Einleitung
Die Festsetzung der Gesamtbezüge einzelner Vorstandsmitglieder beschäftigt die Gerichte fortlaufend. § 87 Abs. 2 S.1 Aktiengesetz (AktG) bietet dem Aufsichtsrat ein Instrument, bei Verschlechterung der Lage der Gesellschaft die Vorstandsbezüge auf eine angemessene Höhe herabzusetzen. Umstritten dabei war stets, ob eine Herabsetzung der Vergütung ausgeschlossen ist, wenn dem Vorstand die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht zugerechnet werden kann – sozusagen äußere Umstände eine solche Verschlechterung verursachten. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes („BGH“) stellt nun in diesem Zusammenhang klar, dass die Zurechenbarkeit der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft an den Vorstand zwar keine Voraussetzung für die Herabsetzung seiner Bezüge ist, jedoch einen wesentlichen Umstand bei der gebotenen Abwägung darstellt (BGH, Urt. v. 22.10.2024 – II ZR 97/23).
Gesetzliche Grundlagen zur Vergütung des Vorstandsmitglieds
Die Grundsätze der Vergütung von Vorstandsmitgliedern ist in § 87 AktG geregelt. Es ist Aufgabe des Aufsichtsrates, eine angemessene Vergütung des Vorstandes festzusetzen, die sowohl dessen Aufgaben als auch die Lage bzw. Struktur der Gesellschaft berücksichtigt.
Verschlechterung der Lage der Gesellschaft und „schwere Unbilligkeit“
Die im Aktiengesetz normierte Voraussetzung für eine Herabsetzung der Vorstandsbezüge stellt sich wie folgt dar: einerseits muss eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft vorliegen und andererseits die Weitergewährung der bestehenden Bezüge eine „schwere Unbilligkeit“ für die Gesellschaft darstellen. Eine Unbilligkeit ist dabei an das Verhältnis der Bezüge im Lichte der Lage der AG zu messen. Die Lage der Gesellschaft umfasst dabei die wirtschaftliche Gesamtsituation, wie die (zukünftige) Ertragslage sowie die zu erwartende Entwicklung der Gesellschaft der Gesellschaft.
Eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft ist grundsätzlich bei einer erheblichen negativen Änderung der operativen Situation der Gesellschaft anzunehmen. Entlassungen und Lohnkürzungen reichen dabei aber allein nicht aus, es muss kumulativ hinzukommen, dass keine Gewinne mehr ausgeschüttet werden können.
Herabsetzung der Vorstandsbezüge auch ohne Zurechnungszusammenhang zwischen Verschlechterung der Lage der Gesellschaft und Vorstandstätigkeiten
Bei der rechtlichen Prüfung einer Unbilligkeit in Bezug auf die Weiterzahlung bestehender Vorstandsbezüge i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG ging der BGH bisher davon aus, dass sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen seien. Bei dieser Abwägung seien insbesondere auch der Umfang der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft gegenüber dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Vergütung zu betrachten. Weiterhin sei zu berücksichtigen, zu welchem Grad die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft dem Vorstand zurechenbar sei und ob er sie ggf. sogar pflichtwidrig herbeigeführt habe. (BGH-Urteil v. 27.10.2015 – II ZR 296/14).
Umstritten in diesem Kontext war die Auslegung der Entscheidung und die Frage, ob eine Herabsetzung der Vergütung ausgeschlossen sei, wenn dem Vorstand die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht selbst zugerechnet werden kann. Der BGH hat diesen Streit nunmehr in seiner Entscheidung aus 2024 in Teilen beendet und stellt klar: Die Zurechenbarkeit der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft an ein bestimmtes Vorstandshandeln ist zwar keine (unmittelbare) Voraussetzung für die Herabsetzung der Vorstandsvergütung, sie muss jedoch im Rahmen der bei der Prüfung einer bestehenden Unbilligkeit gebotenen Gesamtabwägung berücksichtigt werden, nämlich, ob die Tätigkeiten oder Entscheidungen des Vorstandsmitglieds Einfluss auf die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft hatten.
Weiterhin stellt der BGH klar: Sofern das Vorstandsmitglied zur Zeit der Lageverschlechterung noch kein Mitglied des Vorstands der Aktiengesellschaft gewesen ist, ist die Argumentation des Vorliegens einer Unbilligkeit für die Gesellschaft in der Regel ausgeschlossen. Begründet wird dies damit, dass die Organstellung erst durch die Bestellung des Vorstandsmitglieds gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 AktG begründet wird und insbesondere das Vorstandsmitglied bei Abschluss seines Dienstvertrages vor der Entstehung der Organstellung grundsätzlich nicht gehalten ist, seine eigenen wirtschaftlichen Interessen hinter diejenigen der Gesellschaft zu stellen.
Fazit
Der BGH stellt mit der hier besprochenen Entscheidung im dauernden Streit um die Frage, inwiefern die Zurechenbarkeit der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft bei der Herabsetzung der Vergütung des Vorstandsmitglieds mit ausschlaggebend ist, einmal mehr fest: sie ist zu berücksichtigen, auch wenn sie keine unmittelbare (Tatbestands-) Voraussetzung ist. Diese Entscheidung ist zu begrüßen, da hierdurch für die betroffenen Gesellschaften sowie Vorstandsmitglieder weiter Klarheit geschaffen wurde. Insbesondere ist es auch richtig, bei der Frage der Herabsetzung der Vorstandsvergütung zumindest im Rahmen der Abwägung der „schweren Unbilligkeit“ auch (mittelbar) eine persönliche Sphäre mit einfließen zu lassen, mithin ob das Vorstandsmitglied an der Misere der Gesellschaft ein zurechenbares Mitverschulden trägt. Die persönliche Zurechenbarkeit darf bei der Herabsetzung der Vorstandsvergütung allerdings keine unmittelbare Voraussetzung sein, da der Wortlaut dafür keine Anhaltspunkte liefert.