Oberlandesgericht Hamm vom 19. Juni 2023 – 8 U 177/22
Fakten
Vinkulierungsklauseln sind Bestimmungen, die verwendet werden, um die Übertragbarkeit von Anteilen an einer Gesellschaft zu regeln. Im Venture Capital dienen diese Klauseln dazu, die Interessen der Investoren zu schützen und den Gesellschafterbestand zu erhalten. Sie schützen zudem die Gesellschaft vor einer Überfremdung, indem sie die Übertragung von Gesellschafteranteilen erschweren oder ausschließen. Es ist wichtig zu beachten, dass Vinkulierungsklauseln sowohl für Investoren als auch für Unternehmer vor- und nachteilhaft sein können. Während sie das Potenzial haben, den Investoren eine gewisse Kontrolle über ihre Investition zu geben, können sie zugleich auch die Flexibilität der Unternehmer einschränken. In der Praxis besteht die Gefahr, dass die vereinbarten Vinkulierungsklauseln Schlupflöcher bieten und umgangen werden. Diese Thematik ist auch Gegenstand der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Hamm.
Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich damit, inwiefern ein geschlossener Rahmenvertrag zwischen einem Stamm einer GmbH & Co. KG mit einem Dritten gegen die Vinkulierungsklausel in deren Gesellschaftsvertrag verstoßen könnte. An der GmbH & Co. KG waren mehrere Gesellschafterstämme, hinter denen Familienmitglieder sowie Abkömmlinge standen, beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafter bedarf. Eine Zustimmung war aber insbesondere dann nicht erforderlich, wenn die Übertragung zu Gunsten einer nachfolgeberechtigten Person erfolgt. Nachfolgeberechtigte Personen wiederum sind laut Gesellschaftsvertrag die Abkömmlinge des betroffenen Gesellschafters.
Die Mitglieder des einen Stammes schlossen mit einem Dritten, einer Gesellschaft der K.-Gruppe, eine Rahmenvereinbarung, wonach diese eine mittelbare Beteiligung an der GmbH & Co. KG erwerben sollte. Der Rahmenvertrag sah vor, dass der Stamm eine Tranche seiner Anteile zunächst an eine Vorratsgesellschaft überträgt, die zuvor jeweils von einem der Abkömmlinge erworben wurde. Im Anschluss überträgt der jeweilige Abkömmling seine Anteile an der Vorratsgesellschaft an K. Die GmbH & Co. KG wehrte sich daraufhin gegen die vorgesehene Anteilsübertragung, die eine mittelbare Beteiligung an der GmbH & Co. KG zur Folge hat.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht stufte bereits die Übertragung der Anteile auf die Vorratsgesellschaft als abredewidrig ein, obwohl die Anteile von den Abkömmlingen gehalten wurden und die Übertragung deswegen laut Gesellschaftsvertrag eigentlich zustimmungsfrei erfolgen konnte. Eine zustimmungsfreie Übertragung der Anteile setze laut dem Gericht jedoch voraus, dass die Abkömmlinge einen beherrschenden Einfluss in der Vorratsgesellschaft ausüben würden. Nach dem vereinbarten Rahmenvertrag wären sie bei der Ausübung ihrer Stimmrechte in den Vorratsgesellschaften jedoch an die Weisungen der K. gebunden.
Darüber hinaus stellte das Oberlandesgericht klar, dass die GmbH & Co. KG mit ihrer Vinkulierungsklausel im Gesellschaftsvertrag den Zweck verfolgte, familienfremden Dritten keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft zukommen zu lassen. Problematisch war in dem Fall jedoch, ob die Vinkulierungsklausel auch eine mittelbare Anteilsübertragung erfasst. Durch Auslegung des Vertrages war zu ermitteln, ob die Vinkulierungsklausel es gebietet, Veränderungen im mittelbaren Gesellschafterkreis ohne Beachtung des Zustimmungserfordernisses zu unterlassen. Das Oberlandesgericht kam zu der Entscheidung, dass das abgeschlossene Geschäft von den Mitgesellschaftern nicht toleriert werden musste. Der Abschluss des Vertrages stellt eine Verletzung von Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag dar, wenn dies nach dem durch Auslegung ermittelten Inhalt der Vinkulierungsklausel verboten sein soll.
Folgen der Entscheidung
Im konkreten Fall verhinderte das Oberlandesgericht die Umgehung der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Vinkulierungsklausel und stellte dabei klar, dass eine nicht vom Sinn und Zweck des Gesellschaftsvertrags gedeckte Übertragung zustimmungsfrei nicht möglich ist. Das Urteil behandelt einen speziellen Einzelfall, ist aber trotzdem insbesondere für den Bereich von Familienunternehmen, deren Gesellschafter selbst Gesellschaften sind, relevant. Gleichwohl unterstreicht das Gericht in seinem Urteil die Bedeutung der Vinkulierungsklauseln und deren konkrete inhaltliche Ausgestaltung.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, bei der Schaffung von Vinkulierungsklauseln auf die konkrete Ausgestaltung der Klausel zu achten. Insgesamt sind Vinkulierungsklauseln im Venture Capital eine bedeutende rechtliche Vereinbarung, die dem Schutz der Interessen der Investoren sowie der Stabilität des Unternehmens dienen. Es empfiehlt sich deshalb, sich ausgiebig mit den genauen Bedingungen und Auswirkungen der Vinkulierungsklausel vertraut zu machen, um sicherzustellen, dass alle Parteien von der Vereinbarung profitieren und keine Schlupflöcher vorhanden sind.