Autoren
Dr. Ulf Goeke
Datum

25. November 2019

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In einigen chinesischen Städten ist eine umfassende staatliche Überwachung in Form eines sog. Social-Credit-Systems (SCS) etabliert worden, durch das Personen und Unternehmen bestimmter Branchen von staatlicher Seite bewertet werden. Anhand dieser Bewertungen werden Unternehmen sanktioniert oder begünstigt. Bis 2020 soll das Überwachungs- und Bewertungssystem flächendeckend in ganz China eingeführt werden. Doch sind auch in China tätige deutsche Unternehmen von der SCS-Überwachung erfasst? Welche Auswirkungen auf ihre unternehmerische Tätigkeit haben diese jetzt und in Zukunft zu erwarten?

Was ist ein “Social-Credit-System” (SCS)?

Ein SCS ist ein System, in dem Daten von Bürgern und Unternehmen erhoben, gesammelt, analysiert und ausgewertet werden, um daraus ein Profil zu ihrer „Vertrauenswürdigkeit“ zu erstellen. „Vertrauenswürdige“ Unternehmen werden belohnt, während Unternehmen auf einem unteren Rankingplatz mit Sanktionen rechnen müssen. Dabei erfolgt die Datenerhebung durch den chinesischen Staat teils durch eigene Überwachungssysteme und teils durch die Zurverfügungstellung von privaten chinesischen Unternehmen.

Ziel der chinesischen Regierung ist „die Vertrauenswürdigkeit zu fördern und Unzuverlässigkeit zu bestrafen“. Der Begriff der Vertrauenswürdigkeit wird jedoch nicht definiert. Das SCS ist zur effektiven Durchsetzung der chinesischen Marktregeln gedacht, indem es diese mit der Kosten-Nutzen-Kalkulation und den Erfolgschancen der Unternehmen verknüpft. Dadurch fördert das SCS ein IT-gestütztes autoritäres Regierungssystem, in dem staatliche Eingriffe nicht mehr unmittelbar sichtbar sein werden.

Findet das SCS auch auf deutsche Unternehmen, die in China tätig sind, Anwendung?

Laut der Studie „Chinas gesellschaftliches Bonitätssystems“ des „Mercator Institute for China Studies“ (MERICS China Monitor) unterscheidet das aufgestellte System in China nicht zwischen chinesischen und ausländischen Unternehmen. Somit werden sehr wahrscheinlich auch deutsche Unternehmen in das System vollwertig integriert. Bislang betrifft das SCS nur einige Branchen, wie z.B. die Automobil-, Stahl-, Onlinehandel- und Energiebranche. Das volle Ausmaß der Auswirkungen wird daher nicht vor der geplanten Ausweitung des SCS auf alle Branchen ab 2020 zu spüren sein.

Sanktionen und Begünstigungen

Bei Fehlverhalten und Rechtsverstößen haben Unternehmen nicht nur rechtliche Sanktionen, sondern auch die Verschlechterung von Kreditbedingungen, Nachteile in der Auftragsvergabe, geringere Investitionsmöglichkeiten und sogar eingeschränkte Reise- und Karrieremöglichkeiten ihrer Unternehmensvertreter zu befürchten. Während bei natürlichen Personen auch der Verstoß gegen Verkehrsregeln oder die Häufigkeit der Familienbesuche in die Berechnung der Scores einfließen, werden bei Unternehmen nicht bonitätsbezogene Faktoren wie die Einsparung natürlicher Ressourcen, Jahresberichte, Fehlverhalten bei öffentlichen Projekten sowie die Einhaltung unternehmenseigener Verpflichtungen zugrunde gelegt.

Auf Regierungsplattformen können dann u.a. schwarze Listen sowie positive und negative Bewertungen eingesehen werden. Z.B. wird ein Automobilunternehmen, das seine für die Branche gesetzten Innovationsziele nicht erreicht, mit einer schlechten Bewertung bestraft, um somit das Unternehmen zu einem bestimmten, in diesem Falle innovativen, Verhalten zu zwingen.

Rechtslage

Allgemeingültige Definitionen für „Vertrauenswürdigkeit“ und auch „elektronische Daten“ existieren nicht. Es bestehen lediglich ein sog. Planungsentwurf aus dem Jahr 2014, der allgemeine Ziele und Vorgaben enthält, neben anderen spezifischeren Planungsentwürfen. In den Pilotstädten regeln verschiedene kommunale Gesetze die Datenerhebung, Auswertung und das Ranking. Damit ist die Rechtslage gerade für ausländische Unternehmen unberechenbar und unsicher. Für alle Unternehmen, die in China tätig sind oder werden wollen wird damit eine kontinuierliche Überprüfung rechtlicher und politischer Entwicklungen erforderlich.

Datensicherheit

Rund 80 Prozent der erhobenen Daten sind Unternehmensdaten; 75 Prozent der vom Staat erhobenen Daten sind öffentlich zugänglich. Die Verarbeitung findet durch zwei Regierungsplattformen statt. Die Datenerhebung und -übertragung erfolgt unter anderem auch über private Big-Data-Unternehmen wie Alibaba, Baidu oder Tencent an staatliche Stellen und zwar an der Öffentlichkeit vorbei, ohne dass die betroffene Person die Art und Echtheit der Daten, den dahinterstehenden Algorithmus oder die Berechnungsgrundlage für den Score überprüfen kann.

Für deutsche Unternehmen ist daher nicht nur die Intransparenz bzgl. der Art und Quelle der erhobenen Daten problematisch, sondern auch, dass aufgrund der Vielzahl an möglichen Datenerhebungsstellen der Schutz sensibler Daten erschwert wird. Die Daten der Unternehmen sollten hinsichtlich ihrer Sensibilität daher überprüft und ggf. mit geeigneten Schutzmaßnahmen gesichert werden.

Was müssen deutsche Unternehmen beachten?

Es ist damit zu rechnen, dass bei der geplanten flächendeckenden Einführung des SCS bis zum Jahr 2020 auch weiterhin keine Unterscheidung zwischen chinesischen und ausländischen Unternehmen getroffen wird. Zwar könnte das Gesetz über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen zwischen China und Deutschland (deutsch-chinesischer Investitionsschutzvertrag) Schutz für deutsche Unternehmen bieten. Wie weit der Schutz reicht und ob er insbesondere auch in den Fällen eines benachteiligenden Rankings aufgrund falscher Daten oder eines Datendiebstahls greift, wird aufgrund der nicht nachvollziehbaren Algorithmen und auch der intransparenten Datenverarbeitung für den Einzelfall ermittelt werden müssen. Daher sollten deutsche Unternehmen sich präventiv auf den Fall der Anwendbarkeit des SCS vorbereiten und insbesondere folgende Informations- sowie Schutzmaßnahmen ergreifen:

  • Know-How-Schutz: Einstufung sensibler Daten sowie Treffen von effizienten Schutzmaßnahmen vor Datendiebstahl und -missbrauch,
  • Regelmäßige Überprüfung der Rechtslage, rechtlichen Änderungen, kommunaler Vorgaben sowie lokaler unternehmerischer Gepflogenheiten,
  • Analyse der Punkte im Unternehmen, die in den Bewertungsscore einfließen (könnten),
  • Überprüfung der Vorgaben für Jahresberichte und insbesondere auch der Einhaltung selbstgesetzter Ziele und Verpflichtungen und
  • Regelmäßige Überprüfung der aufgestellten Bewertung und des Rankings auf den einzelnen Plattformen.

Im Ergebnis …

… ist sehr wahrscheinlich, dass das chinesische SCS auch auf in China tätige deutsche Unternehmen Anwendung findet. Aufgrund der bisherigen Pilotphase, einem mangelhaften Rechtsschutzsystem und Unklarheiten hinsichtlich der Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -verwertung im Rating-System stellt das SCS derzeit ein großes wirtschaftliches Risiko für deutsche Unternehmen in China dar. Präventive Kenntnisverschafffung über zukünftige rechtliche Entwicklungen sowie das vorsorgliche Ergreifen von Schutzmaßnahmen v.a. bezogen auf Know-how sind Maßnahmen, die jedes dort tätige Unternehmen ergreifen sollte.

Das chinesische Social-Credit-System (SCS): Anwendbarkeit auf in China tätige deutsche Unternehmen

In einigen chinesischen Städten ist eine umfassende staatliche Überwachung in Form eines sog. Social-Credit-Systems (SCS) etabliert worden, durch das Personen und Unternehmen bestimmter Branchen von staatlicher Seite bewertet werden. Anhand dieser Bewertungen werden Unternehmen sanktioniert oder begünstigt. Bis 2020 soll das Überwachungs- und Bewertungssystem flächendeckend in ganz China eingeführt werden. Doch sind auch in China tätige deutsche Unternehmen von der SCS-Überwachung erfasst? Welche Auswirkungen auf ihre unternehmerische Tätigkeit haben diese jetzt und in Zukunft zu erwarten?

Was ist ein “Social-Credit-System” (SCS)?

Ein SCS ist ein System, in dem Daten von Bürgern und Unternehmen erhoben, gesammelt, analysiert und ausgewertet werden, um daraus ein Profil zu ihrer „Vertrauenswürdigkeit“ zu erstellen. „Vertrauenswürdige“ Unternehmen werden belohnt, während Unternehmen auf einem unteren Rankingplatz mit Sanktionen rechnen müssen. Dabei erfolgt die Datenerhebung durch den chinesischen Staat teils durch eigene Überwachungssysteme und teils durch die Zurverfügungstellung von privaten chinesischen Unternehmen.

Ziel der chinesischen Regierung ist „die Vertrauenswürdigkeit zu fördern und Unzuverlässigkeit zu bestrafen“. Der Begriff der Vertrauenswürdigkeit wird jedoch nicht definiert. Das SCS ist zur effektiven Durchsetzung der chinesischen Marktregeln gedacht, indem es diese mit der Kosten-Nutzen-Kalkulation und den Erfolgschancen der Unternehmen verknüpft. Dadurch fördert das SCS ein IT-gestütztes autoritäres Regierungssystem, in dem staatliche Eingriffe nicht mehr unmittelbar sichtbar sein werden.

Findet das SCS auch auf deutsche Unternehmen, die in China tätig sind, Anwendung?

Laut der Studie „Chinas gesellschaftliches Bonitätssystems“ des „Mercator Institute for China Studies“ (MERICS China Monitor) unterscheidet das aufgestellte System in China nicht zwischen chinesischen und ausländischen Unternehmen. Somit werden sehr wahrscheinlich auch deutsche Unternehmen in das System vollwertig integriert. Bislang betrifft das SCS nur einige Branchen, wie z.B. die Automobil-, Stahl-, Onlinehandel- und Energiebranche. Das volle Ausmaß der Auswirkungen wird daher nicht vor der geplanten Ausweitung des SCS auf alle Branchen ab 2020 zu spüren sein.

Sanktionen und Begünstigungen

Bei Fehlverhalten und Rechtsverstößen haben Unternehmen nicht nur rechtliche Sanktionen, sondern auch die Verschlechterung von Kreditbedingungen, Nachteile in der Auftragsvergabe, geringere Investitionsmöglichkeiten und sogar eingeschränkte Reise- und Karrieremöglichkeiten ihrer Unternehmensvertreter zu befürchten. Während bei natürlichen Personen auch der Verstoß gegen Verkehrsregeln oder die Häufigkeit der Familienbesuche in die Berechnung der Scores einfließen, werden bei Unternehmen nicht bonitätsbezogene Faktoren wie die Einsparung natürlicher Ressourcen, Jahresberichte, Fehlverhalten bei öffentlichen Projekten sowie die Einhaltung unternehmenseigener Verpflichtungen zugrunde gelegt.

Auf Regierungsplattformen können dann u.a. schwarze Listen sowie positive und negative Bewertungen eingesehen werden. Z.B. wird ein Automobilunternehmen, das seine für die Branche gesetzten Innovationsziele nicht erreicht, mit einer schlechten Bewertung bestraft, um somit das Unternehmen zu einem bestimmten, in diesem Falle innovativen, Verhalten zu zwingen.

Rechtslage

Allgemeingültige Definitionen für „Vertrauenswürdigkeit“ und auch „elektronische Daten“ existieren nicht. Es bestehen lediglich ein sog. Planungsentwurf aus dem Jahr 2014, der allgemeine Ziele und Vorgaben enthält, neben anderen spezifischeren Planungsentwürfen. In den Pilotstädten regeln verschiedene kommunale Gesetze die Datenerhebung, Auswertung und das Ranking. Damit ist die Rechtslage gerade für ausländische Unternehmen unberechenbar und unsicher. Für alle Unternehmen, die in China tätig sind oder werden wollen wird damit eine kontinuierliche Überprüfung rechtlicher und politischer Entwicklungen erforderlich.

Datensicherheit

Rund 80 Prozent der erhobenen Daten sind Unternehmensdaten; 75 Prozent der vom Staat erhobenen Daten sind öffentlich zugänglich. Die Verarbeitung findet durch zwei Regierungsplattformen statt. Die Datenerhebung und -übertragung erfolgt unter anderem auch über private Big-Data-Unternehmen wie Alibaba, Baidu oder Tencent an staatliche Stellen und zwar an der Öffentlichkeit vorbei, ohne dass die betroffene Person die Art und Echtheit der Daten, den dahinterstehenden Algorithmus oder die Berechnungsgrundlage für den Score überprüfen kann.

Für deutsche Unternehmen ist daher nicht nur die Intransparenz bzgl. der Art und Quelle der erhobenen Daten problematisch, sondern auch, dass aufgrund der Vielzahl an möglichen Datenerhebungsstellen der Schutz sensibler Daten erschwert wird. Die Daten der Unternehmen sollten hinsichtlich ihrer Sensibilität daher überprüft und ggf. mit geeigneten Schutzmaßnahmen gesichert werden.

Was müssen deutsche Unternehmen beachten?

Es ist damit zu rechnen, dass bei der geplanten flächendeckenden Einführung des SCS bis zum Jahr 2020 auch weiterhin keine Unterscheidung zwischen chinesischen und ausländischen Unternehmen getroffen wird. Zwar könnte das Gesetz über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen zwischen China und Deutschland (deutsch-chinesischer Investitionsschutzvertrag) Schutz für deutsche Unternehmen bieten. Wie weit der Schutz reicht und ob er insbesondere auch in den Fällen eines benachteiligenden Rankings aufgrund falscher Daten oder eines Datendiebstahls greift, wird aufgrund der nicht nachvollziehbaren Algorithmen und auch der intransparenten Datenverarbeitung für den Einzelfall ermittelt werden müssen. Daher sollten deutsche Unternehmen sich präventiv auf den Fall der Anwendbarkeit des SCS vorbereiten und insbesondere folgende Informations- sowie Schutzmaßnahmen ergreifen:

  • Know-How-Schutz: Einstufung sensibler Daten sowie Treffen von effizienten Schutzmaßnahmen vor Datendiebstahl und -missbrauch,
  • Regelmäßige Überprüfung der Rechtslage, rechtlichen Änderungen, kommunaler Vorgaben sowie lokaler unternehmerischer Gepflogenheiten,
  • Analyse der Punkte im Unternehmen, die in den Bewertungsscore einfließen (könnten),
  • Überprüfung der Vorgaben für Jahresberichte und insbesondere auch der Einhaltung selbstgesetzter Ziele und Verpflichtungen und
  • Regelmäßige Überprüfung der aufgestellten Bewertung und des Rankings auf den einzelnen Plattformen.

Im Ergebnis …

… ist sehr wahrscheinlich, dass das chinesische SCS auch auf in China tätige deutsche Unternehmen Anwendung findet. Aufgrund der bisherigen Pilotphase, einem mangelhaften Rechtsschutzsystem und Unklarheiten hinsichtlich der Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -verwertung im Rating-System stellt das SCS derzeit ein großes wirtschaftliches Risiko für deutsche Unternehmen in China dar. Präventive Kenntnisverschafffung über zukünftige rechtliche Entwicklungen sowie das vorsorgliche Ergreifen von Schutzmaßnahmen v.a. bezogen auf Know-how sind Maßnahmen, die jedes dort tätige Unternehmen ergreifen sollte.

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