Bundesgerichtshof vom 23. April 2024 – II ZR 99/22, NZG 2024, 1077
Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat mit Entscheidung vom 23. April 2024 die (Rechtmäßigkeits-)Voraussetzungen für die Vereinbarung eines (nachvertraglichen) Wettbewerbsverbots nochmals bekräftigt und hierbei eine weitere Regelungsmöglichkeit zur Sicherung des Anspruchs des Unternehmens bzw. zur Wahrung der Interessen des Unternehmens bestätigt.
(Nachvertragliche) Wettbewerbsverbotsklauseln finden sich in nahezu jedem Geschäftsführer- und Vorstandsdienstvertrag sowie regelmäßig in Arbeitsverträgen von Schlüsselpositionen; auch in sonstigen Arbeitsverträgen werden sie häufig zur Abschreckung implementiert.
Nachvertragliche Wettbewerbsklauseln sind ein wichtiger Bestandteil zum Schutz des Know-hows des Unternehmens. Jedoch stehen sie im Konflikt zwischen dem Interesse des Unternehmens und dem über Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Geschäftsführers oder Arbeitnehmers an der freien Wahl seiner Tätigkeit sowie seines Arbeitsplatzes.
Typischerweise verbietet das nachvertragliche Wettbewerbsverbot dem Betroffenen im Anschluss seines Dienst-/Beschäftigungsverhältnisses für einen gewissen Zeitraum auf einem bestimmten Gebiet (beim Wettbewerber) tätig zu werden. Hierbei sind zum Schutz des Betroffenen enge Grenzen zu beachten. Das Verbot muss zeitlich, räumlich und sachlich begrenzt sowie für den Betroffenen transparent und einfach verständlich sein. Zur wirksamen Verankerung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sind abhängig vom konkreten Einzelfall verschiedene Anforderungen zu beachten, die von einem Rechtskundigen individuell auszuarbeiten sind. Maßgeblich ist dabei „eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere des mit dem Wettbewerbsverbot verfolgten Zwecks“.
Ein stark vereinfachtes und verallgemeinertes Beispiel wäre etwa:
- Nach Beendigung dieses Vertrags ist es dem Arbeitnehmer untersagt, bei einem dritten Unternehmen, das mit dem Unternehmen in Wettbewerb steht, für die Dauer von 12 Monaten tätig zu werden („nachvertragliches Wettbewerbsverbot“).
- Das Wettbewerbsverbot begrenzt sich auf Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, die zum Zeitpunkt der Beendigung dieses Vertrags im selben Tätigkeitsfeld des Unternehmens tätig sind.
Damit das (nachvertragliche) Wettbewerbsverbot kein zahnloser Tiger bleibt, sollte es mit einer Vertragsstrafe verbunden werden. Als Formulierung kommt beispielsweise folgendes in Betracht: „Verstößt der Arbeitnehmer gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot, ist er verpflichtet, eine Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts zu zahlen.“ Vorteil einer konkreten Vertragsstrafe ist grundsätzlich, dass für das Unternehmen lästige und schwierige Beweisantritte zum Schaden unterbleiben können und die Höhe aufgrund der Vertragsstrafe transparent feststeht.
Damit ein vereinbartes Wettbewerbsverbot wirksam ist, werden regelmäßig weitere Regelungen gefordert. Eine Regelung bei Arbeitnehmern ist die Vereinbarung einer sogenannten Karrenzentschädigung.
Hiernach hat der Arbeitnehmer für den Zeitraum des nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eine monetäre Entschädigung zu erhalten. Die Höhe der Entschädigung ist eine Verhandlungssache zwischen den Parteien, wobei üblicherweise zwischen 50 Prozent (orientiert an § 74 Abs. 2 HGB) bis zu 70 Prozent des letzten Bruttolohns vereinbart werden. Auch hier sind die Einzelheiten sehr umstritten, da der Arbeitnehmerschutz bzw. der Schutz des Arbeitnehmers zur Wahl seiner Tätigkeit (sog. Berufsausübungsfreiheit) sehr hoch gehängt wird. Interessanterweise fordert der BGH bei einem Geschäftsführer grundsätzlich keine Karenzentschädigung, was sich auf Vorstandsdienstverträge bei Aktiengesellschaften übertragen lässt. Dies gilt sowohl für den Gesellschafter-Geschäftsführer als grundsätzlich auch für den Fremdgeschäftsführer.
Der BGH hat nun im April 2024 unter anderem entschieden, dass vertragliche Regelungen, nach denen ein (ehemaliger) Geschäftsführer zur Rückzahlung der Karenzentschädigung für Zeiträume verpflichtet ist, in denen er die Entschädigung erhalten hat, aber tatsächlich gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat, wirksam sein können.
Hierbei ist zu beachten, dass bei dem zugrundliegenden Sachverhalt ein Geschäftsführer klagte und kein schutzwürdiger(er) Arbeitnehmer, sodass die sog. AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht angewandt wurde. Der BGH entschied, dass eine Klausel, die einen rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorsieht, nicht unbillig ist. Die hier maßgebliche Ziffer der Klausel lautete:
„Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot aus § 6.3 führt weiterhin zum Wegfall der Karenzentschädigung ex tunc; bereits gezahlte Teile der Karenzentschädigung wird [der Beklagte] an die Gesellschaft zurückzahlen.“
[Anmerkung: Ex tunc bedeutet „von Anfang an“]
Leitgedanke dieser Entscheidung ist, dass bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer nicht zwingend eine Karenzentschädigung vereinbart werden muss und daher auch dessen Wegfall oder die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht grundsätzlich unbillig sein kann (anders bei Arbeitnehmern). Der Geschäftsführer versuchte sich damit zu verteidigen, dass das Unternehmen die Karenzentschädigung ohnehin zu zahlen hätte und er darauf „als Einkommen“ gebaut habe. Diese Argumente können – so der BGH – nicht greifen, da (i) das Unternehmen nicht hätte zahlen müssen, wenn es gewusst hätte, dass der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat und (ii) die Karrenzentschädigung kein Einkommen darstellt und er hinreichend transparent in der Regelung hat erkennen können, wann er die Entschädigung erhält und wann nicht.
Auch zuvor wurde bereits (z. B. vom OLG Köln) entschieden, dass bei einer berechtigten, außerordentlichen Kündigung (mit außerordentlichem Kündigungsgrund) ein Anspruch auf eine Karenzentschädigung (nachträglich) wegfallen kann. Jedoch öffnet diese Entscheidung des BGH nunmehr das Tor, endlich rechtssichere und transparente Rückzahlungsklauseln zu entwerfen und zu vereinbaren.
Folgen der Entscheidung
Anhand der neustens bestätigten Vorgaben des BGH sind Wettbewerbsverbote nunmehr „leicht“ zu vereinbaren und die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einzuhalten. Hierbei sollte der Bogen jedoch nicht überspannt werden, denn weiterhin muss das Ziel des Unternehmens der Schutz des Know-how im Vergleich zu den berechtigten Interessens des Arbeitnehmers bzw. Geschäftsführers stehen.
Praxistipp
Die Entscheidung hat für die Vertragsgestaltung höchste Praxisrelevanz und sollte zukünftig sowohl von Unternehmen als auch von Geschäftsführern und Arbeitnehmern berücksichtigt werden. Den Unternehmen wird ein weiteres Mittel an die Hand gegeben, ihr Know-how bestmöglich zu schützen, was bereits im Vertrag vereinbart werden muss.