallprinzip (§ 37 Abs. 1 und 2 BetrVG). Dem Betriebsratsmitglied sei das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Zu diesem Arbeitsentgelt zählen nach Ansicht des BAG neben der Grundvergütung insbesondere auch Zuschläge. Es sei also eine hypothetische Betrachtung anzustellen und komme nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer die Betriebsratstätigkeit während der zuschlagspflichtigen Zeiten erbracht hat oder hätte erbringen können.
Dem Arbeitnehmer solle durch das Lohnausfallprinzip die Befürchtung genommen werden, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden. Dies würde zudem eine unzulässige Benachteiligung wegen des Betriebsratsamtes darstellen (§ 78 S. 2 BetrVG).
Etwas anderes soll nur gelten, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich die Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds so ändern, dass sie zukünftig (d.h. auch nach Beendigung des Betriebsratsamtes) nicht mehr in zuschlagspflichtigen Zeiten liegt (so lag der Fall, der der Entscheidung des BAG vom 18. Mai 2016 – 7 AZR 401/14 zugrunde lag).
Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung reiht sich in eine Reihe von Entscheidungen der letzten Jahre ein, in denen sich das BAG mit Einzelheiten der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern befasst hat. In einer Parallelentscheidung hat das BAG bekräftigt, dass diese Grundsätze auch für Betriebsratsmitglieder gelten, die nur teilweise von der beruflichen Tätigkeit freigestellt sind (7 AZR 198/23). Mit Urteil vom 29. August 2018 hatte das BAG die Möglichkeit gebilligt, zur rechnerischen Erleichterung eine monatliche Pauschale zur Abgeltung der Zuschläge zu zahlen (7 AZR 206/17). Bei der Ermittlung der Höhe dieser Pauschale ist Vorsicht geboten; sie darf keine zusätzliche Vergütung für die Betriebsratstätigkeit darstellen.
Hinweise für die Praxis
Unternehmen und Personalverantwortliche werden angesichts der Strafbarkeitsrisiken zunehmend sensibel im Hinblick auf die einzelnen Vergütungsbestandteile von Betriebsratsmitgliedern. Auch nach der Neuregelung im BetrVG sind nach wie vor einige Themen ungeklärt. Hier lohnt sich ein genauer Blick, um nicht in den Bereich der Betriebsratsbegünstigung zu geraten. Wir beraten Sie gern.