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14. August 2024

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Am 25. Juli 2024 sind die neuen gesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats in Kraft getreten. Was daran neu ist und welche Möglichkeiten die Betriebsparteien zukünftig haben, erläutern wir in unserem Blogbeitrag.

Hintergrund

Die Vergütung insbesondere von freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats ist seit jeher ein komplexes Thema. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Mitglieder ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen (§ 37 Abs. 1 BetrVG), waren die gesetzlichen Regelungen zu ihrer Vergütung bis dato spärlich: Gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. § 78 S. 2 BetrVG bestimmt, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Diese Regelungen wurden durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konturiert.

Bereits seit einigen Jahren wurden Fälle diskutiert, in denen Betriebsratsmitglieder Vergütungen in einer Größenordnung erhielten, die mit ihrer ursprünglichen Tätigkeit kaum in Einklang zu bringen war. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die Thematik bekannt, als der Bundesgerichtshof am 10. Januar 2023 ein vielbeachtetes Urteil sprach (Az. 6 StR 133/22). Angeklagt waren ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder und Personalleiter von VW, denen zur Last gelegt wurde, Betriebsratsmitgliedern unzulässig hohe Arbeitsentgelte gewährt und damit Untreuestraftaten gemäß § 266 StGB begangen zu haben. Der BGH hob die Freisprüche der Vorinstanz (LG Braunschweig, Az 16 KLs 406 Js 59398/16) auf und verwies die Sache an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des LG zurück.

Das Urteil des BGH sorgte für einige Unruhe in den Rechts- und Personalabteilungen von Unternehmen. Vielfach wurden proaktiv die Gehälter von Betriebsratsmitgliedern gekürzt, um sich nicht dem Vorwurf der Betriebsratsbegünstigung und damit dem Risiko einer Untreuestrafbarkeit auszusetzen. Freilich kann dies auf der anderen Seite zur ebenfalls verbotenen Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit führen – die damit verbundenen Konsequenzen wiegen aber ungleich weniger schwer, droht doch keine Strafbarkeit wegen Untreue. Die aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu befürchtenden Konsequenzen müssen demgegenüber als stumpfes Schwert bezeichnet werden (Strafbarkeit gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, die aber nur auf Antrag aus dem betrieblichen Umfeld verfolgt wird). Die Thematik wurde damit auf das einzelne Betriebsratsmitglied übertragen, das seine Vergütung einklagen musste.

Der Gesetzgeber nahm das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Anlass, eine schon lange geforderte gesetzliche Neuregelung zu schaffen. Ende November 2023 lag der Gesetzentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vor, doch zu der vielfach erhofften zeitnahen Verabschiedung des Gesetzes kam es nicht. Und plötzlich ging es doch ganz schnell: Am 28. Juni 2024 hat der Bundestag einstimmig den Regierungsentwurf zur Novellierung der Betriebsratsvergütung verabschiedet. Bereits am 5. Juli 2024, in der letzten Sitzung vor der Sommerpause, stand das Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrats; am 24. Juli 2024 wurde es als „Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am darauffolgenden Tag in Kraft getreten (BGBl. 2024, Teil I Nr. 248).

Neuerungen im Betriebsverfassungsgesetz

Konkret geht es um folgende Ergänzungen der §§ 37 Abs. 4, 78 BetrVG:

§ 37 Abs. 4 BetrVG wurde um folgende Regelung ergänzt:

„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

§ 78 BetrVG wurde wie folgt erweitert:

„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“

In weiten Teilen hat der Gesetzgeber damit Punkte in das Gesetz aufgenommen, die bereits zuvor der ständigen gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprachen. Insoweit mag hier für Klarheit gesorgt worden sein – eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Dies war ausweislich der Gesetzesbegründung das erklärte Ziel: In Klarstellung der aktuellen Rechtslage solle eine Fortschreibung der genannten Regelungen des BetrVG erfolgen (BT-Drucks. 20/9469, S. 7).

Neu ist, dass eine Betriebsvereinbarung, in der das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer konkretisiert wird, von einem Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann, ebenso wie die einvernehmlich zwischen den Betriebsparteien erfolgte Festlegung konkreter Vergleichspersonen für ein Betriebsratsmitglied.

Auch die Gesetzesbegründung, insbesondere zu § 78 BetrVG, enthält weiterführende Hinweise: Das Verhältnis von § 37 Abs. 4 BetrVG zu § 78 S. 2 BetrVG wird klargestellt (BT-Drucks. 20/9469 S. 10 f.) und es findet sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem höchst praxisrelevanten Aspekt des fiktiven Beförderungsanspruchs des Betriebsratsmitglieds (S. 11 f.).

Auswirkungen auf die Praxis

Die neue gesetzliche Regelung kann zu erhöhter Rechtssicherheit bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern beitragen und dazu, die nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 entstandenen Wogen zu glätten. Komplex bleibt die Thematik allemal, insbesondere in den Fällen langjähriger Freistellungen und den unweigerlich entstehenden Fragen rund um die Neubestimmung von Vergleichspersonen und (fiktive) Beförderungen.

Es empfiehlt sich, die neu geschaffenen Spielräume zu nutzen und Vereinbarungen mit dem Betriebsrat zu treffen; einerseits in Form einer Betriebsvereinbarung zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer, andererseits im Einzelfall durch einvernehmliche Bestimmung konkreter Vergleichspersonen durch die Betriebsparteien. Wir beraten Sie gern.

Novellierung der Betriebsratsvergütung in Kraft getreten

Am 25. Juli 2024 sind die neuen gesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats in Kraft getreten. Was daran neu ist und welche Möglichkeiten die Betriebsparteien zukünftig haben, erläutern wir in unserem Blogbeitrag.

Hintergrund

Die Vergütung insbesondere von freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats ist seit jeher ein komplexes Thema. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Mitglieder ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen (§ 37 Abs. 1 BetrVG), waren die gesetzlichen Regelungen zu ihrer Vergütung bis dato spärlich: Gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. § 78 S. 2 BetrVG bestimmt, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Diese Regelungen wurden durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konturiert.

Bereits seit einigen Jahren wurden Fälle diskutiert, in denen Betriebsratsmitglieder Vergütungen in einer Größenordnung erhielten, die mit ihrer ursprünglichen Tätigkeit kaum in Einklang zu bringen war. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die Thematik bekannt, als der Bundesgerichtshof am 10. Januar 2023 ein vielbeachtetes Urteil sprach (Az. 6 StR 133/22). Angeklagt waren ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder und Personalleiter von VW, denen zur Last gelegt wurde, Betriebsratsmitgliedern unzulässig hohe Arbeitsentgelte gewährt und damit Untreuestraftaten gemäß § 266 StGB begangen zu haben. Der BGH hob die Freisprüche der Vorinstanz (LG Braunschweig, Az 16 KLs 406 Js 59398/16) auf und verwies die Sache an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des LG zurück.

Das Urteil des BGH sorgte für einige Unruhe in den Rechts- und Personalabteilungen von Unternehmen. Vielfach wurden proaktiv die Gehälter von Betriebsratsmitgliedern gekürzt, um sich nicht dem Vorwurf der Betriebsratsbegünstigung und damit dem Risiko einer Untreuestrafbarkeit auszusetzen. Freilich kann dies auf der anderen Seite zur ebenfalls verbotenen Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit führen – die damit verbundenen Konsequenzen wiegen aber ungleich weniger schwer, droht doch keine Strafbarkeit wegen Untreue. Die aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu befürchtenden Konsequenzen müssen demgegenüber als stumpfes Schwert bezeichnet werden (Strafbarkeit gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, die aber nur auf Antrag aus dem betrieblichen Umfeld verfolgt wird). Die Thematik wurde damit auf das einzelne Betriebsratsmitglied übertragen, das seine Vergütung einklagen musste.

Der Gesetzgeber nahm das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Anlass, eine schon lange geforderte gesetzliche Neuregelung zu schaffen. Ende November 2023 lag der Gesetzentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vor, doch zu der vielfach erhofften zeitnahen Verabschiedung des Gesetzes kam es nicht. Und plötzlich ging es doch ganz schnell: Am 28. Juni 2024 hat der Bundestag einstimmig den Regierungsentwurf zur Novellierung der Betriebsratsvergütung verabschiedet. Bereits am 5. Juli 2024, in der letzten Sitzung vor der Sommerpause, stand das Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrats; am 24. Juli 2024 wurde es als „Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am darauffolgenden Tag in Kraft getreten (BGBl. 2024, Teil I Nr. 248).

Neuerungen im Betriebsverfassungsgesetz

Konkret geht es um folgende Ergänzungen der §§ 37 Abs. 4, 78 BetrVG:

§ 37 Abs. 4 BetrVG wurde um folgende Regelung ergänzt:

„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

§ 78 BetrVG wurde wie folgt erweitert:

„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“

In weiten Teilen hat der Gesetzgeber damit Punkte in das Gesetz aufgenommen, die bereits zuvor der ständigen gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprachen. Insoweit mag hier für Klarheit gesorgt worden sein – eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Dies war ausweislich der Gesetzesbegründung das erklärte Ziel: In Klarstellung der aktuellen Rechtslage solle eine Fortschreibung der genannten Regelungen des BetrVG erfolgen (BT-Drucks. 20/9469, S. 7).

Neu ist, dass eine Betriebsvereinbarung, in der das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer konkretisiert wird, von einem Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann, ebenso wie die einvernehmlich zwischen den Betriebsparteien erfolgte Festlegung konkreter Vergleichspersonen für ein Betriebsratsmitglied.

Auch die Gesetzesbegründung, insbesondere zu § 78 BetrVG, enthält weiterführende Hinweise: Das Verhältnis von § 37 Abs. 4 BetrVG zu § 78 S. 2 BetrVG wird klargestellt (BT-Drucks. 20/9469 S. 10 f.) und es findet sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem höchst praxisrelevanten Aspekt des fiktiven Beförderungsanspruchs des Betriebsratsmitglieds (S. 11 f.).

Auswirkungen auf die Praxis

Die neue gesetzliche Regelung kann zu erhöhter Rechtssicherheit bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern beitragen und dazu, die nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 entstandenen Wogen zu glätten. Komplex bleibt die Thematik allemal, insbesondere in den Fällen langjähriger Freistellungen und den unweigerlich entstehenden Fragen rund um die Neubestimmung von Vergleichspersonen und (fiktive) Beförderungen.

Es empfiehlt sich, die neu geschaffenen Spielräume zu nutzen und Vereinbarungen mit dem Betriebsrat zu treffen; einerseits in Form einer Betriebsvereinbarung zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer, andererseits im Einzelfall durch einvernehmliche Bestimmung konkreter Vergleichspersonen durch die Betriebsparteien. Wir beraten Sie gern.

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