Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.01.2024 – 5 Sa 37/23
Fakten
Im Unternehmen sind rund ein Drittel der Beschäftigten Stammarbeitnehmer – mit ihnen besteht ein direktes Arbeitsverhältnis. Die restlichen zwei Drittel der Beschäftigten sind Leiharbeitnehmer. Diese erbringen ihre Arbeitsleistung zwar im Unternehmen, sind aber bei einem externen Verleiher angestellt und werden auch von diesem vergütet.
Beide Arbeitnehmergruppen üben im Betrieb die gleichen Tätigkeiten aus. Trotzdem erhalten die Leiharbeitnehmer eine höhere Vergütung von ihrem Verleiher als das Stammpersonal des Unternehmens. Das wollte eine Stammarbeitnehmerin nicht akzeptieren und forderte „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“.
Entscheidung
Sowohl das Arbeitsgericht Schwerin in der Vorinstanz als auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern wiesen die Forderung zurück.
Zwar sieht das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) die Gleichbehandlung von Leih- und Stammarbeitnehmern bei den wesentlichen Arbeitsbedingungen vor – und das ausdrücklich auch mit Blick auf das Arbeitsentgelt. Allerdings schützt dieser sogenannte Gleichstellungsgrundsatz nur in eine Richtung: Wenn Leiharbeitnehmer schlechter vergütet werden als vergleichbares Stammpersonal, können diese vom Verleiher, d.h. ihrem Arbeitgeber, einen Ausgleich der Differenz verlangen. Fällt hingegen die Vergütung der Stammarbeitnehmer – wie im hier entschiedenen Fall – geringer aus, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung mit den Leiharbeitnehmern. Das AÜG sieht in die umgekehrte Richtung keine Regelung vor.
Auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hilft nicht weiter. Danach sind Unternehmen zur Gleichbehandlung der Mitarbeiter untereinander verpflichtet – aber nur innerhalb des eigenen Unternehmens und damit bezogen auf die „eigenen“ Arbeitnehmer. Die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer legt der Verleiher als deren Arbeitgeber selbst fest. Der Entleiher kann hierauf keinen bzw. kaum Einfluss nehmen. Deswegen müssen die Leiharbeitnehmer auch nicht in einen Vergleich einbezogen werden. Und zwar selbst dann nicht, wenn diese die Mehrheit der Belegschaft ausmachen.
Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern führt zu einer eindeutige Klarstellung: „Equal Pay“ bei Arbeitnehmerüberlassung ja – aber nur zugunsten der Leiharbeitnehmer. Stammarbeitnehmer müssen dagegen eine geringere Vergütung für die gleiche Tätigkeit schlicht und ergreifend hinnehmen.
Damit liegt die Entscheidung auf einer Linie mit dem Willen des deutschen Gesetzgebers und den europäischen Bestimmungen. Denn mit dem Gleichstellungsgrundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, der auf eine EU-Richtlinie zurückgeht, wurde primär der Schutz von Leiharbeitnehmern vor einer Schlechterstellung bezweckt.
Hinweis für die Praxis
Für Unternehmen, die Leiharbeitnehmer beschäftigen, gilt:
- Die Vergütung der Stammarbeitnehmer muss nicht angeglichen werden, wenn vergleichbare Leiharbeitnehmer besser entlohnt werden.
- Daher besteht auch keine Pflicht, den Stammarbeitnehmern Auskunft über die Vergütungshöhe der Leiharbeitnehmer zu erteilen.
Da insoweit Einklang zwischen der Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern und den rechtlichen Vorgaben besteht, ist eine Abkehr von diesen Feststellungen erst dann zu erwarten, wenn der Gesetzgeber hier tätig wird und die Gleichbehandlung ausdrücklich auch in die andere Richtung, also zugunsten der Stammarbeitnehmer, festschreibt. Gleichwohl wird es für das Arbeitsklima im Unternehmen von Vorteil sein, wenn die Arbeitsbedingungen jedenfalls nicht eklatant auseinanderfallen.