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OLG Schleswig, Urteil vom 26.02.2024 – 16 U 93/23

Fakten

Klägerin des Verfahrens war eine GmbH, die eine Bäckerei betrieb. Diese unterhielt bei der Beklagten eine sog. D&O-Versicherung, also eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für ihre Organe und leitende Angestellten. Im Jahr 2018 kam es zu einem Brand in der Bäckerei. Die Versicherungssumme der für die Bäckerei existierenden Gebäude-Feuerversicherung war deutlich zu niedrig, so dass die Feuerversicherung nur einen Teil des Schadens ersetzte. Die bestehende Schadensdifferenz machte die GmbH zunächst gegenüber ihrem Geschäftsführer geltend, da dieser nicht für einen ausreichenden Versicherungsschutz gesorgt habe. Der Geschäftsführer trat daraufhin seinen Freistellungsanspruch gegen den D&O-Versicherer an die GmbH ab. Diese verklagte sodann unmittelbar den D&O-Versicherer.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Schleswig bejahte einen Zahlungsanspruch der GmbH gegen den D&O-Versicherer. Die Aktivlegitimation der GmbH gegenüber dem D&O-Versicherer folge bereits daraus, dass sich der Freistellungsanspruch des Geschäftsführers durch die Abtretung in einen Zahlungsanspruch der GmbH unmittelbar gegenüber dem D&O-Versicherer umwandele. Inzident prüfte das Gericht, ob sich der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG gegenüber der von ihm geführten GmbH schadensersatzpflichtig gemacht habe. Das Gericht bejahte dies, da die unzureichende Bemessung der Gebäude-Feuerversicherungssumme eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers darstelle, die vorliegend auch kausal zu einem Schaden geführt habe.

Das Gericht musste sodann klären, ob die von der beklagten D&O-Versicherung erhobene Verjährungseinrede durchgreift. Dies wurde jedoch abgelehnt. Die Verjährung des Haftpflichtanspruchs sei durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs gehemmt worden. Der Geschäftsführer und die GmbH hätten mit der Abtretung konkludent eine Vereinbarung getroffen, wonach die GmbH verpflichtet gewesen sei, so lange nicht gegen den Geschäftsführer vorzugehen, wie die Möglichkeit bestanden habe, von dem D&O-Versicherer in einem einheitlichen Haftungs- und Deckungsprozess Schadensersatz zu erhalten (sog. pactum de non petendo). Folglich sei die Verjährung des Haftungsanspruchs gegen den Geschäftsführer für die Dauer der Anspruchsverfolgung durch die GmbH gegenüber dem D&O-Versicherer gehemmt gewesen.

Folgen der Entscheidung

Mit der Entscheidung des OLG Schleswig erhält eine interessante Konstellation der Organhaftung, die bislang ein Schattendasein fristete, weiteren Aufwind: Es geht um die direkte Inanspruchnahme des D&O-Versicherers. Während das geschädigte Unternehmen in der Praxis bislang üblicherweise zunächst ein Haftungsverfahren gegen das sich pflichtwidrig verhaltende Organ führte und erst in einem zweiten Schritt die D&O-Versicherung auf Deckung in Anspruch nahm, ebnete der BGH im Jahr 2016 den Weg für eine direkte Inanspruchnahme des Versicherers (BGH, Urt. v. 13.04.2016 – IV ZR 304/13, ZIP 2016, 976).

Diesbezüglich hatte zuletzt das Oberlandesgericht Köln für eine weitere Weichenstellung zugunsten des Direktanspruchs gesorgt. Das Gericht bejahte die bis dahin streitige Frage, ob auch im Direktprozess zwischen der Gesellschaft und der Versicherung die aus einer „normalen“ Inanspruchnahme des Geschäftsführers bekannte Beweislastumkehr entsprechend anwendbar ist, die in der Praxis nicht selten über „Sieg“ oder „Niederlage“ entscheidet (OLG Köln, 21.11.2023, I-9 U 206/22, NZG 2024, 313). Für den hier zugrunde liegenden Fall war dies hingegen aufgrund der eindeutigen Tatsachenlage nicht relevant.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig enthält allerdings – abseits der vom Gericht wohl zu Recht angenommenen Pflichtverletzung des Geschäftsführers, weil es zu seinen Aufgaben gehört, die voraussichtliche Auskömmlichkeit des Versicherungsschutzes des Unternehmens zu prüfen – eine interessante Weiterentwicklung der vorzitierten BGH-Rechtsprechung hinsichtlich der Verjährung. Die Ansicht nämlich, wonach die Verjährung des Haftpflichtanspruchs durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs gehemmt worden sei, überzeugt. Bei einer Abtretung des Freistellungsanspruchs erfüllungshalber ist regelmäßig davon auszugehen, dass zumindest stillschweigend ein Stillhalteabkommen vereinbart wurde. Dieses besteht so lange wie die Leistungspflicht des D&O-Versicherers im Direktprozess noch nicht rechtskräftig verneint wurde. Aufgrund des Stillhalteabkommens ist dann auch die Verjährung des Haftpflichtanspruchs gehemmt, so dass der Versicherer diesen Einwand nicht erfolgreich erheben kann.

Nicht überzeugend war hingegen die weitere Überlegung des Oberlandesgerichtes, es liege auch deswegen keine Verjährung vor, weil die fünfjährige Verjährungsfrist mit der Abtretung neu zu laufen begonnen habe. Dies würde voraussetzen, dass in der Abtretung gleichzeitig ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs liegt. Dies ist allerdings schon deswegen fernliegend, weil der Geschäftsführer mit einem unabgestimmten Anerkenntnis den Versicherungsschutz gefährden würde.

Neuigkeiten zur Managerhaftung und der direkten Inanspruchnahme der D&O-Versicherung nach Abtretung des Freistellungsanspruchs durch den Geschäftsführer

OLG Schleswig, Urteil vom 26.02.2024 – 16 U 93/23

Fakten

Klägerin des Verfahrens war eine GmbH, die eine Bäckerei betrieb. Diese unterhielt bei der Beklagten eine sog. D&O-Versicherung, also eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für ihre Organe und leitende Angestellten. Im Jahr 2018 kam es zu einem Brand in der Bäckerei. Die Versicherungssumme der für die Bäckerei existierenden Gebäude-Feuerversicherung war deutlich zu niedrig, so dass die Feuerversicherung nur einen Teil des Schadens ersetzte. Die bestehende Schadensdifferenz machte die GmbH zunächst gegenüber ihrem Geschäftsführer geltend, da dieser nicht für einen ausreichenden Versicherungsschutz gesorgt habe. Der Geschäftsführer trat daraufhin seinen Freistellungsanspruch gegen den D&O-Versicherer an die GmbH ab. Diese verklagte sodann unmittelbar den D&O-Versicherer.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Schleswig bejahte einen Zahlungsanspruch der GmbH gegen den D&O-Versicherer. Die Aktivlegitimation der GmbH gegenüber dem D&O-Versicherer folge bereits daraus, dass sich der Freistellungsanspruch des Geschäftsführers durch die Abtretung in einen Zahlungsanspruch der GmbH unmittelbar gegenüber dem D&O-Versicherer umwandele. Inzident prüfte das Gericht, ob sich der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG gegenüber der von ihm geführten GmbH schadensersatzpflichtig gemacht habe. Das Gericht bejahte dies, da die unzureichende Bemessung der Gebäude-Feuerversicherungssumme eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers darstelle, die vorliegend auch kausal zu einem Schaden geführt habe.

Das Gericht musste sodann klären, ob die von der beklagten D&O-Versicherung erhobene Verjährungseinrede durchgreift. Dies wurde jedoch abgelehnt. Die Verjährung des Haftpflichtanspruchs sei durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs gehemmt worden. Der Geschäftsführer und die GmbH hätten mit der Abtretung konkludent eine Vereinbarung getroffen, wonach die GmbH verpflichtet gewesen sei, so lange nicht gegen den Geschäftsführer vorzugehen, wie die Möglichkeit bestanden habe, von dem D&O-Versicherer in einem einheitlichen Haftungs- und Deckungsprozess Schadensersatz zu erhalten (sog. pactum de non petendo). Folglich sei die Verjährung des Haftungsanspruchs gegen den Geschäftsführer für die Dauer der Anspruchsverfolgung durch die GmbH gegenüber dem D&O-Versicherer gehemmt gewesen.

Folgen der Entscheidung

Mit der Entscheidung des OLG Schleswig erhält eine interessante Konstellation der Organhaftung, die bislang ein Schattendasein fristete, weiteren Aufwind: Es geht um die direkte Inanspruchnahme des D&O-Versicherers. Während das geschädigte Unternehmen in der Praxis bislang üblicherweise zunächst ein Haftungsverfahren gegen das sich pflichtwidrig verhaltende Organ führte und erst in einem zweiten Schritt die D&O-Versicherung auf Deckung in Anspruch nahm, ebnete der BGH im Jahr 2016 den Weg für eine direkte Inanspruchnahme des Versicherers (BGH, Urt. v. 13.04.2016 – IV ZR 304/13, ZIP 2016, 976).

Diesbezüglich hatte zuletzt das Oberlandesgericht Köln für eine weitere Weichenstellung zugunsten des Direktanspruchs gesorgt. Das Gericht bejahte die bis dahin streitige Frage, ob auch im Direktprozess zwischen der Gesellschaft und der Versicherung die aus einer „normalen“ Inanspruchnahme des Geschäftsführers bekannte Beweislastumkehr entsprechend anwendbar ist, die in der Praxis nicht selten über „Sieg“ oder „Niederlage“ entscheidet (OLG Köln, 21.11.2023, I-9 U 206/22, NZG 2024, 313). Für den hier zugrunde liegenden Fall war dies hingegen aufgrund der eindeutigen Tatsachenlage nicht relevant.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig enthält allerdings – abseits der vom Gericht wohl zu Recht angenommenen Pflichtverletzung des Geschäftsführers, weil es zu seinen Aufgaben gehört, die voraussichtliche Auskömmlichkeit des Versicherungsschutzes des Unternehmens zu prüfen – eine interessante Weiterentwicklung der vorzitierten BGH-Rechtsprechung hinsichtlich der Verjährung. Die Ansicht nämlich, wonach die Verjährung des Haftpflichtanspruchs durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs gehemmt worden sei, überzeugt. Bei einer Abtretung des Freistellungsanspruchs erfüllungshalber ist regelmäßig davon auszugehen, dass zumindest stillschweigend ein Stillhalteabkommen vereinbart wurde. Dieses besteht so lange wie die Leistungspflicht des D&O-Versicherers im Direktprozess noch nicht rechtskräftig verneint wurde. Aufgrund des Stillhalteabkommens ist dann auch die Verjährung des Haftpflichtanspruchs gehemmt, so dass der Versicherer diesen Einwand nicht erfolgreich erheben kann.

Nicht überzeugend war hingegen die weitere Überlegung des Oberlandesgerichtes, es liege auch deswegen keine Verjährung vor, weil die fünfjährige Verjährungsfrist mit der Abtretung neu zu laufen begonnen habe. Dies würde voraussetzen, dass in der Abtretung gleichzeitig ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs liegt. Dies ist allerdings schon deswegen fernliegend, weil der Geschäftsführer mit einem unabgestimmten Anerkenntnis den Versicherungsschutz gefährden würde.

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