Vor knapp drei Jahren trat die Ampelkoalition mit dem Versprechen an, „mehr Fortschritt zu wagen“. Ein zentrales Anliegen des Koalitionsvertrages war der Abbau bürokratischer Hemmnisse für die Wirtschaft. Dadurch sollten Unternehmen entlastet und Effizienzsteigerungen ermöglicht werden. Die gesetzgeberische Realität sah jedoch zunächst anders aus, als 2022 die Anforderungen des Nachweisgesetzes (NachwG) – sogar über die europäische Richtlinie hinaus – verschärft wurden. Insbesondere das Schriftformerfordernis wurde stark kritisiert.
Nun, mehr als zwei Jahre später, zeichnet sich eine Wende ab: Mit dem neuen Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) wird ein wichtiger Schritt in Richtung Bürokratieabbau und Digitalisierung getan. Dafür, dass viele Arbeitsverträge ab dem 01.01.2025 digital abgeschlossen werden können, sorgen vor allem zwei entscheidende Punkte im BEG IV:
- Zum einen können die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die jedem Arbeitnehmer mitgeteilt werden müssen, künftig digital nachgewiesen werden – zuvor war Schriftform („wet signature“) erforderlich).
- Zum anderen können die in vielen Arbeitsverträgen enthaltenen Befristungen auf die Regelaltersgrenze nun in Textform (also digital) vereinbart werden – zuvor war auch hier Schriftform („wet signature“) erforderlich.
Nachweis von Arbeitsbedingungen ab dem 1.1.2025 digital möglich
Das NachwG soll mehr Transparenz und Vorhersehbarkeit in der Arbeitswelt schaffen. Es verpflichtet die Arbeitgeber, den Arbeitnehmern bei Beginn des Arbeitsverhältnisses einen umfangreichen Katalog wesentlicher Arbeitsbedingungen gemäß § 2 NachwG zur Verfügung zu stellen. Bisher konnte diese Informationspflicht nur durch Aushändigung eines schriftlichen Dokuments („wet ink“) erfüllt werden. In der Praxis wurden die wesentlichen Informationen oft in den Arbeitsvertrag geschrieben, was zur Folge hatte, dass der Arbeitsvertrag schriftlich vereinbart werden musste. Die Alternative war, den Arbeitsvertrag digital zu schließen und die wesentlichen Arbeitsbedingungen daneben schriftlich mitzuteilen, was umständlich war und ein Hindernis für digitale Prozesse darstellte, zumal seit der Neuregelung des NachwG der schriftliche Nachweis spätestens mit Arbeitsaufnahme erfolgen musste.
Mit Inkrafttreten des BEG IV können die wesentlichen Vertragsbedingungen nach § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG künftig elektronisch (zB per E-Mail) übermittelt werden, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Dokument muss für den Arbeitnehmer zugänglich sein,
- es muss speicher- und ausdruckbar sein,
- mit der Übermittlung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordern, einen Empfangsnachweis zu erteilen.
Wichtig ist dabei, dass die Übermittlung individuell an jeden Arbeitnehmer erfolgt, allgemeine Bekanntmachungen reichen nicht aus. Zum Beispiel könnte ein Arbeitsvertrag (zB als PDF-Anhang) per E-Mail versendet werden, wobei eine Empfangsbestätigung angefordert werden sollte, um den Zugang nachzuweisen.
Ausnahmen: Die in § 2a SchwarzArbG genannten Branchen (z.B. Baugewerbe, Gaststättengewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditionsgewerbe, Gebäudereinigungsgewerbe, Fleischwirtschaft) sind von den Erleichterungen ausgenommen (§ 2 Abs. 1 S. 6 NachwG).
Wichtig ist auch: Auf Verlangen muss weiterhin ein physisches mit „wet ink“ unterzeichnetes Dokument zur Verfügung gestellt werden (§ 2 Abs. 1 S. 3 iVm S. 1 NachwG n.F.).
Befristung von Arbeitsverträgen auf Regelaltersgrenze ab dem 1.1.2025 digital möglich
Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Dies galt nach der Rechtsprechung des BAG bislang auch für Altersbefristungen.
Diese Schriftformpflicht für Altersbefristungen soll künftig aufgehoben werden. Diesbezüglich sieht BEG IV vor, dass § 41 SGB VI den folgenden Abs. 2 erhält:
„Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Textform. § 14 Absatz 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gilt nicht.“
Dem Wortlaut der Regelung nach sind nur Befristungen auf die „Regelaltersgrenze“ betroffen. Dies dürfte sich sowohl auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen (vgl. auch §§ 35, 235 SGB VI) als auch bspw. auf Satzungen berufsständischer Versorgungswerke (vgl. BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15). Auf welche Regelaltersgrenze sich die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag bezieht, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Typische Klauseln wären z. B.:
„Das Arbeitsverhältnis endet spätestens, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht und an den unmittelbar anschließend der Arbeitnehmer Anspruch auf eine gesetzliche Regelaltersrente hat.“ oder
„Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das gesetzliche Regelrenteneintrittsalter erreicht.“ oder
„Die Parteien vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, an dem Tag endet, an dem der Mitarbeiter die jeweils maßgebliche sozialversicherungsrechtliche Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente erreicht hat.“
Im Umkehrschluss sind andere Arten von Altersbefristungen, die nicht an die Regelaltersgrenze anknüpfen, nicht von der neuen Privilegierung erfasst und bedürfen weiterhin der Schriftform. Hierzu zählen u.a.:
- Befristungen, die auf die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung abstellen,
- Befristungen, die auf den Bezug vorzeitiger Altersrente, z.B. für langjährig Versicherte oder Schwerbehinderte, abstellen.
Diese Klausel dürfte z. B. nicht darunterfallen und müsste deshalb weiterhin schriftlich oder mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden:
„Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug einer ungekürzten Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat.“
Sonstige Befristungen bedürfen ebenfalls weiterhin der Schriftform oder müssen mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Das gilt insbesondere für den praktisch sehr wichtigen Fall der sachgrundlosen – und Sachgrundbefristung.
In der Praxis müssen daher viele befristete Verträge weiterhin schriftlich oder mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden – außer die Befristung bezieht sich einzig auf das Erreichen der Regelaltersgrenze.
Ist damit endlich ein voll digitaler Arbeitsvertrag und „Onboarding“-Prozess möglich?
Die kurze Antwort lautet „ja“ – außer es werden bestimmte besondere Regelungen benötigt. Der bisher zwingend „nicht-digitale“ Nachweis von Arbeitsbedingungen war bisher die wesentliche Hürde für einen vollständigen digitalen Prozess. Dieser ist entfallen.
In der Praxis von großer Bedeutung bleibt allerdings, dass beispielsweise die folgenden praktisch bedeutenden Regelungen weiterhin schriftlich oder mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden müssen oder sogar weitergehende Anforderungen vorsehen:
- Für Befristungen ist weiterhin gem. § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend die klassische Schriftform oder eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich – außer bei Befristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze (vgl. oben).
- Auch für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ist weiterhin die klassische Schriftform mit „wet ink“ und der Aushändigung einer physischen Urkunde gemäß § 74 Abs. 1 HGB zu empfehlen.
Jedenfalls das Schriftformerfordernis ist jedoch angesichts der Möglichkeiten, schnell und einfach qualifiziert digital zu signieren (z. B. über ein Video-Ident-Verfahren), kein entscheidendes Hindernis mehr für einen vollständigen digitalen Vertragsabschluss und ein vollständig digitales Onboarding.
Weitere wichtige Erleichterungen aus arbeitsrechtlicher Sicht
In einer Reihe von weiteren Bereichen gibt es Erleichterungen. Wichtige Beispiele mit arbeitsrechtlicher Relevanz sind:
- Arbeitszeugnis: Das Zeugnis kann mit Einwilligung des Arbeitnehmers in elektronischer Form (d.h. mit qualifizierter elektronischer Signatur, § 126a BGB) erteilt werden (§ 630 S. 3 BGB). Der Prozess ist einfach: Dokumente werden digital hochgeladen und an die Unterzeichnenden versandt. Diese können die Dokumente auf jedem Gerät prüfen, elektronisch signieren und mit einem Klick zurücksenden. Dies gewährleistet eine sichere Nachverfolgung des gesamten Signaturprozesses. Dies spart Zeit, reduziert Papierverbrauch und beschleunigt Geschäftsprozesse.In den Fällen, in den ein Zeugnis rückdatiert wird (zB bei Zeugnisberichtigungen) und dies durch die qualifizierte elektronische Signatur offengelegt würde, sollte weiterhin Schriftform gewählt werden.
- Arbeitnehmerüberlassung: Für die Überlassungsvereinbarung zwischen Verleiher und Entleiher gilt künftig gem. § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG die Textform. Damit reicht zukünftig etwa eine E-Mail oder ein unsigniertes PDF. Das ist eine sehr große Erleichterung für die Praxis – bisher sind Arbeitnehmerüberlassungsverträge sehr oft formunwirksam.
- Aufbewahrungsfristen: Weitere wichtige Änderung durch das BEG IV mit auch arbeitsrechtlicher Relevanz sind die Anpassungen des Handelsgesetzbuches (HGB) und der Abgabenordnung (AO) für Buchungsbelege. Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie z.B. Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten werden von zehn auf acht Jahre verkürzt. Hierzu werden zukünftig § 257 Abs. 4 HGB und § 147 Abs. 3 S. 1 AO angepasst. Für alle Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist am Tag nach der Verkündung des BEG IV noch nicht abgelaufen ist, gilt die Erleichterung. Dies hat datenschutzrechtlich zur Folge, dass die Speicherfristen im Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten nach Art. 30 DSGVO sowie die entsprechenden Löschzyklen im Unternehmen angepasst werden müssen. Unternehmen sollten sich bereits jetzt mit diesen Änderungen befassen.
- Weitere Erleichterungen: Finden sich u.a. für das Arbeitszeitgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.
Für welche wichtigen Dokumente brauchen Arbeitgeber noch Schriftform bzw. eine sog. „qualifizierte elektronische Signatur“?
Für eine Reihe weiterer Dokumente wird jedoch auch zukünftig Schriftform erforderlich sein – wobei eine Ersetzung dieser durch eine qualifizierte elektronisch Signatur in einigen, aber nicht in allen Fällen möglich ist. In der Praxis wichtige Beispiele sind:
- Arbeitsverträge: Zu wichtigen verbleibenden Formanforderungen vgl. oben.
- Kündigungen und Aufhebungsverträge: In der Praxis weiterhin eine Domäne der „klassischen“ Schriftform im Sinne von „wet ink“ werden bis auf weiteres jedoch Kündigungen und Aufhebungsverträge bleiben. § 623 BGB schließt weiterhin explizit selbst die elektronische Form (=qualifizierte elektronische Signatur) aus. Auch wenn das europarechtlich fragwürdig ist, sollte sich die Praxis daran halten.
- Betriebsvereinbarungen: Schriftform oder elektronische Form gemäß § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG.
- Ausbildungszeugnisse: Elektronische Form i.S.d. § 126a BGB zulässig, sofern die Einwilligung des Auszubildenden vorliegt, s. § 16 Abs. 1 BBiG
Fazit
Mit den das Arbeitsrecht betreffenden Anpassungen im BEG IV nimmt der Gesetzgeber endlich die nächste Stufe auf dem Weg zur digitalen Arbeitswelt. Für viele Unternehmen bedeutet dies eine deutliche Vereinfachung des administrativen Aufwands. Arbeitgeber müssen jedoch spezifischen Ausnahmen und Anforderungen im Blick zu behalten, um rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben.
Insbesondere sollten die Prozesse zum Abschluss des Arbeitsvertrags so aufgesetzt werden, dass sichergestellt ist, dass beim Abschluss von befristeten Verträgen nach wie vor mit „wet signatur“ oder qualifizierter elektronischer Signatur die Schriftform gewahrt wird.
Unternehmen, die in den in § 2a SchwarzArbG genannten Branchen tätig sind, sollten beachten, dass sie von den Formerleichterungen des NachwG ausgenommen sind.