Commercial Courts und Commercial Chambers kommen und sind teilweise schon eingerichtet – für NRW: Commercial Court am OLG Düsseldorf
Zum 1. April 2025 ist das Justiz-Standort-Stärkungsgesetz in Kraft getreten. Zu dessen Inhalt hatten wir bereits in unserem Blogbeitrag vom 15. Oktober 2024 berichtet.
Noch einmal kurz zur Erinnerung: Mit dem Ziel, die Attraktivität des Justizstandorts Deutschland zu stärken, gibt das Gesetz den Bundesländern die Möglichkeit, für bestimmte Wirtschaftsstreitigkeiten einen sog. Commercial Court (am Oberlandesgericht) und sog. Commercial Chambers (am Landgericht) einzurichten. Ein Commercial Court besteht aus einem oder mehreren Zivilsenat(en) an einem Oberlandesgericht, dessen erstinstanzliche Zuständigkeit die Parteien für bestimmte wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten ab einem Streitwert von EUR 500.000 vereinbaren können (bspw. mit der „Stuttgarter Musterklausel“). Hier kann das gesamte Verfahren auf Englisch geführt werden. Zudem können sich die Parteien auf die Strukturierung des Verfahrens und die Erstellung von Wortlautprotokollen verständigen. Commercial Chambers sind Kammern für englischsprachige Verfahren an den Landgerichten.
Bislang haben insgesamt acht Bundesländer die Einrichtung von einem Commercial Court und teilweise auch von Commercial Chambers angekündigt und diese teilweise auch schon umgesetzt: Baden-Württemberg (OLG Stuttgart und LG Stuttgart), Bayern (OLG München), Berlin (Kammergericht und LG Berlin II), Bremen (Hanseatisches Oberlandesgericht), Hamburg (Hanseatisches Oberlandesgericht und LG Hamburg), Hessen (OLG Frankfurt a.M. und LG Frankfurt a.M.), Niedersachsen (OLG Celle, LGs Braunschweig, Hannover, Oldenburg), Nordrhein-Westfalen (OLG Düsseldorf, LGs Bielefeld, Düsseldorf, Essen und Köln).
Im Rahmen der Errichtung der Commercial Courts und Commercial Chambers haben die Bundesländer Umsetzungsspielräume. Deshalb divergieren insbesondere die jeweiligen Sachgebiete, für die die Zuständigkeit der Commercial Courts und Commercial Chambers vereinbart werden kann, voneinander. Die Darstellung aller (geplanten) Zuständigkeitsoptionen würde hier den Rahmen sprengen, weshalb wir uns hier – entsprechend unseres Sitzes in Düsseldorf– auf Nordrhein-Westfalen beschränken wollen.
Hier hat NRW pünktlich zum April mit der Commercial-Court- und Commercial-Chambers-Verordnung einen Commercial Court am OLG Düsseldorf und vier Commercial Chambers an den Landgerichten Bielefeld, Essen, Düsseldorf und Köln eingerichtet.
Am OLG Düsseldorf besteht der Commercial Court aus drei spezialisierten Senaten: für (i) gesellschaftsrechtliche und Post-M&A-Streitigkeiten (ausgenommen: Beschlussmängelstreitigkeiten und Spruchverfahren), für (ii) Versicherungssachen (auch D&O-Versicherungen) und für (iii) Bau- und Architektensachen. Die Vorsitze der jeweiligen Senate der Commercial-Courts übernehmen die auf den jeweiligen Gebieten erfahrenen Richter Dr. Robert Papst (Gesellschaftsrecht und Post-M&A-Streitigkeiten), Dr Arnd Weishaupt (Versicherungssachen), Dr. Tobias Rodemann (Bau- und Architektensachen).
Unterhalb der Streitwertgrenze des Commercial Courts können Verfahren bei entsprechender Vereinbarung der Parteien vor den Commercial Chambers an den Landgerichten Bielefeld, Essen, Düsseldorf und Köln auf Englisch geführt werden. Bei den Zuständigkeiten der Commercial Chambers setzt NRW auf die bereits im Kalenderjahr 2021 durch die „Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten aus den Bereichen der Unternehmenstransaktionen (Mergers & Acquisitions) [Konzentration am LG Düsseldorf], der Informationstechnologie und Medientechnik [Konzentration am LG Köln] sowie der Erneuerbaren Energien [Konzentration an den LGs Bielefeld und Essen]” geschaffenen Zuständigkeitskonzentrationen auf. Soweit hierdurch die sachlichen Zuständigkeiten bereits an einem Landgericht konzentriert sind, gilt dies auch für englischsprachige Streitigkeiten vor den Commercial Chambers.
Abzuwarten wird nun sein, inwieweit die anderen Bundesländer ihrerseits von den Möglichkeiten des Justiz-Standort-Stärkungsgesetzes Gebrauch machen und welche weiteren Commercial Courts mit welchen Spezialisierungen hierdurch entstehen werden. Von der Möglichkeit zur Errichtung länderübergreifender Commercial Courts (§ 119b Abs. 6 GVG) haben die Bundesländer bislang noch keinen Gebrauch gemacht. Insbesondere für ausländische Parteien wird die Navigation durch die Vielzahl der Zuständigkeitsoptionen der verschiedenen Commercial Courts sicherlich eine – womöglich abschreckende? – Herausforderung. Gleichzeitig können die Parteien – wenn die angekündigten Commercial Courts vollständig eingerichtet sind – durchaus den jeweils für ihre Materie passenden Commercial Court auswählen und dessen Zuständigkeit vereinbaren (bspw. Commercial Court Düsseldorf oder Stuttgart für Post-M&A- sowie gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, Commercial Court Bremen für Luft-, Raumfahr- oder Logistikrecht, Commercial Court Hamburg für Schifffahrtsrecht). Ob Parteien die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Streitbeilegung dann auch tatsächlich in Anspruch nehmen und die Commercial Courts sich als eine ernsthafte Alternativen zu Schiedsgerichtsbarkeit werden etablieren können wird mit Spannung zu beobachten bleiben.
Sie haben Fragen zu den Commercial Courts oder Commercial Chambers oder wollen die Zuständigkeit der Streitbeilegung in einem Vertrag regeln? Melden Sie sich jederzeit gerne bei uns!