Kurz vor Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 wurde eine regelrechte „Abmahnwelle“ befürchtet. Bei Verstößen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) können wettbewerbsrechtliche Abmahnungen ausgesprochen werden. Höchst umstritten und noch nicht entschieden ist die äußerst aktuelle Frage, ob auch bei Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung durch Mitbewerber nach dem UWG erfolgen darf. Es werden zwar viele unterschiedliche Ansichten zu der Problematik vertreten; entschieden ist die Frage allerdings noch nicht. Welcher Handlungsbedarf bei einer erhaltenen Abmahnung besteht, erläutert dieser Beitrag.
Betroffenenrechte der DSGVO abschließend?
Ausgangspunk des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Betroffenenrechte in Kapitel 8 (Art. 77 ff.) der DSGVO abschließend sind und deswegen die Anwendbarkeit der Regelungen aus dem UWG ausscheidet. Der Anwendungsvorrang spricht für die Bejahung dieser Frage: Unionrecht geht gegenüber nationalem Recht immer vor. Zudem seien nach einer Ansicht die Rechte in Art. 77 ff. DSGVO spezieller, sodass ein Rückgriff auf allgemeinere Regelungen nicht vorgenommen werden kann. Für die Abmahnfähigkeit wird das Argument vorgebracht, sowohl DSGVO als auch UWG seien auf Verbraucherschutz ausgerichtet.
Dagegen kann jedoch eingewendet werden, dass sich der Schutzzweck der DSGVO vor allem auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Allgemeinen und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Besonderen bezieht; der Schutz vor unlauterem Wettbewerb ist jedoch nicht bezweckt.
DSGVO-Regelungen als „marktverhaltensregelnde“ Normen
Würde man die abschließende Wirkung der Betroffenenrechte der DSGVO bejahen, müsste für die Erteilung einer Abmahnung die DSGVO-Regelung, gegen die verstoßen wurde, eine marktverhaltensregelnde Norm i.S.d. § 3a UWG darstellen. Dies ist jedoch nur bei Normen der Fall, die zumindest auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Im Gegensatz dazu stellen Regelungen, die lediglich Individual- oder Allgemeininteressen schützen, keine Marktverhaltensregelungen dar. Während einige die Qualifikation der DSGVO generell als marktverhaltensregelnd bejahen oder verneinen, befürworten andere eine vermittelnde Einzelfallbetrachtung, bei der die marktverhaltensregelnde Eigenschaft für jede Regelung der DSGVO einzeln festgestellt werden muss.
Bislang keine Entscheidung der Frage von höchster Stelle
In Betracht kommt eine Abmahnung insbesondere bei einem Mangel einer Datenschutzerklärung oder ihrer Unvollständigkeit bzw. Fehlerhaftigkeit. Zu der Frage, ob DSGVO-Verstöße über das UWG abmahnfähig sind, trafen deutsche Gerichte mehrere Entscheidungen mit unterschiedlichen Ansichten. Während das LG Würzburg (Beschl. v. 13.9.2018, Az.: 11 O 1741/18 UWG) und das OLG Hamburg entschieden, dass DSGVO-Verstöße wettbewerbsrechtlich abmahnfähig seien, wurden gegenteilige Urteile des LG Bochum, LG Wiesbaden und LG Magdeburg (Urt. v. 18.1.2019, Az.: 36 O 48/18) erlassen.
Um die europarechtliche Frage jedoch entscheiden zu können, müsste der EuGH sie beantworten. In der Rechtssache Fashion ID (Schlussanträge des Generalanwalts v. 19.12.2018, Az.: C-40/17) hat der Generalanwalt diese Frage in seinen Schlussanträgen jedoch ausdrücklich offengelassen. Ob der EuGH in seinem Urteil dazu Stellung nehmen wird, bleibt abzuwarten. Auch eine Stellungnahme der Europäischen Kommission (v. 03.10.2018, Question reference: E-004117/2018) beantwortete die Frage nicht hinreichend.
Gesetzgeber sieht Einschränkungsbedarf
Trotz des – bis dato – überwiegenden Ausbleibens der befürchteten Abmahnwelle soll nach dem Willen der Bundesregierung eine „Eindämmung von Abmahnmissbrauch“ durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ erfolgen. Laut dem Regierungsentwurf vom 15.05.2019 sollen Anforderungen an die Klagebefugnis erhöht, finanzielle Anreize verringert und mehr Transparenz sowie vereinfachte Möglichkeiten zur Geltendmachung von Gegenansprüchen geschaffen werden.
Aus dem Entwurf geht außerdem hervor, dass der Gesetzgeber wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auch bei DSGVO-Verstößen als zulässig erachtet. In der geplanten Änderung des § 13 Abs. 4 Nr. 2 n.F. UWG sollen Abmahnungen bei „sonstigen Verstößen“ gegen die DSGVO nicht zu einem Anspruch auf Aufwendungsersatz für den Abmahnenden führen; im Umkehrschluss müssen derartige Abmahnungen wegen „sämtlicher Datenschutzverstöße“ dann möglich sein.
Handlungsbedarf bei Abmahnungen
Ob sich die Ansicht der Bundesregierung durchsetzt, der Regierungsentwurf beschlossen wird und der EuGH sich für diese Ansicht entscheidet, bleibt abzuwarten. Sollten Sie eine Abmahnung von einem Mitbewerber erhalten, besteht unabhängig von der Frage der Abmahnfähigkeit nach dem UWG Handlungsbedarf. Abmahnungen können u.a. aus folgenden Gründen zurückgewiesen werden:
- formelle Fehler
- zu hohe Kostenerstattungspflicht für Aufwendungen vorgegeben
- fehlende Anspruchsberechtigung
- keine Abmahnfähigkeit bestimmter Verstöße.
Sie sollten diese daher detailliert von einem Anwalt prüfen lassen und ggf. abhängig von der Entwicklung der Rechtslage weitere rechtliche Schritte einleiten.