Bundessozialgericht, Urteil vom 26. September 2024 – B 2 U 14/22
Fakten
Der Arbeitnehmer war als Kommissionierer bei einem Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in Deutschland tätig. Zwischen den Beschäftigten der Niederlassungen findet seit etwa 20 Jahren einmal im Jahr ein Fußballturnier statt.
Die konkrete Veranstaltung fand auf Initiative und unter Leitung der Beschäftigten statt, ohne dass es weitere, fußballunabhängige Programmpunkte gegeben hätte. Bei einem Spiel im Rahmen des Turniers verdrehte sich der Arbeitnehmer das Knie. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen.
Entscheidung
Wie auch die Vorinstanzen hat das BSG einen Arbeitsunfall verneint und den Versicherungsschutz abgelehnt. Die Teilnahme an dem Fußballturnier zähle nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Kommissionierers. Versicherungsschutz scheide auch unter dem Gesichtspunkt des Betriebssports aus, weil bei dem Fußballturnier der Wettkampfcharakter im Vordergrund stand.
Auch die Voraussetzungen von Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung lägen nicht vor, weil die Veranstaltung sich nur an die fußballinteressierten Arbeitnehmer und damit nicht an alle Arbeitnehmer richtete.
Werbungsaspekte des Fußballturniers könnten selbst bei einer betrieblichen Unterstützung und einer nachträglichen Berichterstattung in der Presse keinen Unfallversicherungsschutz begründen. Der Arbeitgeber habe die Veranstaltung nicht zielgerichtet in der Öffentlichkeit als Werbeplattform genutzt. Ein etwaiger Werbeeffekt sei als rechtlich unwesentlicher Reflex zu bewerten.
Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung liegt bislang nur als Pressemitteilung vor. Das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Versicherungsschutz bei Betriebssport und betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen aber bestätigt.
Ein Arbeitsunfall als Versicherungsfall erfordert den Unfall eines Versicherten infolge der versicherten Tätigkeit. Die konkrete Verrichtung, die zu dem Unfall führte, muss in einem inneren Zusammenhang mit der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit stehen. Ob dieser Zurechnungszusammenhang besteht, beurteilt sich anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls. Maßgeblich ist die Frage, ob die Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.
Die Abgrenzung einer versicherten betriebsdienlichen Verrichtung von unversicherten privatnützigen Verrichtungen kann Schwierigkeiten bereiten. Dies gilt insbesondere im Falle einer einheitlichen Handlung, die sowohl privatnützigen als auch betriebsdienlichen Zwecken dient. Bei einer solchen Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz kommt es darauf an, welche Motivation überwiegt. Für einige Gruppen von Verrichtungen hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, bei deren Vorliegen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit zu bejahen ist. Diese Kriterien hat das BSG mit der Entscheidung vom 26. September 2024 bestätigt.
Betriebssport: Treibt ein Arbeitnehmer mit Kollegen Sport, ohne arbeitsvertraglich hierzu verpflichtet zu sein, und bezweckt damit einen Ausgleich zu der meist einseitig beanspruchenden Betriebsarbeit, dient der Sport auch der Gesunderhaltung, der Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers und der Förderung der Betriebsgemeinschaft. Die Verrichtung liegt damit auch im Interesse des Arbeitgebers. Versicherungsschutz in der (arbeitgeberfinanzierten) gesetzlichen Unfallversicherung besteht daher, wenn der Sport Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter hat, regelmäßig stattfindet, der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Unternehmensangehörige beschränkt ist, Übungszeit und -dauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und der Sport unternehmensbezogen organisiert ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04; Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 38/03 R).
Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung: Für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung kann Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen, wenn es im Interesse des Arbeitgebers liegt, die betriebliche Verbundenheit der Arbeitnehmer auf diese Weise zu fördern. Die Veranstaltung muss dazu dienen, das Betriebsklima und den Zusammenhalt unter den Arbeitnehmern zu fördern, allen Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer Organisationseinheit offenstehen und im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung stattfinden. An der Veranstaltung muss ein hinreichender Teil der Arbeitnehmer teilnehmen, ohne dass eine feste Mindestbeteiligungsquote bestünde; eine persönliche Teilnahme der Unternehmensleitung ist nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R; Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 19/14 R).
Hinweise für die Praxis
Gemeinschaftliche Sportveranstaltungen sind beliebt, um die Arbeitnehmer miteinander zu vernetzen und den Teamgeist zu stärken. Neben einer Förderung der Unternehmenskultur und einer stärkeren Arbeitnehmerbindung können aber solche Veranstaltungen auch Sportverletzungen mit sich bringen und damit zu Auseinandersetzungen mit den Berufsgenossenschaften darüber führen, ob ein Arbeitsunfall vorliegt. Unternehmen sollten daher schon im Voraus einer Veranstaltung klären, ob für etwaige Unfälle Unfallversicherungsschutz besteht, um diesbezügliche Fragen der Arbeitnehmer beantworten und auf eine sachgerechte Dokumentation von Unfällen hinwirken zu können.