Autoren
Dr. Gabriele Kania
Datum

27. August 2021

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Nach ständiger BSG-Rechtsprechung kann ein GmbH-Geschäftsführer seine Tätigkeit überhaupt nur dann „selbstständig“ i.S.d. Sozialversicherungsrechts ausüben, wenn er am Gesellschaftskapital beteiligt ist. Die Organstellung allein vermag eine Selbständigkeit der Tätigkeit nicht zu begründen. Daher scheidet beim Fremdgeschäftsführer aufgrund fehlender Kapitalbeteiligung eine selbstständige Tätigkeit grundsätzlich aus, mit der Konsequenz, dass er in einem abhängigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht.

Nun hat das BSG in einer Reihe von Entscheidungen seine Rechtsprechung zur Statusbeurteilung von GmbH-Geschäftsführern fortentwickelt und die Einordnungskriterien auch in Bezug auf mehrstufige Konzerne (BSG 23.2.21 – B 12 R 18/18 R; 8.7.2020 – B 12 R 26/18 R) und Treuhandgestaltungen weiter verfeinert (BSG 12.5.20 – B 12 R 5/18 R; 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R). Dies soll zum Anlass genommen werden, einen Überblick über die bestehenden Regeln zu verschaffen.

Diskrepanz von arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Verständnis

Der GmbH-Geschäftsführer ist nach (deutschem) arbeitsrechtlichen Verständnis kein Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 14 KSchG). Trotzdem kann er für das Sozialversicherungsrecht in einem Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV zur GmbH stehen und damit der Versicherungs- und Beitragspflicht zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterliegen. Für die Abgrenzung von selbständiger Geschäftsführertätigkeit zu abhängiger Beschäftigung hat das BSG Kriterien entwickelt, die sich auf die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschaft fokussieren. Dem GmbH-Geschäftsführer muss es kraft seiner Kapitalbeteiligung oder aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags möglich sein, ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen zu können, die sein Anstellungsverhältnis betreffen.

Beteiligung am Stammkapital 

Am Stammkapital der GmbH nicht beteiligte Fremdgeschäftsführer können ihre Geschäftsführertätigkeit nach ständiger Rechtsprechung nicht selbständig ausüben, da sie keine Rechtsmacht besitzen, ihnen unangenehme Weisungen zu verhindern. Denn sie  unterliegen nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 und § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG grds. dem umfassenden Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung. 

Auch ein GmbH-Geschäftsführer, der zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer), ist nicht bereits kraft seiner Kapitalbeteiligung „selbständig tätig“. Über seine Gesellschafterstellung hinaus muss er – um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden – die Rechtsmacht haben, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Hier sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliches Merkmal für die Statusfrage:

  • Die erforderliche Rechtsmacht ist zweifellos gegeben, wenn der Geschäftsführer als Mehrheitsgesellschafter mehr als 50% der Anteile am Stammkapital hält.
  • Hält er exakt 50% der Anteile, ist eine entspr. Rechtsmacht ausnahmsweise zu bejahen, da die Gesellschafterversammlung ihn in Angelegenheiten der Gesellschaft (§ 46 GmbHG) nicht mit einfacher Mehrheit überstimmen kann. 
  • Bei geringerer Kapitalbeteiligung (also weniger als 50%) muss er als Minderheits-Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügen (sog. „echte“ bzw. „qualifizierte“ Sperrminorität). 

Rechtsmacht durch „qualifizierte“ Sperrminorität

Das Innehaben einer „qualifizierten“ Sperrminorität schließt eine abhängige Beschäftigung regelmäßig aus, und zwar auch dann, wenn andere Gesellschafter ein wirtschaftliches Übergewicht haben. In Betracht kommen von § 47 GmbHG abweichende Ausgestaltungen des Stimmrechts, wie z.B. Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernisse, Stimmrechtsschranken oder Stimmpflichten. Ein lediglich auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenztes Vetorecht reicht ebenso wenig wie der Umstand, dass der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit tatsächlich nicht der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliegt, weil diese ihre Rechte gar nicht ausüben. Insoweit hat sich der für Beitragsangelegenheiten zuständige Senat von der Rechtsprechung der Leistungssenate des BSG (6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R) distanziert.

Diese Rechtsmacht muss im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung verankert sein, bzw. sich hilfsweise aus dem GmbHG ergeben. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende wirtschaftliche oder familiäre Verflechtungen, rein schuldrechtliche Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und anderen Gesellschaftern oder der GmbH können zwar in tatsächlicher oder sogar gesellschaftsrechtlicher Hinsicht die Rechtsmachtverhältnisse verschieben, nicht aber mit Wirkung für das Sozialversicherungsrecht. Solche Abreden sind selbst dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie notariell beurkundet sind, da sie nicht den Publizitätsvorschriften genügen. Nach alledem gilt: 

  • Geschäftsführer, die weniger als 50% der Gesellschaftsanteile halten und nur über eine einfache Sperrminorität verfügen oder lediglich aufgrund schuldrechtlicher Abreden Einfluss auf die Gesellschafter nehmen können, sind immer abhängig beschäftigt. Eine im Geschäftsführervertrag eingeräumte Weisungsfreiheit ändert nichts an der durch Satzung und Gesetz bestehenden Weisungsgebundenheit durch die Gesellschafterversammlung.
  • Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft sind auch dann abhängig beschäftigt, wenn sie die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie Alleininhaber führen können. Die frühere „Kopf und Seele“-Rechtsprechung hat das BSG aufgegeben, da das rechtlich nicht gebundene und jederzeit änderbare Verhalten der Beteiligten mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Sozialversicherungsverhältnis nicht zu vereinbaren ist (BSG 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R). 
  • Diese Grundsätze gelten auch bei Treuhandgestaltungen, z.B. wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer Geschäftsanteile treuhänderisch für Dritte hält (BSG 12.05.2020 – B 12 R 5/18 R) oder wenn er seine Gesellschaftsanteile einem Mitgesellschafter als Treuhänder übertragen hat (BSG 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R). Hier ist der Treuhänder grds. Inhaber aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten und das betrifft auch das Stimmrecht als wichtigstes Verwaltungsrecht. Die Einwirkungsmacht des Treugebers auf das Gesellschaftergeschehen ist dagegen nur mittelbar. Treuhandvereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber, die die Ausübung der Rechte im Innenverhältnis regeln, haben nach BSG-Rechtsprechung wegen ihrer rein schuldrechtlichen Wirkung für die Statusbeurteilung keine Bedeutung. Durch sie kann die Rechtsmacht des Treugebers weder erweitert noch die des Treuhänders beschränkt werden. Dementsprechend können außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Verfügungsrechte bzgl. des Geschäftsanteils, Stimmbindungsabreden oder unwiderrufliche Stimmrechtsvollmachten zugunsten des Treugebers – selbst wenn sie notariell beurkundet sind – die Rechtsmachtverhältnisse zwar für das Gesellschaftsrecht, nicht aber für das Sozialversicherungsrecht verschieben. 

Rechtsmacht durch beherrschende Muttergesellschaft

Ausnahmsweise kann auch ein Fremdgeschäftsführer „selbständig“ sein, wenn die Beteiligung an einer anderen Gesellschaft ihm die erforderliche Rechtsmacht in der von ihm geführten Gesellschaft vermittelt. Das hat das BSG jetzt bei gestuften Konzernstrukturen für den Fall entschieden, dass Hauptgesellschafterin der GmbH, deren Fremd-Geschäftsführung Gegenstand der Statusbeurteilung war, wiederum eine Gesellschaft (GmbH oder GmbH & Co KG) ist. Die Rechtsmacht resultiert daraus, dass der GmbH-Geschäftsführer kraft seiner Beteiligung an der übergeordneten Muttergesellschaft maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten (Tochter)Gesellschaft nehmen und somit „durchregieren“ kann (BSG 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R; BSG 8.7.2020 – B 12 R 26/18 R).

Damit ist für die Statusbeurteilung nicht nur isoliert auf die Rechtsbeziehungen innerhalb der Tochtergesellschaft abzustellen, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung der kapital- und satzungsmäßigen Befugnisse der verflochtenen Gesellschaften erforderlich. Dabei stellt das BSG in mehrstufigen Konzernen sowohl auf das Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaften als auch auf die Rechtsstellung des Geschäftsführers innerhalb der anderen Gesellschaft ab. Die durch die Beteiligung an der übergeordneten Gesellschaft vermittelte Rechtsmacht muss durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt sein und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlagen. Hier gilt:

  • Die Geschäftsführerstellung in der übergeordneten GmbH, welche die Beteiligung an der Tochtergesellschaft verwaltet, reicht nicht. Allerdings kann sich die erforderliche Rechtsmacht, Weisungen an sich als Geschäftsführer zu verhindern, aus einer beherrschenden Kapitalbeteiligung an der Muttergesellschaft ergeben, die ihrerseits wiederum mindestens 50% der Anteile an der Tochter-GmbH halten muss. Im Übrigen gelten die oben dargestellten Grundsätze.
  • Dagegen reicht nicht die bloße Beteiligung als Kommanditist in der übergeordneten GmbH & Co KG. Der auf einer Kommanditeinlage beruhende gesellschaftsrechtliche Einfluss eines Kommanditisten ist grds. auf die GmbH & Co KG beschränkt. Ohne abweichendes Satzungsrecht steht den Kommanditisten der GmbH & Co KG im Bereich der allein der Komplementär-GmbH obliegenden gewöhnlichen Geschäftsführung grds. kein Weisungsrecht zu. Die notwendige Rechtsmacht kann hier z.B. ein Zustimmungserfordernis der Kommanditisten bei Stimmabgabe in den Beteiligungsgesellschaften vermitteln.
  • Auch eine Beteiligung an weiteren Zwischengesellschaften kann nach den vorstehenden Grundsätzen die erforderliche Rechtsmacht vermitteln.

Praxistipp:

Die jüngeren Entscheidungen des BSG bringen unmissverständlich zum Ausdruck, dass rein schuldrechtliche Vereinbarungen für die Statusbeurteilung ohne Bedeutung sind. Aus ihnen kann die für das Sozialversicherungsrecht maßgebliche Rechtsmacht des GmbH-Geschäftsführers nicht hergeleitet werden. Rechte und Einflussmöglichkeiten müssen sich vielmehr unmittelbar aus den satzungsrechtlichen Regelungen ergeben. Das ist bereits bei der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung zu berücksichtigen. 

Um einschneidende Rechtsfolgen für den Geschäftsführer und die Gesellschaft zu vermeiden, sollte bereits zu Beginn der Tätigkeit die Frage der Versicherungspflicht geklärt werden. Hier kann bei der Clearingstelle der DRV Bund ein Anfrageverfahren optional durchgeführt werden. Allerdings muss die Statusfeststellung auch von Amts wegen durch die Krankenkassen eingeleitet werden, wenn diese Kenntnis über die Geschäftsführertätigkeit erlangen (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Das ist regelmäßig bei einer Anmeldung des Geschäftsführers zur Krankenversicherung der Fall. Hierauf sollte u.U. aktiv hingewirkt werden, um rückwirkende Kostenrisiken zu vermeiden. 

Wird eine Klärung versäumt und der Geschäftsführer irrtümlich als nicht sozialversicherungspflichtig beurteilt, haftet die GmbH für die verpassten Beitragszahlungen. Zudem werden hierauf regelmäßig Versäumniszuschläge i.H.v. 1% monatlich erhoben. 

Ändern sich die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft oder werden Rechtspositionen satzungsrechtlich geändert bzw. abbedungen, ist zu prüfen, ob eine erneute Statusklärung ratsam ist. Auch Änderungen in der Sozialgerichtsrechtsprechung, die eine andere Bewertung des Sachverhalts zulassen, sind Anlass für eine erneute Statusprüfung.

Der GmbH-Geschäftsführer und die sozial-versicherungs-rechtliche Statusbeurteilung

Nach ständiger BSG-Rechtsprechung kann ein GmbH-Geschäftsführer seine Tätigkeit überhaupt nur dann „selbstständig“ i.S.d. Sozialversicherungsrechts ausüben, wenn er am Gesellschaftskapital beteiligt ist. Die Organstellung allein vermag eine Selbständigkeit der Tätigkeit nicht zu begründen. Daher scheidet beim Fremdgeschäftsführer aufgrund fehlender Kapitalbeteiligung eine selbstständige Tätigkeit grundsätzlich aus, mit der Konsequenz, dass er in einem abhängigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht.

Nun hat das BSG in einer Reihe von Entscheidungen seine Rechtsprechung zur Statusbeurteilung von GmbH-Geschäftsführern fortentwickelt und die Einordnungskriterien auch in Bezug auf mehrstufige Konzerne (BSG 23.2.21 – B 12 R 18/18 R; 8.7.2020 – B 12 R 26/18 R) und Treuhandgestaltungen weiter verfeinert (BSG 12.5.20 – B 12 R 5/18 R; 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R). Dies soll zum Anlass genommen werden, einen Überblick über die bestehenden Regeln zu verschaffen.

Diskrepanz von arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Verständnis

Der GmbH-Geschäftsführer ist nach (deutschem) arbeitsrechtlichen Verständnis kein Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 14 KSchG). Trotzdem kann er für das Sozialversicherungsrecht in einem Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV zur GmbH stehen und damit der Versicherungs- und Beitragspflicht zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterliegen. Für die Abgrenzung von selbständiger Geschäftsführertätigkeit zu abhängiger Beschäftigung hat das BSG Kriterien entwickelt, die sich auf die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschaft fokussieren. Dem GmbH-Geschäftsführer muss es kraft seiner Kapitalbeteiligung oder aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags möglich sein, ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen zu können, die sein Anstellungsverhältnis betreffen.

Beteiligung am Stammkapital 

Am Stammkapital der GmbH nicht beteiligte Fremdgeschäftsführer können ihre Geschäftsführertätigkeit nach ständiger Rechtsprechung nicht selbständig ausüben, da sie keine Rechtsmacht besitzen, ihnen unangenehme Weisungen zu verhindern. Denn sie  unterliegen nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 und § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG grds. dem umfassenden Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung. 

Auch ein GmbH-Geschäftsführer, der zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer), ist nicht bereits kraft seiner Kapitalbeteiligung „selbständig tätig“. Über seine Gesellschafterstellung hinaus muss er – um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden – die Rechtsmacht haben, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Hier sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliches Merkmal für die Statusfrage:

  • Die erforderliche Rechtsmacht ist zweifellos gegeben, wenn der Geschäftsführer als Mehrheitsgesellschafter mehr als 50% der Anteile am Stammkapital hält.
  • Hält er exakt 50% der Anteile, ist eine entspr. Rechtsmacht ausnahmsweise zu bejahen, da die Gesellschafterversammlung ihn in Angelegenheiten der Gesellschaft (§ 46 GmbHG) nicht mit einfacher Mehrheit überstimmen kann. 
  • Bei geringerer Kapitalbeteiligung (also weniger als 50%) muss er als Minderheits-Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügen (sog. „echte“ bzw. „qualifizierte“ Sperrminorität). 

Rechtsmacht durch „qualifizierte“ Sperrminorität

Das Innehaben einer „qualifizierten“ Sperrminorität schließt eine abhängige Beschäftigung regelmäßig aus, und zwar auch dann, wenn andere Gesellschafter ein wirtschaftliches Übergewicht haben. In Betracht kommen von § 47 GmbHG abweichende Ausgestaltungen des Stimmrechts, wie z.B. Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernisse, Stimmrechtsschranken oder Stimmpflichten. Ein lediglich auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenztes Vetorecht reicht ebenso wenig wie der Umstand, dass der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit tatsächlich nicht der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliegt, weil diese ihre Rechte gar nicht ausüben. Insoweit hat sich der für Beitragsangelegenheiten zuständige Senat von der Rechtsprechung der Leistungssenate des BSG (6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R) distanziert.

Diese Rechtsmacht muss im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung verankert sein, bzw. sich hilfsweise aus dem GmbHG ergeben. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende wirtschaftliche oder familiäre Verflechtungen, rein schuldrechtliche Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und anderen Gesellschaftern oder der GmbH können zwar in tatsächlicher oder sogar gesellschaftsrechtlicher Hinsicht die Rechtsmachtverhältnisse verschieben, nicht aber mit Wirkung für das Sozialversicherungsrecht. Solche Abreden sind selbst dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie notariell beurkundet sind, da sie nicht den Publizitätsvorschriften genügen. Nach alledem gilt: 

  • Geschäftsführer, die weniger als 50% der Gesellschaftsanteile halten und nur über eine einfache Sperrminorität verfügen oder lediglich aufgrund schuldrechtlicher Abreden Einfluss auf die Gesellschafter nehmen können, sind immer abhängig beschäftigt. Eine im Geschäftsführervertrag eingeräumte Weisungsfreiheit ändert nichts an der durch Satzung und Gesetz bestehenden Weisungsgebundenheit durch die Gesellschafterversammlung.
  • Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft sind auch dann abhängig beschäftigt, wenn sie die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie Alleininhaber führen können. Die frühere „Kopf und Seele“-Rechtsprechung hat das BSG aufgegeben, da das rechtlich nicht gebundene und jederzeit änderbare Verhalten der Beteiligten mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Sozialversicherungsverhältnis nicht zu vereinbaren ist (BSG 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R). 
  • Diese Grundsätze gelten auch bei Treuhandgestaltungen, z.B. wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer Geschäftsanteile treuhänderisch für Dritte hält (BSG 12.05.2020 – B 12 R 5/18 R) oder wenn er seine Gesellschaftsanteile einem Mitgesellschafter als Treuhänder übertragen hat (BSG 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R). Hier ist der Treuhänder grds. Inhaber aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten und das betrifft auch das Stimmrecht als wichtigstes Verwaltungsrecht. Die Einwirkungsmacht des Treugebers auf das Gesellschaftergeschehen ist dagegen nur mittelbar. Treuhandvereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber, die die Ausübung der Rechte im Innenverhältnis regeln, haben nach BSG-Rechtsprechung wegen ihrer rein schuldrechtlichen Wirkung für die Statusbeurteilung keine Bedeutung. Durch sie kann die Rechtsmacht des Treugebers weder erweitert noch die des Treuhänders beschränkt werden. Dementsprechend können außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Verfügungsrechte bzgl. des Geschäftsanteils, Stimmbindungsabreden oder unwiderrufliche Stimmrechtsvollmachten zugunsten des Treugebers – selbst wenn sie notariell beurkundet sind – die Rechtsmachtverhältnisse zwar für das Gesellschaftsrecht, nicht aber für das Sozialversicherungsrecht verschieben. 

Rechtsmacht durch beherrschende Muttergesellschaft

Ausnahmsweise kann auch ein Fremdgeschäftsführer „selbständig“ sein, wenn die Beteiligung an einer anderen Gesellschaft ihm die erforderliche Rechtsmacht in der von ihm geführten Gesellschaft vermittelt. Das hat das BSG jetzt bei gestuften Konzernstrukturen für den Fall entschieden, dass Hauptgesellschafterin der GmbH, deren Fremd-Geschäftsführung Gegenstand der Statusbeurteilung war, wiederum eine Gesellschaft (GmbH oder GmbH & Co KG) ist. Die Rechtsmacht resultiert daraus, dass der GmbH-Geschäftsführer kraft seiner Beteiligung an der übergeordneten Muttergesellschaft maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten (Tochter)Gesellschaft nehmen und somit „durchregieren“ kann (BSG 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R; BSG 8.7.2020 – B 12 R 26/18 R).

Damit ist für die Statusbeurteilung nicht nur isoliert auf die Rechtsbeziehungen innerhalb der Tochtergesellschaft abzustellen, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung der kapital- und satzungsmäßigen Befugnisse der verflochtenen Gesellschaften erforderlich. Dabei stellt das BSG in mehrstufigen Konzernen sowohl auf das Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaften als auch auf die Rechtsstellung des Geschäftsführers innerhalb der anderen Gesellschaft ab. Die durch die Beteiligung an der übergeordneten Gesellschaft vermittelte Rechtsmacht muss durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt sein und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlagen. Hier gilt:

  • Die Geschäftsführerstellung in der übergeordneten GmbH, welche die Beteiligung an der Tochtergesellschaft verwaltet, reicht nicht. Allerdings kann sich die erforderliche Rechtsmacht, Weisungen an sich als Geschäftsführer zu verhindern, aus einer beherrschenden Kapitalbeteiligung an der Muttergesellschaft ergeben, die ihrerseits wiederum mindestens 50% der Anteile an der Tochter-GmbH halten muss. Im Übrigen gelten die oben dargestellten Grundsätze.
  • Dagegen reicht nicht die bloße Beteiligung als Kommanditist in der übergeordneten GmbH & Co KG. Der auf einer Kommanditeinlage beruhende gesellschaftsrechtliche Einfluss eines Kommanditisten ist grds. auf die GmbH & Co KG beschränkt. Ohne abweichendes Satzungsrecht steht den Kommanditisten der GmbH & Co KG im Bereich der allein der Komplementär-GmbH obliegenden gewöhnlichen Geschäftsführung grds. kein Weisungsrecht zu. Die notwendige Rechtsmacht kann hier z.B. ein Zustimmungserfordernis der Kommanditisten bei Stimmabgabe in den Beteiligungsgesellschaften vermitteln.
  • Auch eine Beteiligung an weiteren Zwischengesellschaften kann nach den vorstehenden Grundsätzen die erforderliche Rechtsmacht vermitteln.

Praxistipp:

Die jüngeren Entscheidungen des BSG bringen unmissverständlich zum Ausdruck, dass rein schuldrechtliche Vereinbarungen für die Statusbeurteilung ohne Bedeutung sind. Aus ihnen kann die für das Sozialversicherungsrecht maßgebliche Rechtsmacht des GmbH-Geschäftsführers nicht hergeleitet werden. Rechte und Einflussmöglichkeiten müssen sich vielmehr unmittelbar aus den satzungsrechtlichen Regelungen ergeben. Das ist bereits bei der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung zu berücksichtigen. 

Um einschneidende Rechtsfolgen für den Geschäftsführer und die Gesellschaft zu vermeiden, sollte bereits zu Beginn der Tätigkeit die Frage der Versicherungspflicht geklärt werden. Hier kann bei der Clearingstelle der DRV Bund ein Anfrageverfahren optional durchgeführt werden. Allerdings muss die Statusfeststellung auch von Amts wegen durch die Krankenkassen eingeleitet werden, wenn diese Kenntnis über die Geschäftsführertätigkeit erlangen (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Das ist regelmäßig bei einer Anmeldung des Geschäftsführers zur Krankenversicherung der Fall. Hierauf sollte u.U. aktiv hingewirkt werden, um rückwirkende Kostenrisiken zu vermeiden. 

Wird eine Klärung versäumt und der Geschäftsführer irrtümlich als nicht sozialversicherungspflichtig beurteilt, haftet die GmbH für die verpassten Beitragszahlungen. Zudem werden hierauf regelmäßig Versäumniszuschläge i.H.v. 1% monatlich erhoben. 

Ändern sich die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft oder werden Rechtspositionen satzungsrechtlich geändert bzw. abbedungen, ist zu prüfen, ob eine erneute Statusklärung ratsam ist. Auch Änderungen in der Sozialgerichtsrechtsprechung, die eine andere Bewertung des Sachverhalts zulassen, sind Anlass für eine erneute Statusprüfung.

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