Autoren
Kristof Röder
Datum

09. Dezember 2019

Diesen Beitrag teilen

Der BGH hat in einem Urteil vom 06.06.2019 (Az. IX ZR 272/17) einen in der Insolvenzpraxis recht häufig vorkommenden Fall entgegengesetzt zu seiner erst vor sechs Jahren entwickelten Rechtsprechung (Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12) entschieden.

In beiden Fällen kam es zur Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit eines Kassenarztes im Insolvenzverfahren nach § 35 Abs. 2 InsO. Die laufenden Ansprüche des Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung waren vor Insolvenzeröffnung in beiden Fällen zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten worden. Der BGH hatte sich jeweils mit der konkreten Frage auseinanderzusetzen, ob die abgetretenen Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der erklärten Freigabe ihre Wirksamkeit wiedererlangt haben und dadurch der Zessionar berechtigt war, die gesamten Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung ab der Freigabe einzuziehen.

Bisherige Rechtsprechungspraxis

Bis vor der Änderung seiner Rechtssprechungspraxis vertrat der BGH die Ansicht, dass bei der Freigabe einer selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO eine Abtretung in Folge Konvaleszenz gem. § 185 Abs. 2 InsO ihre Wirksamkeit wiedererlangt und somit der Zessionar die ihm abgetretenen Forderungen nach Freigabe der selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit wieder einziehen durfte. Das Verbot nach § 91 InsO stände dem Aufleben der Abtretung nicht entgegen.

Die Kehrtwende: Wiederaufleben der Abretung bis zum Ende des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen

In dem aktuellen Urteil wendet sich der BGH von seiner erst sechs Jahre alten Rechtsprechung ab und macht eine 180 Grad Kehrtwendung.

Entgegen seiner bisherigen Rechtsauffassung stehe § 91 InsO dem Aufleben der Abtretung nach Freigabe einer selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens entgegen und verdränge § 185 Abs. 2 InsO mit der Folge, dass ein Wiederaufleben der Abtretung in Folge Konvaleszenz bis zum Ende des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen ist.

Der BGH argumentiert in seinem Urteil mit dem Sinn und Zweck der Freigabe einer selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit und stellt klar, dass das während der Freigabe neu erwirtschaftete Vermögen gerade nicht den Alt-Insolvenzgläubigern zugutekommen soll. Insoweit beschränkt sich der Anspruch der Alt-Insolvenzgläubiger auf die Zahlungen, die der Schuldner aus dem freigegebenen Geschäftsbetrieb laufend an die Insolvenzmasse abzuführen hat. Vor diesem Hintergrund muss auch eine Abtretung vor Insolvenzeröffnung weiterhin durch § 91 InsO geblockt sein.

Die Freigabe ändert hieran nichts. Denn die Freigabe soll lediglich bewirken, dass sich der Insolvenzverwalter nicht mehr im Detail um die wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners zu kümmern hat. Wirksamkeit erlangt die Abtretung daher erst mit Beendigung des Insolvenzverfahren, da mit Beendigung des Insolvenzverfahrens auch die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO endigt.

Folgen für die Praxis

Sofern Zessionare auch nach Freigabe der selbstständigen bzw. freiberuflichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners weiterhin Zugriff auf die Forderungen haben wollen, sind Sie aufgrund der Rechtsprechungsänderung des BGH jetzt darauf angewiesen, nach Freigabe der selbstständigen Tätigkeit eine neue Forderungsabtretung mit dem Insolvenzschuldner zu vereinbaren.

Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit einer Abtretung als Sicherheit ist bei der Risikoabschätzung durch den Zessionar nunmehr allgemein zu berücksichtigen, dass solche Abtretungen im Insolvenzfall auch nach der Freigabe einer selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nicht ihre Wirksamkeit zurückerlangen.

Für Insolvenzschuldner stellt sich diese Rechtsprechungsänderung positiv dar und wird in vielen Fällen bedeuten, dass der Fortgang des Insolvenzverfahrens für die Insolvenzschuldner von Vorteil ist, um über einen möglichst langen Zeitraum den Schutz von § 35 Abs. 2 und § 91 InsO zu genießen und somit eine Beendigung möglichst lange hinausgezögert werden sollte.

Wirksamkeit der Abtretung von Vergütungsforderungen aus selbstständiger und freiberuflicher Tätigkeit während eines Insolvenzverfahrens

Der BGH hat in einem Urteil vom 06.06.2019 (Az. IX ZR 272/17) einen in der Insolvenzpraxis recht häufig vorkommenden Fall entgegengesetzt zu seiner erst vor sechs Jahren entwickelten Rechtsprechung (Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12) entschieden.

In beiden Fällen kam es zur Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit eines Kassenarztes im Insolvenzverfahren nach § 35 Abs. 2 InsO. Die laufenden Ansprüche des Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung waren vor Insolvenzeröffnung in beiden Fällen zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten worden. Der BGH hatte sich jeweils mit der konkreten Frage auseinanderzusetzen, ob die abgetretenen Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der erklärten Freigabe ihre Wirksamkeit wiedererlangt haben und dadurch der Zessionar berechtigt war, die gesamten Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung ab der Freigabe einzuziehen.

Bisherige Rechtsprechungspraxis

Bis vor der Änderung seiner Rechtssprechungspraxis vertrat der BGH die Ansicht, dass bei der Freigabe einer selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO eine Abtretung in Folge Konvaleszenz gem. § 185 Abs. 2 InsO ihre Wirksamkeit wiedererlangt und somit der Zessionar die ihm abgetretenen Forderungen nach Freigabe der selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit wieder einziehen durfte. Das Verbot nach § 91 InsO stände dem Aufleben der Abtretung nicht entgegen.

Die Kehrtwende: Wiederaufleben der Abretung bis zum Ende des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen

In dem aktuellen Urteil wendet sich der BGH von seiner erst sechs Jahre alten Rechtsprechung ab und macht eine 180 Grad Kehrtwendung.

Entgegen seiner bisherigen Rechtsauffassung stehe § 91 InsO dem Aufleben der Abtretung nach Freigabe einer selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens entgegen und verdränge § 185 Abs. 2 InsO mit der Folge, dass ein Wiederaufleben der Abtretung in Folge Konvaleszenz bis zum Ende des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen ist.

Der BGH argumentiert in seinem Urteil mit dem Sinn und Zweck der Freigabe einer selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeit und stellt klar, dass das während der Freigabe neu erwirtschaftete Vermögen gerade nicht den Alt-Insolvenzgläubigern zugutekommen soll. Insoweit beschränkt sich der Anspruch der Alt-Insolvenzgläubiger auf die Zahlungen, die der Schuldner aus dem freigegebenen Geschäftsbetrieb laufend an die Insolvenzmasse abzuführen hat. Vor diesem Hintergrund muss auch eine Abtretung vor Insolvenzeröffnung weiterhin durch § 91 InsO geblockt sein.

Die Freigabe ändert hieran nichts. Denn die Freigabe soll lediglich bewirken, dass sich der Insolvenzverwalter nicht mehr im Detail um die wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners zu kümmern hat. Wirksamkeit erlangt die Abtretung daher erst mit Beendigung des Insolvenzverfahren, da mit Beendigung des Insolvenzverfahrens auch die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO endigt.

Folgen für die Praxis

Sofern Zessionare auch nach Freigabe der selbstständigen bzw. freiberuflichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners weiterhin Zugriff auf die Forderungen haben wollen, sind Sie aufgrund der Rechtsprechungsänderung des BGH jetzt darauf angewiesen, nach Freigabe der selbstständigen Tätigkeit eine neue Forderungsabtretung mit dem Insolvenzschuldner zu vereinbaren.

Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit einer Abtretung als Sicherheit ist bei der Risikoabschätzung durch den Zessionar nunmehr allgemein zu berücksichtigen, dass solche Abtretungen im Insolvenzfall auch nach der Freigabe einer selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nicht ihre Wirksamkeit zurückerlangen.

Für Insolvenzschuldner stellt sich diese Rechtsprechungsänderung positiv dar und wird in vielen Fällen bedeuten, dass der Fortgang des Insolvenzverfahrens für die Insolvenzschuldner von Vorteil ist, um über einen möglichst langen Zeitraum den Schutz von § 35 Abs. 2 und § 91 InsO zu genießen und somit eine Beendigung möglichst lange hinausgezögert werden sollte.

Footer Mood