LAG Köln, Urteil vom 06.02.2024 – 4 Sa 390/23
Fakten
Als Mitarbeiter mit Führungsverantwortung hatte der klagende Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf einen Company-Bonus, für den lediglich Unternehmensziele maßgeblich waren. Laut maßgeblicher Betriebsvereinbarung musste die Zielvorgabe bis zum 01.03. des Kalenderjahres vorliegen. Man ahnt es schon: Das tat sie nicht. Die Zielvorgabe erfolgte erst im September 2019. Der Arbeitnehmer erhielt einen Teilbonus ausbezahlt, klagte jedoch auf vollen Bonus. Seine Begründung: Aufgrund der verspäteten Zielvorgabe sei von einer 100%-Zielerfüllung auszugehen.
Entscheidung
Das LAG Köln folgte der Ansicht der Führungskraft. Die Zielvorgabe des Arbeitgebers im September 2019 war verspätet, auch wenn das maßgebliche Geschäftsjahr noch nicht abgelaufen war. Eine Zielvorgabe zu einem derart späten Zeitpunkt ist nicht ausreichend, da es dadurch zu keiner Leistungssteigerung oder höheren Motivation mehr kommen kann. Nichtssagende Unternehmenspräsentationen und allgemeine E-Mail-Korrespondenz, auf die sich das Unternehmen noch berufen wollte, werden den Anforderungen an eine Zielvorgabe nicht gerecht, da es an der hinreichenden Individualisierung fehlt.
Folgen der Entscheidung
Das LAG setzt sich mit zwei Fragen auseinander, die das BAG bisher offengelassen hat und zudem es nun im Rahmen der eingelegten Revision Stellung nehmen kann:
- Erfolgt eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt im Laufe des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Von einer entsprechenden Verspätung der Zielvorgabe ist jedenfalls auszugehen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Viertel abgelaufen ist. Das BAG hatte eine entsprechende Verspätung bisher immer erst dann angenommen, wenn das maßgebliche Geschäftsjahr bereits komplett abgelaufen war.
- Außerdem stellt das LAG fest, dass auch bei einer Zielvorgabe, die lediglich unternehmensbezogene Ziele betrifft, die Anreizfunktion verloren gehen kann, auch wenn nicht feststeht, welchen Einfluss der Einzelne auf die Unternehmensperformance überhaupt nehmen kann.
Das LAG verlagert den Zeitpunkt der Pflichtverletzung durch das Unterlassen der Zielvorgabe deutlich nach vorne. Immer dann, wenn die Anreiz- und Motivationsfunktion nicht mehr erfüllt werden kann, wird eine verspätete Zielvorgabe wie eine unterbliebene Zielvorgabe zu bewerten sein.
Hinweise für die Praxis
Das LAG verschärft den Haftungsmaßstab für Unternehmen. Wurden bisher noch in der zweiten Jahreshälfte hektisch Ziele kommuniziert oder vereinbart, steigt das Risiko einer verspäteten Zieldefinition in Form der Zielvorgabe oder Zielvereinbarung mit der Entscheidung deutlich an. Führungsverantwortliche und Personalabteilungen sollten daher den Workflow rund um die Zielvereinbarungen und Zielvorgaben sehr genau einhalten. Fristen für die Zieldefinition in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen müssen eingehalten werden, um jedes Risiko auszuschließen. Bei der Vertragsgestaltung ist auf eine ausreichende Flexibilität der Regelungen zu achten. Nicht ausreichend ist es auch, wenn in Meetings wenig aussagekräftige Firmenkennzahlen vorgestellt und dazugehörige Präsentationen verschickt werden, es aber an der Individualisierung der Zahlen für den einzelnen Mitarbeiter fehlt. Das LAG verlangt für eine ordnungsgemäße Zielvorgabe, dass aus der Mitteilung der Ziele erkennbar ist, inwiefern die Zielvorgabe für die variable Vergütung des jeweiligen Arbeitnehmers von Relevanz sein soll. Dies ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn weder eine Gewichtung der Ziele noch ein Zielkorridor definiert wird.