Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 06. August 2024 – 21 TaBV 7/24
Fakten
Der Arbeitgeber und der Betriebsrat stritten um die Einsetzung einer Einigungsstelle, deren Regelungsgegenstand die Einführung und Umsetzung eines Planungskonzepts sein sollte. Mithilfe des vom Arbeitgeber erstellten Planungskonzepts „…spaces“ sollten die Nutzflächen der Büroräume umgestaltet und umdefiniert werden. So war vorgesehen, Desk Sharing sowie eine damit verbundene Clean Desk Policy einzuführen. Zudem ordnete der Arbeitgeber an, wie Arbeitnehmende ihre persönlichen Gegenstände vor und nach der Arbeit wo verstauen sollten und regelte teils die Nutzung der Büroflächen derart neu, dass er eine „überlagernde Nutzung“ einiger Bereiche einführte. Ein Buchungstool wurde hingegen nicht eingeführt.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) entschied, dass die Einführung von Desk Sharing und einer damit verbundenen Clean Desk Policy nicht als Ganzes mitbestimmungspflichtig ist. Die Einsetzung einer Einigungsstelle für die Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts als Ganzes lehnte es folgerichtig ab. Bestimmte Teilbereiche könnten, so das Gericht, allerdings sehr wohl der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
Es ist mithin genau zu unterscheiden: Einerseits betonte das LAG, Desk Sharing und eine Clean Desk Policy beträfen das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten, also das Einfordern und die Konkretisierung der Arbeitspflicht. Das Einsetzen einer Einigungsstelle kommen für diese Aspekte des Gesamtkonzepts mithin nicht in Betracht.
Andererseits, so das Gericht, könnten aus dem streitgegenständlichen Raumkonzept zwei Teilbereiche herausgelöst werden, die das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmenden betreffen und daher ggf. mitbestimmungspflichtig sein könnten. Bei diesen Teilbereichen handele es sich zum einen um die „Ordnung hinsichtlich von den Arbeitnehmern eingebrachter persönlicher Gegenstände“ sowie zum anderen um die „Ordnung hinsichtlich des Verhaltens auf Flächen mit sogenannten überlagernden Nutzungen“.
Dem Betriebsrat kommt nach dem Gesetz unter anderem dann ein Mitbestimmungsrecht zu, wenn es um Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmenden im Betrieb geht. Aus Sicht des Gerichts kann dies bei den Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmenden gegeben sein. Denn das neue Raumkonzept regele, welche persönlichen Gegenstände – wie etwa Kleindung, Fotos oder Pflanzen – die Arbeitnehmende einbringen dürften und mache insbesondere auch Vorgaben dazu, wie und wo diese vor und nach der Arbeitszeit aufzubewahren seien. Bei derartigen Regelungen sei nicht auszuschließen, dass diese das Ordnungsverhalten im Betrieb beträfen. Dies gelte auch bei Einbettung der Vorgaben in ein Gesamtkonzept zum (an sich mitbestimmungsfreien) Desk Sharing und einer Clean Desk Policy.
Der zweite Teilbereich, bei welchem aus Sicht des Gerichts Mitbestimmungsrechte relevant werden könnten, ist die „überlagernde Nutzung“ bestimmter Büroflächen. Nach dem Planungskonzept waren verschiedenen Bereiche der Büroflächen neben dem Erholungszweck als Pausenraum gleichzeitig für Arbeit vorgesehen. Nach Auffassung des Gerichts schließe eine solche überlagernde Nutzung nicht aus, dass das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmenden betroffen sei. Vielmehr könne eine Doppelwidmung derselben Betriebsfläche sowohl zu Arbeits- als auch zu Pausenzwecken die Ordnung des Betriebs betreffen.
Bei beiden Themen, dem Einbringen und Aufbewahren persönlicher Gegenstände sowie der „überlagernden Nutzung“ sah das LAG es als nicht ausgeschlossen an, dass die Maßnahmen überwiegend das Ordnungsverhalten im Betrieb berühren könnten, weshalb es für diese Teilbereiche die Einigungsstelle einsetzte.
Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung ist durchaus zu begrüßen. Denn sie bringt durch ihre Detailtiefe etwas mehr Klarheit in ein überaus aktuelles Thema, welches immer wieder aufkommt. Denn durch steigende Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes sinkt bei vielen Arbeitgebern die Anzahl derjenigen Arbeitnehmenden, die täglich ins Büro kommen. Das Desk Sharing wird als Option der Einsparung von Bürofläche daher schon jetzt bei vielen Arbeitgebern diskutiert oder bereits umgesetzt. Bei einer solchen Umsetzung hilft jede gerichtliche Entscheidung, die die bestehenden Grenzen – wie hier – klar aufzeigt.
Hinweise für die Praxis
Diese Entscheidung des LAG Baden-Württemberg hat eine hohe praktische Relevanz für Arbeitgeber. Sollten diese ähnliche Maßnahmen planen, sei ihnen vor allem Folgendes geraten: Genau hinsehen und die geplanten Maßnahmen im Detail – und ggf. auch getrennt voneinander – hinsichtlich einer etwaigen Beteiligungspflicht des Betriebsrates bewerten. Denn auch wenn das Gericht in diesem Fall – ausführlich und richtig begründet – zu dem Schluss kommt, dass Desk Sharing und eine Clean Desk Policy auch ohne den Betriebsrat eingeführt werden können. So kann der Teufel hier im Detail stecken und einige (Teil-)Vorhaben können unter Umständen sehr wohl die Beteiligung des Betriebsrates erfordern.
Zu diesen ggf. mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen können insbesondere Regelungen zum Umgang mit privaten Gegenständen der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz vor und nach Verrichten ihrer Tätigkeit sowie die etwaige Regelung ihres Verhaltens in überlappend genutzten Bereichen gehören. Ob ein Mitbestimmungsrecht tatsächlich besteht, muss allerdings eingehend im Einzelfall geprüft werden.
Neben dem Ordnungsverhalten ist, je nach begleitenden arbeitgeberseitigen Maßnahmen, zudem an weitere, möglicherweise bestehende Mitbestimmungsrechte zu denken. Dabei sei etwa die Einführung eines Buchungssystems von Arbeitsplätzen als Einführung technischer Einrichtungen genannt.