Autoren
Dr. Gabriele Kania
Datum

09. Juli 2021

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Arbeit aus dem Ausland wird sich auch nach der Corona-Pandemie dauerhaft etablieren. In einigen Tätigkeitsbereichen kann die Arbeitsleistung sogar vollständig in dieser Form „remote“ erbracht werden. Während in der Corona-Zeit vor allem bei ausländischen Mitarbeitern der Wunsch bestand, bei ihrer Familie zu sein, wenn ohnehin Homeoffice angeordnet ist, rückt nun zunehmend die längerfristig angelegte Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Heimatland oder für deutsche Mitarbeiter aus ihrem Feriendomizil in den Fokus. 

Das deutsche Arbeitsrecht erlaubt grundsätzlich die Ausübung von Remote Work im EU-Ausland oder in Drittstaaten. Allerdings sind bei länderübergreifender Tätigkeit die arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Hier drohen wegen der komplexen Rechtsvorschriften, insbesondere infolge der zahlreichen bilateralen Abkommen erhebliche Kosten- und Haftungsrisiken. 

Der folgende Beitrag gibt anhand typischer Praxisbeispiele einen Überblick über die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen bei Remote Work im europäischen Ausland. Steuerrechtliche Implikationen werden hier nur angerissen.

Dauerhafte „Entsendung“ in das Homeoffice im ausländischen Wohnstaat

Mitarbeiter A ist bei seinem Arbeitgeber mit Sitz in München beschäftigt, wo er bislang ausschließlich seine Arbeit erbracht hat. Da sich im vergangenen „Corona-Jahr“ die aufgezwungene Tätigkeit im Homeoffice in dessen Heimat Italien als unproblematisch erwiesen hat, soll A auch künftig die Arbeit aus dem italienischen Homeoffice ermöglicht werden. Angedacht ist, dass A zwei Wochen im Monat aus Italien und zwei Wochen am Firmensitz in München tätig wird. Der Arbeitgeber fragt nun, ob sich dadurch Änderungen in der Sozialversicherung ergeben.

Homeoffice, ein Fall der Entsendung?

In der EU bestimmt sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht nach VO (EG) 883/2004. Grds. unterliegen Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie die Tätigkeit ausüben (Art. 11 Abs. 3 lit. a) VO (EG) 883/04). Eine Ausnahme gilt nach Art. 12 VO (EG) 883/2004 bei vorübergehender Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat. Hiernach können die Vorschriften über die soziale Sicherheit des Entsendestaats fortgelten, wenn die Entsendung auf 24 Monate begrenzt ist. Das gilt jedenfalls für die klassischen Dienstreise- und Entsendekonstellationen. 

Aufenthalte im ausländischen Homeoffice führen gleichfalls zu einer Änderung des Tätigkeitsorts. Hier findet Art. 12 VO (EG) 883/2004 aber nicht uneingeschränkt Anwendung. Nach dem engen Verständnis der Vorschrift gilt als „Entsendung“ nur ein Tätigwerden im Einklang mit den Interessen des Arbeitgebers und auf dessen Weisung. Begibt sich ein Arbeitnehmer eigenmächtig und ohne Absprache in sein im Ausland gelegenes Homeoffice (sei es im Ferienhaus oder im Domizil im Herkunftsland), greift die Ausnahmevorschrift nicht. Dann bleibt es strenggenommen bei der Grundregel des Tätigkeitsortsprinzips aus Art. 11 (EG) 883/2004 – und zwar mit der Folge, dass auch die Tätigkeit im Rahmen eines kurzfristigen Auslandsaufenthalts dem Sozialversicherungsregime des anderen Mitgliedstaats unterfiele. 

Da Arbeitnehmer im letzten Jahr zur Eindämmung der Coronapandemie angehalten wurden, vermehrt aus dem Homeoffice zu arbeiten, hatten die deutschen Sozialversicherungsträger Erleichterungen geschaffen, um zu vermeiden, dass eventuell damit einhergehende Änderungen des Tätigkeitsorts Auswirkungen auf das anwendbare Sozialversicherungsrecht haben. Für Personen, die im Einklang mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ihre Tätigkeit für bis zu 24 Monate im ausländischen Homeoffice ausüben, sollten sich keine Änderungen hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts ergeben. Insoweit sollten die Entsenderegeln aus Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 zur Anwendung kommen, mit der Folge, dass das deutsche Sozialversicherungsrecht auf die Auslandstätigkeit ausstrahlt (vgl. Info der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland – DVKA).

Soll einem Mitarbeiter auch nach Corona ermöglicht werden, seine Arbeit aus dem Ausland zu erbringen, kann eine solche dauerhafte „Entsendung“ ins ausländische Homeoffice dagegen nicht auf Art. 12 VO (EG) 883/2004 und die hierzu ergangenen Erleichterungen gestützt werden. Denn einmal ist die Entsendung nach den vorgenannten Regeln begrenzt auf den Zeitraum von 24 Monaten. Zum anderen fallen vorhersehbare und regelmäßige Arbeitsperioden in mehreren EU-Mitgliedstaaten nicht unter diese Norm. Soll die Tätigkeit künftig in Deutschland und im ausländischen Homeoffice ausgeübt werden, handelt es sich um die Konstellation der „Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten“ nach Art. 13 VO (EG) 883/2004. Hierfür reicht nach Aussage der DVKA, dass die Beschäftigung regelmäßig wiederkehrend an mindestens einem Tag im Monat oder an mindestens fünf Tagen pro Quartal in mehr als einem Staat ausgeübt wird. Dann beurteilt sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht danach, wo der wesentliche Teil der Tätigkeit ausgeübt wird. 

Anwendbares Sozialversicherungsrecht bei Tätigkeit in zwei Mitgliedstaaten

Im aufgezeigten Praxisbeispiel stellt sich die Frage, ob A seine Tätigkeit nun schwerpunktmäßig in Italien ausübt und ob er damit künftig dem dortigen Sozialversicherungsregime unterfällt. Für Arbeitnehmer, die gewöhnlich in zwei (oder mehr) Mitgliedstaaten tätig sind und in ihrem Wohnsitzstaat einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausüben, regelt Art. 13 Abs. 1 a) VO (EG) 883/2004, dass sie den dortigen Rechtsvorschriften unterliegen. Nach EU-rechtlichem Verständnis reicht bereits ein zeitlicher Anteil am Wohnsitz von mindestens 25% (vgl. Durchführungs-VO (EG) 987/2009). Die Einschlägigkeit der Norm ist hier an sich zu bejahen, da A seinen Lebensmittelpunkt bei der Familie in Italien hat und dort die Hälfte seiner Arbeitszeit aus dem Homeoffice arbeitet. Relevant ist nicht die innerstaatliche Meldung als Erst- oder Zweitwohnsitz, sondern entscheidend ist, wo sich der Mitarbeiter gewöhnlich aufhält und wo sich der Mittelpunkt seiner Interessen befindet. 

Nicht völlig klar ist, ob eine Tätigkeit im Homeoffice als reiner Telearbeitsplatz einen ausreichenden Bezug zum Wohnsitzstaat begründen kann, so dass hier von einem Tätigkeitsschwerpunkt i.S. der EU-VO ausgegangen werden kann. Denn es besteht die Gefahr, dass dadurch beliebig ein Schwerpunkt im In- oder Ausland gesetzt werden könnte. Hier haben sich die europäischen Sozialpartner bzgl. grenzüberschreitender Homeoffice- bzw. Telearbeitsplätze weitgehend geeinigt. Wenn ein Arbeitnehmer die Telearbeit im Wohnsitzstaat von zu Hause ausübt, das ihn beschäftigende Unternehmen aber in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist, wird als Beschäftigungsort der Ort der Heim-Tele-Arbeitsstätte angesehen. Allein entscheidend ist, dass dort mindestens 25% der Arbeitszeit auf die Beschäftigung entfallen. In diesem Fall unterliegt der Arbeitnehmer dem Sozialversicherungsrecht des Staates, in dem er seinen Heimarbeitsplatz hat. Diese Auffassung deckt sich mit dem Wortlaut der EU-VO. 

Was ist zu tun?

Im Ergebnis ist A künftig ausschließlich dem italienischen Sozialversicherungsrecht unterworfen. Die deutschen Sozialversicherungsträger und auch die DVKA, die für Versicherte mit Wohnsitz in Deutschland den Versicherungsstatus klärt, sind nicht mehr zuständig. A hat den zugrunde liegenden Sachverhalt dem zuständigen Träger im Wohnstaat Italien mitzuteilen. Dieser stellt dann die anwendbaren Rechtsvorschriften fest und teilt seine Entscheidung den Trägern in den anderen Mitgliedstaaten – hier in Deutschland – mit.

Remote Work kann mit einem Wechsel des Sozialversicherungsstatus und damit u.U. mit einem Bruch in der Sozialversicherungsbiographie einhergehen. Will A in Deutschland sozialversichert bleiben, muss der Anteil seiner Arbeit aus dem italienischen Homeoffice unter 25% bleiben. Dann nämlich bestimmt sich das Sozialversicherungssystem gem. Art. 13 Abs. 1 b) lit. i) VO (EG) 883/2004 nach dem Sitz seines Arbeitgebers in Deutschland. Alternativ wäre zu prüfen, ob A als ausländischer Staatsangehöriger sich freiwillig in der deutschen Rentenversicherung weiterversichern kann.

Remotearbeitsverhältnisse in der EU

Das Münchener Unternehmen hat infolge des globalen Wettbewerbs um Fachkräfte Probleme, eine Position im IT-Bereich zu besetzen. Schließlich kann es den französischen Staatsbürger B mit Wohnsitz in Frankreich für die Stelle gewinnen. B möchte aber zunächst ausschließlich aus dem Homeoffice in seinem Wohnstaat arbeiten. Da dies technisch ohne Probleme möglich ist, entschließt sich das Unternehmen, B ein Remote-Arbeitsverhältnis in Frankreich anzubieten. Langfristig ist aber ein Arbeitseinsatz am Firmensitz in München geplant. Das Unternehmen fragt sich, ob mit B ein deutscher Arbeitsvertrag geschlossen werden kann und wo B nun sozialversicherungspflichtig ist.

Anwendbares Sozialversicherungsrecht

Da B seinen Wohnsitz in Frankreich hat und ausschließlich dort seine Arbeitsleistung erbringt, gilt das Tätigkeitsortprinzip: er unterfällt gem. Art. 11 Abs. 3 a) VO (EG) 883/2004 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats. Eine Sozialversicherung in Deutschland im Wege der Arbeitnehmersendung nach Art. 12 VO (EG) 883/2004 kommt nicht in Betracht, da B zu keinem Zeitpunkt den deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterlag. B bleibt daher bis auf weiteres nach französischem Recht versichert.  

Anwendbares Arbeitsrecht

Aus arbeitsrechtlicher Sicht spricht nichts dagegen, ein Anstellungsverhältnis mit ausschließlicher Arbeit aus dem Ausland zu begründen. Für den grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz im EU-Raum regelt die VO (EG) 593/2008 (sog. Rom I-VO) das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Im Bereich des Arbeitsrechts gilt wegen Art. 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Rom I-VO zunächst das Prinzip der Vertragsfreiheit. Die Parteien können die anzuwendende Rechtsordnung fei wählen. 

Dieser Grundsatz ist dennoch in verschiedener Hinsicht eingeschränkt (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Art. 9 Rom I-VO). So können die sozialversicherungsrechtlichen Kollisionsnormen als zwingendes Unionsrecht nicht abgewählt werden. Auch darf die Rechtswahl zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften, die bei objektiver Anknüpfung an den Tätigkeitsort maßgeblich wären, nicht ausschließen. Insoweit wird das gewählte Recht von objektiv maßgeblichem Recht „überlagert“, sofern die gewählte Rechtsordnung nicht günstiger ist. Der Arbeitgeber hat daher zu beachten, dass ab dem ersten Tag der Fernarbeit das Arbeitnehmerschutzrecht des Mitgliedstaats gilt, z.B. das Arbeitszeitrecht des Arbeitsorts, öffentl.-rechtl. Arbeitsschutznormen, Mutterschutzregeln, Diskriminierungsverbote, Sonderkündigungsschutz bei Behinderung und Schwangerschaft. Bei gegebenem Anlass ist die Anwendbarkeit der jeweiligen Norm konkret zu prüfen. Ebenso ist zu klären, ob bei grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz die EU-Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG, geändert durch RL (EU) 2018/957) und das hierauf fußende nationale Recht im Einsatzstaat anzuwenden sind. 

Exkurs Steuerrecht

Arbeitnehmer sind regelmäßig in ihrem Wohnsitzstaat steuerpflichtig. Ist ein Arbeitnehmer in Deutschland steuerlich ansässig und wird er nur temporär im ausländischen Homeoffice tätig, hat dies i.d.R. keine Auswirkungen auf den bestehenden Steuerstatus und die Pflicht des deutschen Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug. Bei sog. Grenzgängern, die ihre berufliche Tätigkeit nicht im Wohnsitzstaat ausüben, sondern regelmäßig von ihrem Wohnsitz zur Arbeitsstätte im Tätigkeitsstaat pendeln, regeln zwischenstaatlich vereinbarte Doppelbesteuerungsabkommen, in welchem Staat die Besteuerung zu erfolgen hat. Die Mehrheit dieser Abkommen enthält die sog. 183-Tage-Regelung, wonach eine Tätigkeit im anderen Staat bis zu sechs Monaten nicht zur Änderung des Steuerrechts führt. Bei Überschreitung erfolgt eine Aufteilung des Arbeitsentgelts und die entsprechend anteilige Besteuerung im Tätigkeits- und im Wohnsitzstaat. Einige Doppelbesteuerungsabkommen enthalten besondere Grenzgänger-Regelungen, die das Besteuerungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen insgesamt dem Wohnsitzstaat zuweisen. Um während der Coronapandemie durch die temporäre Arbeit aus dem Homeoffice Änderungen in der steuerlichen Behandlung zu vermeiden, wurden zwischen Deutschland und einigen Staaten bilaterale Regelungen getroffen. Sollen Arbeitnehmer aber langfristig von ihrem Zweitwohnsitz aus im Ausland arbeiten oder verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen ganz ins Ausland, spricht vieles dafür, dass die Grenzgänger-Regelungen in den zwischenstaatlichen Abkommen keine Anwendung finden. Die regelmäßige Tätigkeit im ausländischen Homeoffice kann dann zur steuerlichen Ansässigkeit im Ausland führen.

Zudem besteht für Unternehmen das Risiko, dass die regelmäßige Homeoffice-Tätigkeit im Ausland dort eine steuerrechtlich relevante Betriebsstätte begründet. Das hätte zur Folge, dass Gewinne aus dieser Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat besteuert würden. Die steuerrechtlichen Auswirkungen der Homeoffice-Tätigkeit sind daher jeweils konkret unter Einbeziehung der einschlägigen ausländischen Rechtsordnung zu klären. 

Praxistipp 

Es ist zu bedenken, dass der gewöhnliche Arbeitsort nicht durch die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Arbeitsvertragsschlusses dauerhaft festgeschrieben wird. Vielmehr kann sich der örtliche Schwerpunkt der Arbeit im Laufe des Arbeitsverhältnisses dynamisch ändern. Mit einem langfristigen Wechsel des Arbeitsorts wechselt grds. auch das anwendbare Recht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher, um arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Komplikationen zu vermeiden, die wesentlichen Eckpunkte des Remote-Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbaren:

  • Um eine Kumulation arbeitsrechtlicher Normen zu vermeiden, sollte die Rechtswahl zugunsten der Rechtsordnung getroffen werden, wo die Arbeit schwerpunktmäßig erbracht wird und damit eine objektive Anknüpfung an den Tätigkeitsort i.S.d. Rom I-VO besteht. Deutsches Recht sollte im Zweifel nur dann vereinbart werden, wenn langfristig eine schwerpunktmäßige Ausübung der Tätigkeit in Deutschland geplant ist. 
  • In der arbeitsvertraglichen Vereinbarung sollten insbes. der Wohnsitz, der Umfang der im ausländischen Homeoffice auszuübenden Tätigkeit, die Währung der Entgeltzahlung und das anwendbare Sozialversicherungsrecht festgehalten werden. Eine Nachweispflicht kann sich bereits aus §§ 2 Abs. 2 und 4 NachwG ergeben. 
  • Es empfiehlt sich, in die Vereinbarung eine zeitliche Begrenzung des Aufenthalts oder ein Widerrufsrecht aufzunehmen, für den Fall, dass der Arbeitgeber die Arbeit aus dem Ausland (vorzeitig) beenden möchte.  
  • Der Arbeitgeber hat den Sozialversicherungsstatus, ggf. unter Hinzuziehung der Behörden, zu klären (Compliance). Auch hat er den Mitarbeiter gemäß seiner Fürsorgepflicht darauf hinzuweisen, dass sich bzgl. der Sozialversicherung Änderungen ergeben können, die u.U. zu versicherungsrechtlichen Nachteilen führen.

Remote Work im Ausland und die sozialversicherungs-rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU

Arbeit aus dem Ausland wird sich auch nach der Corona-Pandemie dauerhaft etablieren. In einigen Tätigkeitsbereichen kann die Arbeitsleistung sogar vollständig in dieser Form „remote“ erbracht werden. Während in der Corona-Zeit vor allem bei ausländischen Mitarbeitern der Wunsch bestand, bei ihrer Familie zu sein, wenn ohnehin Homeoffice angeordnet ist, rückt nun zunehmend die längerfristig angelegte Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Heimatland oder für deutsche Mitarbeiter aus ihrem Feriendomizil in den Fokus. 

Das deutsche Arbeitsrecht erlaubt grundsätzlich die Ausübung von Remote Work im EU-Ausland oder in Drittstaaten. Allerdings sind bei länderübergreifender Tätigkeit die arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Hier drohen wegen der komplexen Rechtsvorschriften, insbesondere infolge der zahlreichen bilateralen Abkommen erhebliche Kosten- und Haftungsrisiken. 

Der folgende Beitrag gibt anhand typischer Praxisbeispiele einen Überblick über die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen bei Remote Work im europäischen Ausland. Steuerrechtliche Implikationen werden hier nur angerissen.

Dauerhafte „Entsendung“ in das Homeoffice im ausländischen Wohnstaat

Mitarbeiter A ist bei seinem Arbeitgeber mit Sitz in München beschäftigt, wo er bislang ausschließlich seine Arbeit erbracht hat. Da sich im vergangenen „Corona-Jahr“ die aufgezwungene Tätigkeit im Homeoffice in dessen Heimat Italien als unproblematisch erwiesen hat, soll A auch künftig die Arbeit aus dem italienischen Homeoffice ermöglicht werden. Angedacht ist, dass A zwei Wochen im Monat aus Italien und zwei Wochen am Firmensitz in München tätig wird. Der Arbeitgeber fragt nun, ob sich dadurch Änderungen in der Sozialversicherung ergeben.

Homeoffice, ein Fall der Entsendung?

In der EU bestimmt sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht nach VO (EG) 883/2004. Grds. unterliegen Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie die Tätigkeit ausüben (Art. 11 Abs. 3 lit. a) VO (EG) 883/04). Eine Ausnahme gilt nach Art. 12 VO (EG) 883/2004 bei vorübergehender Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat. Hiernach können die Vorschriften über die soziale Sicherheit des Entsendestaats fortgelten, wenn die Entsendung auf 24 Monate begrenzt ist. Das gilt jedenfalls für die klassischen Dienstreise- und Entsendekonstellationen. 

Aufenthalte im ausländischen Homeoffice führen gleichfalls zu einer Änderung des Tätigkeitsorts. Hier findet Art. 12 VO (EG) 883/2004 aber nicht uneingeschränkt Anwendung. Nach dem engen Verständnis der Vorschrift gilt als „Entsendung“ nur ein Tätigwerden im Einklang mit den Interessen des Arbeitgebers und auf dessen Weisung. Begibt sich ein Arbeitnehmer eigenmächtig und ohne Absprache in sein im Ausland gelegenes Homeoffice (sei es im Ferienhaus oder im Domizil im Herkunftsland), greift die Ausnahmevorschrift nicht. Dann bleibt es strenggenommen bei der Grundregel des Tätigkeitsortsprinzips aus Art. 11 (EG) 883/2004 – und zwar mit der Folge, dass auch die Tätigkeit im Rahmen eines kurzfristigen Auslandsaufenthalts dem Sozialversicherungsregime des anderen Mitgliedstaats unterfiele. 

Da Arbeitnehmer im letzten Jahr zur Eindämmung der Coronapandemie angehalten wurden, vermehrt aus dem Homeoffice zu arbeiten, hatten die deutschen Sozialversicherungsträger Erleichterungen geschaffen, um zu vermeiden, dass eventuell damit einhergehende Änderungen des Tätigkeitsorts Auswirkungen auf das anwendbare Sozialversicherungsrecht haben. Für Personen, die im Einklang mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ihre Tätigkeit für bis zu 24 Monate im ausländischen Homeoffice ausüben, sollten sich keine Änderungen hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts ergeben. Insoweit sollten die Entsenderegeln aus Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 zur Anwendung kommen, mit der Folge, dass das deutsche Sozialversicherungsrecht auf die Auslandstätigkeit ausstrahlt (vgl. Info der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland – DVKA).

Soll einem Mitarbeiter auch nach Corona ermöglicht werden, seine Arbeit aus dem Ausland zu erbringen, kann eine solche dauerhafte „Entsendung“ ins ausländische Homeoffice dagegen nicht auf Art. 12 VO (EG) 883/2004 und die hierzu ergangenen Erleichterungen gestützt werden. Denn einmal ist die Entsendung nach den vorgenannten Regeln begrenzt auf den Zeitraum von 24 Monaten. Zum anderen fallen vorhersehbare und regelmäßige Arbeitsperioden in mehreren EU-Mitgliedstaaten nicht unter diese Norm. Soll die Tätigkeit künftig in Deutschland und im ausländischen Homeoffice ausgeübt werden, handelt es sich um die Konstellation der „Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten“ nach Art. 13 VO (EG) 883/2004. Hierfür reicht nach Aussage der DVKA, dass die Beschäftigung regelmäßig wiederkehrend an mindestens einem Tag im Monat oder an mindestens fünf Tagen pro Quartal in mehr als einem Staat ausgeübt wird. Dann beurteilt sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht danach, wo der wesentliche Teil der Tätigkeit ausgeübt wird. 

Anwendbares Sozialversicherungsrecht bei Tätigkeit in zwei Mitgliedstaaten

Im aufgezeigten Praxisbeispiel stellt sich die Frage, ob A seine Tätigkeit nun schwerpunktmäßig in Italien ausübt und ob er damit künftig dem dortigen Sozialversicherungsregime unterfällt. Für Arbeitnehmer, die gewöhnlich in zwei (oder mehr) Mitgliedstaaten tätig sind und in ihrem Wohnsitzstaat einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausüben, regelt Art. 13 Abs. 1 a) VO (EG) 883/2004, dass sie den dortigen Rechtsvorschriften unterliegen. Nach EU-rechtlichem Verständnis reicht bereits ein zeitlicher Anteil am Wohnsitz von mindestens 25% (vgl. Durchführungs-VO (EG) 987/2009). Die Einschlägigkeit der Norm ist hier an sich zu bejahen, da A seinen Lebensmittelpunkt bei der Familie in Italien hat und dort die Hälfte seiner Arbeitszeit aus dem Homeoffice arbeitet. Relevant ist nicht die innerstaatliche Meldung als Erst- oder Zweitwohnsitz, sondern entscheidend ist, wo sich der Mitarbeiter gewöhnlich aufhält und wo sich der Mittelpunkt seiner Interessen befindet. 

Nicht völlig klar ist, ob eine Tätigkeit im Homeoffice als reiner Telearbeitsplatz einen ausreichenden Bezug zum Wohnsitzstaat begründen kann, so dass hier von einem Tätigkeitsschwerpunkt i.S. der EU-VO ausgegangen werden kann. Denn es besteht die Gefahr, dass dadurch beliebig ein Schwerpunkt im In- oder Ausland gesetzt werden könnte. Hier haben sich die europäischen Sozialpartner bzgl. grenzüberschreitender Homeoffice- bzw. Telearbeitsplätze weitgehend geeinigt. Wenn ein Arbeitnehmer die Telearbeit im Wohnsitzstaat von zu Hause ausübt, das ihn beschäftigende Unternehmen aber in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist, wird als Beschäftigungsort der Ort der Heim-Tele-Arbeitsstätte angesehen. Allein entscheidend ist, dass dort mindestens 25% der Arbeitszeit auf die Beschäftigung entfallen. In diesem Fall unterliegt der Arbeitnehmer dem Sozialversicherungsrecht des Staates, in dem er seinen Heimarbeitsplatz hat. Diese Auffassung deckt sich mit dem Wortlaut der EU-VO. 

Was ist zu tun?

Im Ergebnis ist A künftig ausschließlich dem italienischen Sozialversicherungsrecht unterworfen. Die deutschen Sozialversicherungsträger und auch die DVKA, die für Versicherte mit Wohnsitz in Deutschland den Versicherungsstatus klärt, sind nicht mehr zuständig. A hat den zugrunde liegenden Sachverhalt dem zuständigen Träger im Wohnstaat Italien mitzuteilen. Dieser stellt dann die anwendbaren Rechtsvorschriften fest und teilt seine Entscheidung den Trägern in den anderen Mitgliedstaaten – hier in Deutschland – mit.

Remote Work kann mit einem Wechsel des Sozialversicherungsstatus und damit u.U. mit einem Bruch in der Sozialversicherungsbiographie einhergehen. Will A in Deutschland sozialversichert bleiben, muss der Anteil seiner Arbeit aus dem italienischen Homeoffice unter 25% bleiben. Dann nämlich bestimmt sich das Sozialversicherungssystem gem. Art. 13 Abs. 1 b) lit. i) VO (EG) 883/2004 nach dem Sitz seines Arbeitgebers in Deutschland. Alternativ wäre zu prüfen, ob A als ausländischer Staatsangehöriger sich freiwillig in der deutschen Rentenversicherung weiterversichern kann.

Remotearbeitsverhältnisse in der EU

Das Münchener Unternehmen hat infolge des globalen Wettbewerbs um Fachkräfte Probleme, eine Position im IT-Bereich zu besetzen. Schließlich kann es den französischen Staatsbürger B mit Wohnsitz in Frankreich für die Stelle gewinnen. B möchte aber zunächst ausschließlich aus dem Homeoffice in seinem Wohnstaat arbeiten. Da dies technisch ohne Probleme möglich ist, entschließt sich das Unternehmen, B ein Remote-Arbeitsverhältnis in Frankreich anzubieten. Langfristig ist aber ein Arbeitseinsatz am Firmensitz in München geplant. Das Unternehmen fragt sich, ob mit B ein deutscher Arbeitsvertrag geschlossen werden kann und wo B nun sozialversicherungspflichtig ist.

Anwendbares Sozialversicherungsrecht

Da B seinen Wohnsitz in Frankreich hat und ausschließlich dort seine Arbeitsleistung erbringt, gilt das Tätigkeitsortprinzip: er unterfällt gem. Art. 11 Abs. 3 a) VO (EG) 883/2004 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats. Eine Sozialversicherung in Deutschland im Wege der Arbeitnehmersendung nach Art. 12 VO (EG) 883/2004 kommt nicht in Betracht, da B zu keinem Zeitpunkt den deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterlag. B bleibt daher bis auf weiteres nach französischem Recht versichert.  

Anwendbares Arbeitsrecht

Aus arbeitsrechtlicher Sicht spricht nichts dagegen, ein Anstellungsverhältnis mit ausschließlicher Arbeit aus dem Ausland zu begründen. Für den grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz im EU-Raum regelt die VO (EG) 593/2008 (sog. Rom I-VO) das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Im Bereich des Arbeitsrechts gilt wegen Art. 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Rom I-VO zunächst das Prinzip der Vertragsfreiheit. Die Parteien können die anzuwendende Rechtsordnung fei wählen. 

Dieser Grundsatz ist dennoch in verschiedener Hinsicht eingeschränkt (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Art. 9 Rom I-VO). So können die sozialversicherungsrechtlichen Kollisionsnormen als zwingendes Unionsrecht nicht abgewählt werden. Auch darf die Rechtswahl zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften, die bei objektiver Anknüpfung an den Tätigkeitsort maßgeblich wären, nicht ausschließen. Insoweit wird das gewählte Recht von objektiv maßgeblichem Recht „überlagert“, sofern die gewählte Rechtsordnung nicht günstiger ist. Der Arbeitgeber hat daher zu beachten, dass ab dem ersten Tag der Fernarbeit das Arbeitnehmerschutzrecht des Mitgliedstaats gilt, z.B. das Arbeitszeitrecht des Arbeitsorts, öffentl.-rechtl. Arbeitsschutznormen, Mutterschutzregeln, Diskriminierungsverbote, Sonderkündigungsschutz bei Behinderung und Schwangerschaft. Bei gegebenem Anlass ist die Anwendbarkeit der jeweiligen Norm konkret zu prüfen. Ebenso ist zu klären, ob bei grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz die EU-Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG, geändert durch RL (EU) 2018/957) und das hierauf fußende nationale Recht im Einsatzstaat anzuwenden sind. 

Exkurs Steuerrecht

Arbeitnehmer sind regelmäßig in ihrem Wohnsitzstaat steuerpflichtig. Ist ein Arbeitnehmer in Deutschland steuerlich ansässig und wird er nur temporär im ausländischen Homeoffice tätig, hat dies i.d.R. keine Auswirkungen auf den bestehenden Steuerstatus und die Pflicht des deutschen Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug. Bei sog. Grenzgängern, die ihre berufliche Tätigkeit nicht im Wohnsitzstaat ausüben, sondern regelmäßig von ihrem Wohnsitz zur Arbeitsstätte im Tätigkeitsstaat pendeln, regeln zwischenstaatlich vereinbarte Doppelbesteuerungsabkommen, in welchem Staat die Besteuerung zu erfolgen hat. Die Mehrheit dieser Abkommen enthält die sog. 183-Tage-Regelung, wonach eine Tätigkeit im anderen Staat bis zu sechs Monaten nicht zur Änderung des Steuerrechts führt. Bei Überschreitung erfolgt eine Aufteilung des Arbeitsentgelts und die entsprechend anteilige Besteuerung im Tätigkeits- und im Wohnsitzstaat. Einige Doppelbesteuerungsabkommen enthalten besondere Grenzgänger-Regelungen, die das Besteuerungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen insgesamt dem Wohnsitzstaat zuweisen. Um während der Coronapandemie durch die temporäre Arbeit aus dem Homeoffice Änderungen in der steuerlichen Behandlung zu vermeiden, wurden zwischen Deutschland und einigen Staaten bilaterale Regelungen getroffen. Sollen Arbeitnehmer aber langfristig von ihrem Zweitwohnsitz aus im Ausland arbeiten oder verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen ganz ins Ausland, spricht vieles dafür, dass die Grenzgänger-Regelungen in den zwischenstaatlichen Abkommen keine Anwendung finden. Die regelmäßige Tätigkeit im ausländischen Homeoffice kann dann zur steuerlichen Ansässigkeit im Ausland führen.

Zudem besteht für Unternehmen das Risiko, dass die regelmäßige Homeoffice-Tätigkeit im Ausland dort eine steuerrechtlich relevante Betriebsstätte begründet. Das hätte zur Folge, dass Gewinne aus dieser Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat besteuert würden. Die steuerrechtlichen Auswirkungen der Homeoffice-Tätigkeit sind daher jeweils konkret unter Einbeziehung der einschlägigen ausländischen Rechtsordnung zu klären. 

Praxistipp 

Es ist zu bedenken, dass der gewöhnliche Arbeitsort nicht durch die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Arbeitsvertragsschlusses dauerhaft festgeschrieben wird. Vielmehr kann sich der örtliche Schwerpunkt der Arbeit im Laufe des Arbeitsverhältnisses dynamisch ändern. Mit einem langfristigen Wechsel des Arbeitsorts wechselt grds. auch das anwendbare Recht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher, um arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Komplikationen zu vermeiden, die wesentlichen Eckpunkte des Remote-Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbaren:

  • Um eine Kumulation arbeitsrechtlicher Normen zu vermeiden, sollte die Rechtswahl zugunsten der Rechtsordnung getroffen werden, wo die Arbeit schwerpunktmäßig erbracht wird und damit eine objektive Anknüpfung an den Tätigkeitsort i.S.d. Rom I-VO besteht. Deutsches Recht sollte im Zweifel nur dann vereinbart werden, wenn langfristig eine schwerpunktmäßige Ausübung der Tätigkeit in Deutschland geplant ist. 
  • In der arbeitsvertraglichen Vereinbarung sollten insbes. der Wohnsitz, der Umfang der im ausländischen Homeoffice auszuübenden Tätigkeit, die Währung der Entgeltzahlung und das anwendbare Sozialversicherungsrecht festgehalten werden. Eine Nachweispflicht kann sich bereits aus §§ 2 Abs. 2 und 4 NachwG ergeben. 
  • Es empfiehlt sich, in die Vereinbarung eine zeitliche Begrenzung des Aufenthalts oder ein Widerrufsrecht aufzunehmen, für den Fall, dass der Arbeitgeber die Arbeit aus dem Ausland (vorzeitig) beenden möchte.  
  • Der Arbeitgeber hat den Sozialversicherungsstatus, ggf. unter Hinzuziehung der Behörden, zu klären (Compliance). Auch hat er den Mitarbeiter gemäß seiner Fürsorgepflicht darauf hinzuweisen, dass sich bzgl. der Sozialversicherung Änderungen ergeben können, die u.U. zu versicherungsrechtlichen Nachteilen führen.
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