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21. Februar 2025

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Es gibt eine neue Volte beim sozialversicherungsrechtlichen Status von Lehrkräften. Das hat aktuell Relevanz für öffentliche und private Bildungsträger bei der Beurteilung des Erwerbsstatus von Dozenten und Lehrern. Hier hatte das sog. Herrenberg-Urteil des BSG (28.06.2022 – B 12 R 3/20 R) in weiten Teilen des Bildungsbereichs die gängigen Geschäftsmodelle unter Einsatz selbstständiger Lehrkräfte zunichte gemacht. Nach erheblicher Kritik von Kommunen und anderen Bildungsträgern hat der Gesetzgeber jetzt reagiert und eine Übergangsregelung verabschiedet. Für Zeiten vor dem 1. Januar 2027 sollen die Sozialversicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen keine Sozialversicherungsbeiträge von den Arbeitgebern nacherheben können. Einen Haken hat diese Regelung aber, nämlich dass die jeweilig betroffene Lehrkraft konkret zustimmt.

Rechtlicher Hintergrund

Hintergrund der Regelung ist das sog. Herrenberg-Urteil von 2022, mit dem das BSG auf die Beschäftigungssituation von Lehrkräften an Musikschulen reagiert hatte. Diese arbeiten überwiegend selbstständig auf Honorarbasis und sind damit regelmäßig nicht sozialversichert. Das BSG bejahte im entschiedenen Fall eine Scheinselbstständigkeit – anders als noch 2018 in einem ähnlich gelagerten Fall (BSG 14.3.2022 – B 12 R 3 /17 R). Einen Richtungswechsel sah das BSG darin aber nicht und lehnte ausdrücklich einen Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechungspraxis ab (BSG 5.11.2024 – B 12 BA 3/23 R). Und das, obwohl sich private und öffentliche Bildungseinrichtungen über lange Jahre bei der Einordnung der Lehrtätigkeit an den von den Spitzenverbänden der Sozialversicherung auf Grundlage der Rechtsprechung verlautbarten Maßstäben orientiert hatten. In der Folge sahen sich die Einrichtungen hohen bis existenzgefährdenden Nachforderungen der Gesamtsozialversicherungsbeiträge ausgesetzt.

Der Gesetzgeber hat nun angesichts der großen bildungs- und kulturpolitischen  Bedeutung dieses Bereichs reagiert und kurz vor Ende seiner Legislaturperiode im Rahmen eines sog. Artikelgesetzes (BT-Drs. 20/14744) gewisse Erleichterungen für die Bildungsträger geschaffen, um die aktuelle Verschärfung der Prüfpraxis abzufedern. So soll zur Vermeidung individueller Härten für einen begrenzten Zeitraum von den ansonsten zwingenden Nachforderungen abgesehen werden. Der Bundesrat hat am 14.2.2025 zugestimmt und es ist zu erwarten, dass das Gesetz nun kurzfristig ausgefertigt wird.

Übergangsregelung

Der neue § 127 SGB IV regelt für Bestandsfälle, in denen ein Versicherungsträger ein Beschäftigungsverhältnis bereits festgestellt hat, wie auch für Fälle, in denen bislang noch keine Feststellung zum Erwerbsstatus getroffen wurde, dass die Selbständigkeit der Tätigkeit und damit die Versicherungsfreiheit bis Ende 2026 fingiert wird – und zwar unter der Voraussetzung:

  • dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Selbstständigkeit ausgegangen sind und
  • die betroffene Lehrkraft zustimmt, dass keine Versicherungspflicht aufgrund dieser Beschäftigung vorliegt.

Rechtsfolge ist, dass eine Versicherungs- und Beitragspflicht dann erst zum 1. Januar 2027 eintritt und dass der Erwerbsstatus während dieses Übergangszeitraums offen bleiben kann. Im Ergebnis soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien eintreten, ohne dass ein Feststellungsverfahren beantragt oder durchgeführt werden muss.

Welche Sachverhalte sind erfasst?

Gemäß den Beschlussempfehlungen soll die Regelung für Bildungs- und Ausbildungstätigkeiten u. a. an Universitäten und Hochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen gelten – erfasst werden privatrechtliche Verträge und auch öffentlich-rechtliche Auftragsverhältnisse. Es bleiben aber Fragen offen:

  • Zu klären ist, wie weit der Begriff der „Lehrtätigkeit“ verstanden wird. Laut den Beschlussempfehlungen wird auf den persönlichen Geltungsbereich des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zurückgegriffen, wonach jede Übermittlung von Wissen und die Unterweisung von praktischen Tätigkeiten erfasst wird. Das spricht an sich für ein weites Verständnis, so dass auch Fitnesstrainer oder Yogalehrer erfasst sein dürften.
  • Offen ist auch, wie weit die Fiktionswirkung in die Vergangenheit zurückreicht. Erfasst § 127 SGB IV auch bereits beendete Auftragsverhältnisse und auch solche jenseits der regulären Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV von 4 Jahren? Die Regelung selbst bestimmt keine zeitliche Grenze. Ziel des Gesetzesvorstoßes als Antwort auf das Herrenberg-Urteil ist es, den Bildungseinrichtungen den status quo der bislang praktizierten Beurteilungsmaßstäbe zu erhalten. Daher spricht Vieles dafür, dass rückwirkend ein unbeschränkter Dispens bezweckt ist, der grundsätzlich alle Zeiten vor dem 1. Januar 2027 erfassen soll.
  • Weiter ist unklar, ob für die Lehrkraft nach abgegebener Zustimmungserklärung noch die Möglichkeit eines Widerrufs besteht. Eine entscheidende Frage, die es noch zu klären gilt.

Einholung einer förmlichen Zustimmung

In welcher Form die Zustimmung zu erklären ist, wird nicht explizit im neuen § 127 SGB IV geregelt. Hier wird zu differenzieren sein:

  • Soweit die Versicherungsträger etwa im Rahmen von Clearingverfahren oder Betriebsprüfungen eine abhängige Beschäftigung festgestellt haben, kann die Zustimmung der Lehrkraft konsequenter Weise nur gegenüber dem Versicherungsträger erfolgen. Dies wird vor allem in Fällen gelten, in denen bereits ein  entsprechender Bescheid vorliegt.
  • In Fällen, in denen ein Feststellungsverfahren nicht beantragt oder durchgeführt wurde, kann und muss der Erwerbstätige nur gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Auftraggeber zustimmen. Dieser hat dann die Zustimmung zu den Entgeltunterlagen zu nehmen.

Rechtsfolge

Liegen die Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 SGB IV vor, besteht für Zeiten vor dem 1. Januar 2027 kein Anspruch auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegen die Bildungseinrichtung – Beiträge werden nicht nacherhoben. Es darf auch keine Beanstandung im Rahmen einer Betriebsprüfung erfolgen. Aber die Zustimmung hat auch noch andere versicherungsrechtliche Konsequenzen:

  • Die Lehrkräfte gelten dann zeitlich befristet als Selbstständige und unterliegen nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI oder des KSVG der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Nur für die Vergangenheit werden sie nicht zu Versicherungsbeiträgen herangezogen.
  • Stimmen die Lehrkräfte nicht zu, sind die Voraussetzungen der Übergangsregelung nicht erfüllt, so dass dann ein Beschäftigungsverhältnis und eine entsprechende Versicherungspflicht nach den allgemeinen Voraussetzungen bestehen kann.

Praxishinweise

Eine schriftliche Zustimmungserklärung der Lehrkraft sollte in jedem Fall vorsorglich eingeholt werden. Besonderes Augenmerk muss auf die Formulierung gelegt werden. So sollte die Erklärung auch zur Vorlage mit Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger geeignet sein.

Erklärtes Ziel der Übergangsregelung ist es, den Bildungseinrichtungen und Lehrkräften ausreichend Zeit zu geben, um die notwendigen Umstellungen der Organisations- und Geschäftsmodelle vorzunehmen. Dabei sollen Lehrtätigkeiten auch unter veränderten Rahmenbedingungen künftig sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch selbstständig ausgeübt werden können.

Es empfiehlt sich daher, die Einsatzmodelle einer gründlichen Revision zu unterziehen. Dabei sollten die weiter laufenden Reformbestrebungen im Auge behalten werden, um die gestalterischen Spielräume bestmöglich auszunutzen.

Neues an der Front Erwerbsstatus von Lehrkräften – Gesetzgeber schafft Übergangsregelung

Es gibt eine neue Volte beim sozialversicherungsrechtlichen Status von Lehrkräften. Das hat aktuell Relevanz für öffentliche und private Bildungsträger bei der Beurteilung des Erwerbsstatus von Dozenten und Lehrern. Hier hatte das sog. Herrenberg-Urteil des BSG (28.06.2022 – B 12 R 3/20 R) in weiten Teilen des Bildungsbereichs die gängigen Geschäftsmodelle unter Einsatz selbstständiger Lehrkräfte zunichte gemacht. Nach erheblicher Kritik von Kommunen und anderen Bildungsträgern hat der Gesetzgeber jetzt reagiert und eine Übergangsregelung verabschiedet. Für Zeiten vor dem 1. Januar 2027 sollen die Sozialversicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen keine Sozialversicherungsbeiträge von den Arbeitgebern nacherheben können. Einen Haken hat diese Regelung aber, nämlich dass die jeweilig betroffene Lehrkraft konkret zustimmt.

Rechtlicher Hintergrund

Hintergrund der Regelung ist das sog. Herrenberg-Urteil von 2022, mit dem das BSG auf die Beschäftigungssituation von Lehrkräften an Musikschulen reagiert hatte. Diese arbeiten überwiegend selbstständig auf Honorarbasis und sind damit regelmäßig nicht sozialversichert. Das BSG bejahte im entschiedenen Fall eine Scheinselbstständigkeit – anders als noch 2018 in einem ähnlich gelagerten Fall (BSG 14.3.2022 – B 12 R 3 /17 R). Einen Richtungswechsel sah das BSG darin aber nicht und lehnte ausdrücklich einen Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechungspraxis ab (BSG 5.11.2024 – B 12 BA 3/23 R). Und das, obwohl sich private und öffentliche Bildungseinrichtungen über lange Jahre bei der Einordnung der Lehrtätigkeit an den von den Spitzenverbänden der Sozialversicherung auf Grundlage der Rechtsprechung verlautbarten Maßstäben orientiert hatten. In der Folge sahen sich die Einrichtungen hohen bis existenzgefährdenden Nachforderungen der Gesamtsozialversicherungsbeiträge ausgesetzt.

Der Gesetzgeber hat nun angesichts der großen bildungs- und kulturpolitischen  Bedeutung dieses Bereichs reagiert und kurz vor Ende seiner Legislaturperiode im Rahmen eines sog. Artikelgesetzes (BT-Drs. 20/14744) gewisse Erleichterungen für die Bildungsträger geschaffen, um die aktuelle Verschärfung der Prüfpraxis abzufedern. So soll zur Vermeidung individueller Härten für einen begrenzten Zeitraum von den ansonsten zwingenden Nachforderungen abgesehen werden. Der Bundesrat hat am 14.2.2025 zugestimmt und es ist zu erwarten, dass das Gesetz nun kurzfristig ausgefertigt wird.

Übergangsregelung

Der neue § 127 SGB IV regelt für Bestandsfälle, in denen ein Versicherungsträger ein Beschäftigungsverhältnis bereits festgestellt hat, wie auch für Fälle, in denen bislang noch keine Feststellung zum Erwerbsstatus getroffen wurde, dass die Selbständigkeit der Tätigkeit und damit die Versicherungsfreiheit bis Ende 2026 fingiert wird – und zwar unter der Voraussetzung:

  • dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Selbstständigkeit ausgegangen sind und
  • die betroffene Lehrkraft zustimmt, dass keine Versicherungspflicht aufgrund dieser Beschäftigung vorliegt.

Rechtsfolge ist, dass eine Versicherungs- und Beitragspflicht dann erst zum 1. Januar 2027 eintritt und dass der Erwerbsstatus während dieses Übergangszeitraums offen bleiben kann. Im Ergebnis soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien eintreten, ohne dass ein Feststellungsverfahren beantragt oder durchgeführt werden muss.

Welche Sachverhalte sind erfasst?

Gemäß den Beschlussempfehlungen soll die Regelung für Bildungs- und Ausbildungstätigkeiten u. a. an Universitäten und Hochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen gelten – erfasst werden privatrechtliche Verträge und auch öffentlich-rechtliche Auftragsverhältnisse. Es bleiben aber Fragen offen:

  • Zu klären ist, wie weit der Begriff der „Lehrtätigkeit“ verstanden wird. Laut den Beschlussempfehlungen wird auf den persönlichen Geltungsbereich des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zurückgegriffen, wonach jede Übermittlung von Wissen und die Unterweisung von praktischen Tätigkeiten erfasst wird. Das spricht an sich für ein weites Verständnis, so dass auch Fitnesstrainer oder Yogalehrer erfasst sein dürften.
  • Offen ist auch, wie weit die Fiktionswirkung in die Vergangenheit zurückreicht. Erfasst § 127 SGB IV auch bereits beendete Auftragsverhältnisse und auch solche jenseits der regulären Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV von 4 Jahren? Die Regelung selbst bestimmt keine zeitliche Grenze. Ziel des Gesetzesvorstoßes als Antwort auf das Herrenberg-Urteil ist es, den Bildungseinrichtungen den status quo der bislang praktizierten Beurteilungsmaßstäbe zu erhalten. Daher spricht Vieles dafür, dass rückwirkend ein unbeschränkter Dispens bezweckt ist, der grundsätzlich alle Zeiten vor dem 1. Januar 2027 erfassen soll.
  • Weiter ist unklar, ob für die Lehrkraft nach abgegebener Zustimmungserklärung noch die Möglichkeit eines Widerrufs besteht. Eine entscheidende Frage, die es noch zu klären gilt.

Einholung einer förmlichen Zustimmung

In welcher Form die Zustimmung zu erklären ist, wird nicht explizit im neuen § 127 SGB IV geregelt. Hier wird zu differenzieren sein:

  • Soweit die Versicherungsträger etwa im Rahmen von Clearingverfahren oder Betriebsprüfungen eine abhängige Beschäftigung festgestellt haben, kann die Zustimmung der Lehrkraft konsequenter Weise nur gegenüber dem Versicherungsträger erfolgen. Dies wird vor allem in Fällen gelten, in denen bereits ein  entsprechender Bescheid vorliegt.
  • In Fällen, in denen ein Feststellungsverfahren nicht beantragt oder durchgeführt wurde, kann und muss der Erwerbstätige nur gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Auftraggeber zustimmen. Dieser hat dann die Zustimmung zu den Entgeltunterlagen zu nehmen.

Rechtsfolge

Liegen die Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 SGB IV vor, besteht für Zeiten vor dem 1. Januar 2027 kein Anspruch auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegen die Bildungseinrichtung – Beiträge werden nicht nacherhoben. Es darf auch keine Beanstandung im Rahmen einer Betriebsprüfung erfolgen. Aber die Zustimmung hat auch noch andere versicherungsrechtliche Konsequenzen:

  • Die Lehrkräfte gelten dann zeitlich befristet als Selbstständige und unterliegen nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI oder des KSVG der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Nur für die Vergangenheit werden sie nicht zu Versicherungsbeiträgen herangezogen.
  • Stimmen die Lehrkräfte nicht zu, sind die Voraussetzungen der Übergangsregelung nicht erfüllt, so dass dann ein Beschäftigungsverhältnis und eine entsprechende Versicherungspflicht nach den allgemeinen Voraussetzungen bestehen kann.

Praxishinweise

Eine schriftliche Zustimmungserklärung der Lehrkraft sollte in jedem Fall vorsorglich eingeholt werden. Besonderes Augenmerk muss auf die Formulierung gelegt werden. So sollte die Erklärung auch zur Vorlage mit Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger geeignet sein.

Erklärtes Ziel der Übergangsregelung ist es, den Bildungseinrichtungen und Lehrkräften ausreichend Zeit zu geben, um die notwendigen Umstellungen der Organisations- und Geschäftsmodelle vorzunehmen. Dabei sollen Lehrtätigkeiten auch unter veränderten Rahmenbedingungen künftig sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch selbstständig ausgeübt werden können.

Es empfiehlt sich daher, die Einsatzmodelle einer gründlichen Revision zu unterziehen. Dabei sollten die weiter laufenden Reformbestrebungen im Auge behalten werden, um die gestalterischen Spielräume bestmöglich auszunutzen.

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