Bundesarbeitsgericht vom 30. Januar 2024 – 3 AZR 144/23
Fakten: Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich am 30.01.2024 damit, ob die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag festlegen können, dass neu vereinbarte tarifliche Entgeltbestandteile nicht zum betriebsrentenfähigen Entgelt einer früheren durch Gesamtzusage eingeführten Versorgungsordnung zählen. Geklagt hatte ein Betriebsrentner, der tarifvertragliche Zulagen bei der Berechnung seiner Betriebsrente berücksichtigt wissen wollte.
Betriebsrentenzusagen sind oft so ausgestaltet, dass die Höhe der Vergütung der Arbeitnehmer für die Berechnung der Versorgungsleistung maßgeblich ist. Spätere Änderungen des Vergütungssystems durch Tarifverträge können sich folglich auf das betriebsrentenfähige Entgelt und damit auf die Höhe der Pensionsverbindlichkeiten des Arbeitgebers auswirken. Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob im Tarifvertrag neu vereinbarte Entgeltkomponenten betriebsrentenfähig im Sinne der bestehenden Versorgungsordnung sind. Der Tarifvertrag sah ausdrücklich vor, dass Zulagen nicht zum betriebsrentenfähigen Entgelt zählen.
Entscheidung: Das BAG hatte die Berufungsentscheidung des LAG Hamm vom 01.12.2022 – 4 Sa 1060/21 zu überprüfen. Das LAG Hamm ging davon aus, dass die Zulagen bei der Berechnung der Betriebsrente zu berücksichtigen sind. Den Tarifvertragsparteien fehle die Kompetenz, eine bestehende Gesamtzusage inhaltlich zu ändern. Des Weiteren argumentierte das LAG mit einem Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht des Arbeitgebers. Danach haben die Parteien alles zu unterlassen, was den Eintritt des Leistungserfolgs und die Verwirklichung des Vertragszwecks gefährden oder vereiteln könnte. Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien das betriebsrentenfähige Grundentgelt über die Jahre nur in sehr geringem Maße, die neuen Entgeltkomponenten deutlich stärker angehoben. Dadurch hätten die Tarifvertragsparteien die Gehaltsentwicklung systematisch zu Lasten der Versorgungsberechtigten ausgehöhlt. Das LAG gab daher dem Betriebsrentner recht. Die Arbeitgeberin muss die neu vereinbarten Entgeltbestandteile als betriebsrentenfähiges Entgelt berücksichtigen.
Folgen der Entscheidung: Das BAG entschied zugunsten der Arbeitgeberin und hob das Urteil des LAG Hamm auf. Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Aus dem Entscheidungstenor ist abzuleiten, dass das BAG womöglich von einer tarifvertragsoffenen Gestaltung von Gesamtzusagen ausgeht und die Möglichkeit anerkennt, die Betriebsrentenfähigkeit von Vergütungsbestandteilen direkt im Vergütungstarifvertrag wirksam zu vereinbaren.
Der Ausgang des Urteils lässt daher darauf schließen, dass nach dem BAG Möglichkeiten bestehen, Tarifverträge so zu gestalten, dass mit Entgelterhöhungen oder zusätzlichen Entgeltbestandteilen nicht zwangsläufig auch Betriebsrentenansprüche aus bestehenden Versorgungszusagen erhöht werden.
Hinweise für die Praxis: Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, bei sämtlichen Änderungen der Vergütung, sei es durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuellen Abreden, an die Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung zu denken.
Bei neuen Tarifrunden zur Vergütung empfiehlt es sich, Regelungen zur Behandlung der tariflichen Entgeltbestandteile in den Tarifvertrag aufzunehmen. Insbesondere wenn bestehende Versorgungszusagen nicht auf tarifvertraglichen Regelungen beruhen. Durch entsprechende Gestaltung der Tarifverträge oder Änderung der Versorgungszusage lässt sich das Risiko ungewollter wirtschaftlicher Nachteile durch Erhöhung der Pensionsverbindlichkeiten vermeiden. Die konkrete Formulierung der Regelungen muss rechtlich präzise und im Einklang mit der bestehenden Rechtsprechung erfolgen. Kleinigkeiten in der Formulierung können den Unterschied machen.