Im Blogbeitrag vom 25. März 2024 berichteten wir bereits über den Regierungsentwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), welches in vielen Bereichen, unter anderem im Arbeitsleben, Bürokratie abbauen und damit Wirtschaft und Gesellschaft nach Regierungsangaben jährlich um rund 1 Milliarde Euro entlasten soll. Im arbeitsrechtlichen Fokus des Regierungsentwurfes steht dabei die geplante Formerleichterung im Nachweisgesetz.
Das Gesetzgebungsverfahren zum BEG IV ist zwischenzeitlich weiter fortgeschritten, weshalb nachfolgend über die neuesten Entwicklungen und den aktuellen Stand des Gesetzesvorhabens informiert werden soll.
- 13. März 2024: Regierungsentwurf
Während nach derzeitiger Rechtslage der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen noch der Schriftform unterliegt, sieht der am 13. März 2024 beschlossene Regierungsentwurf vor, dass der Nachweis künftig in elektronischer Form erbracht werden kann. Obwohl dies eine Lockerung der strengen Schriftform bedeuten würde, beanstanden viele Stimmen aus der Praxis berechtigterweise, dass die Ermöglichung eines Nachweises in elektronischer Form zu keiner nennenswerten Entlastung führen werde. Bei der elektronischen Form muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, über welche viele Arbeitgeber und erst recht die meisten Mitarbeitenden gar nicht verfügen.
- 21. März 2024: Rundschreiben des Bundesjustizministers
In Reaktion auf die Kritik aus der Praxis teilte Bundesjustizminister Buschmann nur acht Tage, nachdem das Bundeskabinett den Regierungsentwurf beschlossen hatte, in einem Rundschreiben mit, dass die Schriftform im Nachweisgesetz nunmehr nicht nur durch die elektronische Form, sondern durch die Textform ersetzt werden soll. Voraussetzung solle nur sein, dass das Dokument für die Mitarbeitenden zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält. Dadurch wäre künftig etwa auch die Übersendung des Nachweises der Arbeitsbedingungen per E-Mail möglich. Nur, wenn die Mitarbeitenden dies verlangen, soll der Arbeitgeber ihnen einen schriftlichen Nachweis zur Verfügung stellen müssen.
- 26. April 2024: Stellungnahme des Bundesrates zum BEG IV
Der Bundesrat äußerte sich ebenfalls kritisch über die im Regierungsentwurf noch vorgesehene elektronische Form. Die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur sei „praxisfremd und zu aufwändig, sodass die vorgesehene Erleichterung weit überwiegend ins Leere laufen würde“. Vielmehr solle die Textform zugelassen werden, zumal die dem Nachweisgesetz zugrundeliegende EU-Richtlinie keine bestimmte Signatur vorschreibe. Es bestehe kein Bedarf, „im nationalen Recht über die Vorgaben der Richtlinie der EU hinauszugehen“.
- 17. Mai 2024: Erste Lesung im Bundestag
Der Regierungsentwurf wurde – noch in der Fassung ohne die von Bundesjustizminister Buschmann in seinem Rundschreiben angekündigten Änderungen – am 17. Mai 2024 in den Bundestag eingebracht und erstmals erörtert. Sodann wurde er zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen.
- 05. Juni 2024: Anhörung von Sachverständigen durch den Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hörte am 05. Juni 2024 zahlreiche Sachverständige zu den im Gesetzesentwurf vorgesehenen Maßnahmen an. Die anvisierten Änderungen im Nachweisgesetz wurden dabei von zwei Sachverständigen bewertet, welche zu konträren Ergebnissen gelangten:
So äußerte sich Isabel Eder, Abteilungsleiterin beim Deutschen Gewerkschaftsbund, kritisch zu der geplanten Formerleichterung im Nachweisgesetz: Die Schriftform biete für die Mitarbeitenden als beweissicherste Option elementare Schutzfunktionen, die es zu erhalten gelte. Die Absenkung dieses Schutzniveaus durch eine Formerleichterung sei demnach unionsrechtswidrig und bedeute keine Bürokratieentlastung, sondern eine Erschwerung der Rechtsdurchsetzung für die Mitarbeitenden.
Prof. Dr. Frank Bayreuther, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Passau, bewertete die geplante Formerleichterung hingegen im Grundsatz positiv. Dass der Nachweis derzeit nur in Schriftform erteilt werden könne, erweise sich für Unternehmen „als recht aufwändig“ und erscheine auch „nicht mehr zeitgemäß“. Allerdings sei die im Regierungsentwurf anvisierte Änderung zugunsten der elektronischen Form „verhältnismäßig überschaubar“. Über eine Zulassung der Nachweiserteilung in Textform könne hingegen durchaus nachgedacht werden, solange beachtet werde, dass nicht jedes von der Textform umfasste Format zur Nachweiserteilung geeignet sei. Schließlich ging Prof. Dr. Bayreuther noch einen Schritt weiter und brachte eine Zulassung von cloudbasierten Lösungen in die Diskussion ein.
- 19. Juni 2024: Beschluss einer Formulierungshilfe zum BEG IV
In seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 beschloss das Bundeskabinett nun eine Formulierungshilfe zur Änderung des Regierungsentwurfs für das BEG IV, in welcher sich die von Bundesjustizminister Buschmann in seinem Rundschreiben angekündigte Änderung des Nachweisgesetzes wiederfindet:
Demnach bleibt die Schriftform zwar weiterhin der Regelfall. Der Nachweis kann aber in Textform erbracht werden, sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen. Der Arbeitgeber ist auf Verlangen des Arbeitnehmers indes verpflichtet, den Nachweis unverzüglich in Schriftform zu erbringen. Die Verjährung des Anspruchs auf einen schriftlichen Nachweis beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet.
Die Formulierungshilfe fungiert als Vorschlag für die weiteren Beratungen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Wir werden gespannt verfolgen, ob die vorgeschlagenen Änderungen das weitere Gesetzgebungsverfahren unverändert überdauern.