Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2024 – 5 AZR 177/23
Im Streit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem ehemaligen Arbeitgeber hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut mit der Frage der Vergütung aus Annahmeverzug nach einer Kündigung befasst. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer vor, böswillig auf eine neue Beschäftigung verzichtet zu haben – mit weitreichenden finanziellen Folgen. Der Beitrag fasst die aktuelle Entscheidung des BAG zusammen und gibt praktische Hinweise, wie sich Arbeitgeber vor Zahlungsforderungen schützen können.
Fakten
Arbeitnehmer und Arbeitgeber stritten vor Gericht über die Zahlung von Vergütung aus Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer hatte zuvor Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung aus dem November 2017 erhoben. Während des laufenden Verfahrens unterließ es die Arbeitsagentur, dem Arbeitnehmer Stellenangebote zu unterbreiten, da dieser darauf aktiv verzichtete. Der Arbeitnehmer sagte sogar, er werde potenziellen Arbeitgebern bereits vor einem Vorstellungsgespräch mitteilen, dass ein Gerichtsverfahren gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber läuft und er unbedingt dort weiterarbeiten wolle. Eigene Bemühungen, eine neue Anstellung zu finden, unternahm er nicht.
Erst im Juli 2020, fast drei Jahre nach der Kündigung, entschied das Landesarbeitsgericht endgültig, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet wurde. Übrig blieb die Frage nach der Vergütung für den Zeitraum zwischen der Kündigung und Urteil. Der Arbeitgeber wendete ein, dass der Arbeitnehmer es böswillig unterlassen habe, anderweitig Erwerb zu erzielen. Dies müsse sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen.
Entscheidung
Nach der Rechtsprechung des BAG befindet sich ein Arbeitgeber zwar grundsätzlich aufgrund einer unwirksamen (außerordentlichen) Arbeitgeberkündigung im Annahmeverzug, ohne dass ein Angebot der Arbeitsleistung erforderlich ist. Gemäß § 11 KSchG muss sich der Arbeitnehmer aber das entgangene Arbeitsentgelt anrechnen lassen, das er durch eigenes Verschulden – etwa durch das Unterlassen von zumutbaren Bemühungen um eine neue Beschäftigung – nicht erzielt hat.
Ob ein Arbeitnehmer „böswillig“ handelt, wenn er eine zumutbare Arbeit ablehnt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Im Rahmen der Interessenabwägung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen wird insbesondere berücksichtigt, ob der Arbeitnehmer seiner Pflicht nachgekommen ist, sich nach Erhalt einer Kündigung arbeitslos zu melden und den Vermittlungsangeboten der Arbeitsagentur zu folgen. Sofern der Arbeitnehmer sich fristgerecht arbeitsuchend meldet und auf die Angebote der Arbeitsagentur reagiert, wird ihm in der Regel keine vorsätzliche Untätigkeit vorgeworfen – so das BAG.
Die Verpflichtung zur Arbeitssuche besteht nicht unbegrenzt. Der Arbeitnehmer muss sich nicht unermüdlich um eine neue, zumutbare Beschäftigung bemühen. Was als zumutbar gilt, hängt von der Art der Arbeit, dem bisherigen Arbeitgeber und den Arbeitsbedingungen ab. Ein Angebot ist dabei nicht „automatisch“ unzumutbar, nur weil der Lohn unter dem bisherigen Gehalt liegt. Dies gilt für eine Tätigkeit sowohl beim bisherigen Arbeitgeber als auch bei einem dritten Arbeitgeber.
Nur eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer nicht hinnehmen. Ein Beispiel: Ein Job, bei dem der Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I liegt, wird wohl als unzumutbar anzusehen sein. In diesem Fall könnte der Arbeitnehmer ohne Vorwurf auf die finanzielle Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Leistung (wie Arbeitslosengeld) zurückgreifen.
Folgen der Entscheidung
Das BAG hat nicht abschließend entschieden und die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen. Jedoch hat das BAG es sich nicht nehmen lassen, klarzustellen, dass sich Arbeitnehmer nicht nur bei der Arbeitsagentur arbeitslos melden, sondern auch aktiv mit den ihr unterbreiteten Stellenangeboten auseinandersetzen müssen.
Hinweise für die Praxis
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit dem Arbeitnehmer aktiv geeignete Stellenangebote zu unterbreiten – etwa aus Zeitungsanzeigen oder Jobportalen. Der Arbeitgeber muss dann in einem Kündigungsrechtsstreit im ersten Schritt „nur“ darlegen, dass solche konkreten und zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten während des Annahmeverzugs für den Arbeitnehmer tatsächlich zur Verfügung standen. Hat der Arbeitgeber diesen Nachweis erbracht, muss der Arbeitnehmer in einem zweiten Schritt darlegen, welche Schritte er bei der Suche nach einem neuen Job unternommen hat. Arbeitgeber sollten daher in einem Kündigungsrechtsstreit dafür sorgen, dass sie regelmäßig passende Stellenangebote übermitteln.