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Datum

16. Oktober 2024

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Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 05. Juli 2024 – 12 Sa 1266/23

Eine weitere wichtige Entscheidung auf der Linie des Bundesarbeitsgerichts zur Erschütterung des Beweiswerts ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil die Rechte von Arbeitgebern im Umgang mit der Rückforderung geleisteter Entgeltfortzahlung bei angeblicher Arbeitsunfähigkeit gestärkt. Das Gericht entschied, dass Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurückfordern können, wenn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, weil ein Arbeitnehmer während der Krankschreibung Freizeitaktivitäten ausübt, die Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.

Fakten

Ein als Produktionsleiter tätiger Arbeitnehmer wurde durch den Geschäftsführer des Arbeitgebers (unwirksam) mündlich gekündigt und meldete sich am nächsten Tag arbeitsunfähig krank. Er legte in der Folge ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, die seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist bestätigten. Während dieser Zeit nahm der Arbeitnehmer an sportlichen Aktivitäten teil, darunter ein Handballspiel als aktiver Spieler und ein weiteres als Schiedsrichter. Der Arbeitgeber zahlte zunächst Entgeltfortzahlung, forderte diese aber später zurück, da er die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzweifelte.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Es stellte fest, dass der Arbeitgeber, der die Rückzahlung der geleisteten Entgeltfortzahlung begehrt, das Fehlen des Entgeltfortzahlungsanspruchs darlegen und beweisen muss. Insoweit der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, widerlegt sie grundsätzlich das behauptete Fehlen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht jedoch nicht absolut und kann erschüttert werden.

Nach dem vorliegenden Urteil können Indizien zur Erschütterung des Beweiswertes unter anderem sein:

  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die zeitlich passgenau die Kündigungsfrist abdecken,
  • Nichteinhaltung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (z.B. bei einer Krankschreibung von mehr als zwei Wochen am Stück),
  • Ausüben von Freizeitaktivitäten durch den Arbeitnehmer während der Krankschreibung, soweit diese Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.

Im vorliegenden Fall lagen alle drei Punkte vor, weshalb das erkennende Gericht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als erschüttert ansah. Der Arbeitnehmer hatte sich unmittelbar nach der mündlichen Kündigung krankgemeldet, die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erstreckten sich passgenau auf den Zeitraum der Kündigungsfrist. Hiergegen spricht nach Auffassung des Gerichts auch nicht, dass die Kündigung wegen Missachtung des Schriftformgebots unwirksam war, denn sie manifestierte die Beendigungsabsicht der Beklagten und konnte von dem Arbeitnehmer als Ankündigung einer formwirksamen Kündigung verstanden werden.

Darüber hinaus umfasste eine der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen Zeitraum von 20 Tagen und ging deutlich über die in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie festgelegte, regelmäßige Höchstdauer von 14 Tagen hinaus. Zudem nahm der Arbeitnehmer während dieser Zeit an sportlichen Aktivitäten teil, die eine robuste körperliche Belastbarkeit erforderten. Aufgrund der Gesamtabwägung dieser Umstände ging das Gericht von der Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus.

Aufgrund dessen hätte es dem Kläger oblegen, vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorgelegen haben, so dass er infolge der behaupteten Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert war. Es erfolgte jedoch kein entsprechender Vortrag des Klägers.

Folgen der Entscheidung

Das Urteil stärkt die Position von Arbeitgebern im Umgang mit Arbeitnehmern, an deren Behauptung der Arbeitsunfähigkeit erhebliche Zweifel bestehen, deutlich. Das Gericht stellte im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts klar, dass der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht absolut gilt und erschüttert werden kann. Die Entscheidung erleichtert Arbeitgebern die Rückforderung einer geleisteten Entgeltfortzahlung, wenn sie begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers haben. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Arbeitgeber die Beweislast für das Fehlen der Voraussetzungen auf Entgeltfortzahlung trägt. Er muss deshalb konkret darlegen und beweisen können, warum er die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzweifelt.

Hinweise für die Praxis

Für Arbeitgeber lohnt sich der kritische Blick auf Krankmeldungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit einer Kündigung stehen oder der Arbeitnehmer für einen Zeitraum krankgeschrieben wird, der über 14 Tage hinaus geht. Aufgrund der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, der das Fehlen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung behauptet, sollten Auffälligkeiten während der Krankschreibung des Arbeitnehmers dokumentiert werden.

Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber auch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse einschalten. Diese können eine unabhängige Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vornehmen.

Sollten erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, ist zu raten, dem Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung zu verwehren oder, sollte sie bereits geleistet worden sein, sie zurückzufordern. Darüber hinaus kommt in dieser Konstellation aufgrund des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung grundsätzlich in Betracht.

Kein Entgeltfortzahlungsanspruch bei zweifelhafter Arbeitsunfähigkeit nach Kündigung

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 05. Juli 2024 – 12 Sa 1266/23

Eine weitere wichtige Entscheidung auf der Linie des Bundesarbeitsgerichts zur Erschütterung des Beweiswerts ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil die Rechte von Arbeitgebern im Umgang mit der Rückforderung geleisteter Entgeltfortzahlung bei angeblicher Arbeitsunfähigkeit gestärkt. Das Gericht entschied, dass Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurückfordern können, wenn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, weil ein Arbeitnehmer während der Krankschreibung Freizeitaktivitäten ausübt, die Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.

Fakten

Ein als Produktionsleiter tätiger Arbeitnehmer wurde durch den Geschäftsführer des Arbeitgebers (unwirksam) mündlich gekündigt und meldete sich am nächsten Tag arbeitsunfähig krank. Er legte in der Folge ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, die seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist bestätigten. Während dieser Zeit nahm der Arbeitnehmer an sportlichen Aktivitäten teil, darunter ein Handballspiel als aktiver Spieler und ein weiteres als Schiedsrichter. Der Arbeitgeber zahlte zunächst Entgeltfortzahlung, forderte diese aber später zurück, da er die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzweifelte.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Es stellte fest, dass der Arbeitgeber, der die Rückzahlung der geleisteten Entgeltfortzahlung begehrt, das Fehlen des Entgeltfortzahlungsanspruchs darlegen und beweisen muss. Insoweit der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, widerlegt sie grundsätzlich das behauptete Fehlen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht jedoch nicht absolut und kann erschüttert werden.

Nach dem vorliegenden Urteil können Indizien zur Erschütterung des Beweiswertes unter anderem sein:

  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die zeitlich passgenau die Kündigungsfrist abdecken,
  • Nichteinhaltung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (z.B. bei einer Krankschreibung von mehr als zwei Wochen am Stück),
  • Ausüben von Freizeitaktivitäten durch den Arbeitnehmer während der Krankschreibung, soweit diese Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.

Im vorliegenden Fall lagen alle drei Punkte vor, weshalb das erkennende Gericht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als erschüttert ansah. Der Arbeitnehmer hatte sich unmittelbar nach der mündlichen Kündigung krankgemeldet, die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erstreckten sich passgenau auf den Zeitraum der Kündigungsfrist. Hiergegen spricht nach Auffassung des Gerichts auch nicht, dass die Kündigung wegen Missachtung des Schriftformgebots unwirksam war, denn sie manifestierte die Beendigungsabsicht der Beklagten und konnte von dem Arbeitnehmer als Ankündigung einer formwirksamen Kündigung verstanden werden.

Darüber hinaus umfasste eine der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen Zeitraum von 20 Tagen und ging deutlich über die in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie festgelegte, regelmäßige Höchstdauer von 14 Tagen hinaus. Zudem nahm der Arbeitnehmer während dieser Zeit an sportlichen Aktivitäten teil, die eine robuste körperliche Belastbarkeit erforderten. Aufgrund der Gesamtabwägung dieser Umstände ging das Gericht von der Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus.

Aufgrund dessen hätte es dem Kläger oblegen, vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorgelegen haben, so dass er infolge der behaupteten Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert war. Es erfolgte jedoch kein entsprechender Vortrag des Klägers.

Folgen der Entscheidung

Das Urteil stärkt die Position von Arbeitgebern im Umgang mit Arbeitnehmern, an deren Behauptung der Arbeitsunfähigkeit erhebliche Zweifel bestehen, deutlich. Das Gericht stellte im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts klar, dass der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht absolut gilt und erschüttert werden kann. Die Entscheidung erleichtert Arbeitgebern die Rückforderung einer geleisteten Entgeltfortzahlung, wenn sie begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers haben. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Arbeitgeber die Beweislast für das Fehlen der Voraussetzungen auf Entgeltfortzahlung trägt. Er muss deshalb konkret darlegen und beweisen können, warum er die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzweifelt.

Hinweise für die Praxis

Für Arbeitgeber lohnt sich der kritische Blick auf Krankmeldungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit einer Kündigung stehen oder der Arbeitnehmer für einen Zeitraum krankgeschrieben wird, der über 14 Tage hinaus geht. Aufgrund der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, der das Fehlen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung behauptet, sollten Auffälligkeiten während der Krankschreibung des Arbeitnehmers dokumentiert werden.

Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber auch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse einschalten. Diese können eine unabhängige Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vornehmen.

Sollten erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, ist zu raten, dem Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung zu verwehren oder, sollte sie bereits geleistet worden sein, sie zurückzufordern. Darüber hinaus kommt in dieser Konstellation aufgrund des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung grundsätzlich in Betracht.

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