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Datum

17. Oktober 2024

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Sachverhalt

Im Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.06.2024 – Az. 8 AZR 91/22) verlangte der Kläger, ein langjähriger Koch, von seinem Arbeitgeber Auskunft über seine personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 DSGVO. Dies betraf insbesondere die Dokumentation von Entscheidungen zur Versetzung und Abmahnungen, die in seiner Personalakte vermerkt waren. Konkret forderte der Kläger den Arbeitgeber in einem Schreiben vom 22. Juli 2019 auf, ihm bis zum 26. August 2019 vollständige Informationen über die Betriebsratsanhörung und -zustimmung zur Versetzung sowie über die ihm erteilte Abmahnung zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber reagierte darauf und übermittelte dem Kläger am 23. August 2019 verschiedene Dokumente, darunter Kopien der Betriebsratsanhörung und -zustimmung sowie eine Stellungnahme zu der Abmahnung. Dennoch war der Kläger der Ansicht, dass die ihm zur Verfügung gestellten Informationen nicht ausreichten und er nach wie vor keinen vollständigen Überblick über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten habe. Deshalb machte er gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO immateriellen Schadenersatz geltend und forderte 8.000 Euro. Er begründete diesen Anspruch damit, dass er durch die unzureichende und verzögerte Auskunft in seinem Recht auf Information und Kontrolle über seine personenbezogenen Daten verletzt worden sei.

In den Vorinstanzen entschied das Arbeitsgericht zunächst gegen den Kläger, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hingegen änderte dieses Urteil teilweise ab und sprach ihm einen Schadenersatz in Höhe von 2.000 Euro zu. Daraufhin legten beide Parteien Revision ein: Der Kläger begehrte eine höhere Entschädigung, während der Arbeitgeber eine vollständige Zurückweisung der Klage forderte.

Entscheidung

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitgebers und wies die Klage des Klägers auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO ab. Das Gericht betonte, dass der Anspruch auf Schadenersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht bereits durch die bloße Verletzung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO begründet sei. Vielmehr sei Voraussetzung, dass der Kläger einen konkreten immateriellen Schaden darlege und nachweise. Das BAG stellte klar, dass es sich beim Schadenersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO um eine Ausgleichsfunktion handele und dass für einen immateriellen Schaden kein spezifischer Grad an Erheblichkeit erforderlich sei. Jedoch sei ein Schaden erforderlich, der tatsächlich entstanden und darlegbar sei.

Dabei verweist das BAG auf die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der festgelegt hat, dass der Anspruch auf Schadenersatz nur dann besteht, wenn ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt und dieser Verstoß kausal zu einem Schaden geführt hat. Ein immaterieller Schaden müsse substantiell dargelegt werden und über hypothetische Risiken hinausgehen. Das Gericht führte hierzu aus, dass der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten zwar grundsätzlich einen immateriellen Schaden darstellen könne, dies jedoch konkreter Darlegungen bedarf, die über ein rein theoretisches Risiko hinausgehen. Der Kläger hätte also darlegen müssen, dass ihm durch die unterbliebene oder verspätete Auskunft tatsächlich ein Schaden entstanden sei, beispielsweise durch ein objektiv erhöhtes Missbrauchsrisiko seiner Daten.

Das BAG stellte weiter klar, dass bloße negative Emotionen wie Ärger, Unmut oder Unsicherheit, wie sie der Kläger vorgebracht hatte, für die Annahme eines immateriellen Schadens nicht genügen. Es seien vielmehr objektive Maßstäbe anzulegen, die eine konkret nachvollziehbare und substantiierte Schädigung erkennen lassen müssten. Der Kläger argumentierte zudem, er habe die Kontrolle über seine personenbezogenen Daten verloren, da er keine vollständige Übersicht über deren Verarbeitung erhalten habe. Das Gericht hielt diese Argumentation jedoch für unzureichend und führte aus, dass ein allgemeiner Kontrollverlust nicht ausreichend sei, um einen eigenständigen immateriellen Schaden zu begründen.

Das BAG stellte fest, dass es durch die bloße Verletzung des Auskunftsanspruchs keine erhöhte Gefahr des Missbrauchs der personenbezogenen Daten des Klägers gegeben habe, wie dies etwa bei einem Datenleck der Fall wäre. Da der Kläger auch keine weiteren, konkreten Umstände dargelegt habe, die ein tatsächliches Missbrauchsrisiko der Daten begründet hätten, wurde seine Klage abgewiesen.

Konsequenzen

Die Entscheidung des BAG hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis. Sie unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die Darlegung und den Nachweis eines immateriellen Schadens im Kontext von Datenschutzverstößen gestellt werden. Arbeitnehmer, die auf der Grundlage von Art. 82 DSGVO immateriellen Schadenersatz geltend machen wollen, müssen konkret darlegen, dass ihnen durch die Verletzung des Auskunftsanspruchs ein Schaden entstanden ist, der über ein allgemeines Unbehagen oder hypothetische Risiken hinausgeht. Ein bloßer „Kontrollverlust“ über personenbezogene Daten oder die Befürchtung eines zukünftigen Missbrauchs reicht hierfür nicht aus.

Diese Entscheidung ist insbesondere für Arbeitgeber relevant, da sie verdeutlicht, dass eine verspätete oder unvollständige Auskunftserteilung zwar den Auskunftsanspruch verletzt, aber nicht zwangsläufig zu einem Schadenersatzanspruch führt. Arbeitgeber müssen sich jedoch weiterhin bewusst sein, dass Auskunftsersuchen gemäß Art. 15 DSGVO sorgfältig und vollständig beantwortet werden sollten, um Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Entscheidung stärkt die Position der Unternehmen in Bezug auf DSGVO-Schadenersatzansprüche und schafft Klarheit darüber, dass Schadenersatz nur gewährt wird, wenn ein tatsächlicher, konkret nachvollziehbarer Schaden vorliegt.

Diese Entscheidung des BAG hat somit Präzedenzcharakter für zukünftige Verfahren, in denen immaterieller Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO aufgrund von verspäteten oder unvollständigen Auskünften eingefordert wird, und ist wegweisend für die Anforderungen an die Darlegung eines konkreten Schadens im Rahmen datenschutzrechtlicher Klagen.

BAG, Urteil vom 20.06.2024 – Az. 8 AZR 91/22

Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO bei fehlerhafter Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO – BAG setzt hohe Hürden für immateriellen Schadensnachweis

Sachverhalt

Im Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.06.2024 – Az. 8 AZR 91/22) verlangte der Kläger, ein langjähriger Koch, von seinem Arbeitgeber Auskunft über seine personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 DSGVO. Dies betraf insbesondere die Dokumentation von Entscheidungen zur Versetzung und Abmahnungen, die in seiner Personalakte vermerkt waren. Konkret forderte der Kläger den Arbeitgeber in einem Schreiben vom 22. Juli 2019 auf, ihm bis zum 26. August 2019 vollständige Informationen über die Betriebsratsanhörung und -zustimmung zur Versetzung sowie über die ihm erteilte Abmahnung zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber reagierte darauf und übermittelte dem Kläger am 23. August 2019 verschiedene Dokumente, darunter Kopien der Betriebsratsanhörung und -zustimmung sowie eine Stellungnahme zu der Abmahnung. Dennoch war der Kläger der Ansicht, dass die ihm zur Verfügung gestellten Informationen nicht ausreichten und er nach wie vor keinen vollständigen Überblick über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten habe. Deshalb machte er gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO immateriellen Schadenersatz geltend und forderte 8.000 Euro. Er begründete diesen Anspruch damit, dass er durch die unzureichende und verzögerte Auskunft in seinem Recht auf Information und Kontrolle über seine personenbezogenen Daten verletzt worden sei.

In den Vorinstanzen entschied das Arbeitsgericht zunächst gegen den Kläger, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hingegen änderte dieses Urteil teilweise ab und sprach ihm einen Schadenersatz in Höhe von 2.000 Euro zu. Daraufhin legten beide Parteien Revision ein: Der Kläger begehrte eine höhere Entschädigung, während der Arbeitgeber eine vollständige Zurückweisung der Klage forderte.

Entscheidung

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitgebers und wies die Klage des Klägers auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO ab. Das Gericht betonte, dass der Anspruch auf Schadenersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht bereits durch die bloße Verletzung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO begründet sei. Vielmehr sei Voraussetzung, dass der Kläger einen konkreten immateriellen Schaden darlege und nachweise. Das BAG stellte klar, dass es sich beim Schadenersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO um eine Ausgleichsfunktion handele und dass für einen immateriellen Schaden kein spezifischer Grad an Erheblichkeit erforderlich sei. Jedoch sei ein Schaden erforderlich, der tatsächlich entstanden und darlegbar sei.

Dabei verweist das BAG auf die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der festgelegt hat, dass der Anspruch auf Schadenersatz nur dann besteht, wenn ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt und dieser Verstoß kausal zu einem Schaden geführt hat. Ein immaterieller Schaden müsse substantiell dargelegt werden und über hypothetische Risiken hinausgehen. Das Gericht führte hierzu aus, dass der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten zwar grundsätzlich einen immateriellen Schaden darstellen könne, dies jedoch konkreter Darlegungen bedarf, die über ein rein theoretisches Risiko hinausgehen. Der Kläger hätte also darlegen müssen, dass ihm durch die unterbliebene oder verspätete Auskunft tatsächlich ein Schaden entstanden sei, beispielsweise durch ein objektiv erhöhtes Missbrauchsrisiko seiner Daten.

Das BAG stellte weiter klar, dass bloße negative Emotionen wie Ärger, Unmut oder Unsicherheit, wie sie der Kläger vorgebracht hatte, für die Annahme eines immateriellen Schadens nicht genügen. Es seien vielmehr objektive Maßstäbe anzulegen, die eine konkret nachvollziehbare und substantiierte Schädigung erkennen lassen müssten. Der Kläger argumentierte zudem, er habe die Kontrolle über seine personenbezogenen Daten verloren, da er keine vollständige Übersicht über deren Verarbeitung erhalten habe. Das Gericht hielt diese Argumentation jedoch für unzureichend und führte aus, dass ein allgemeiner Kontrollverlust nicht ausreichend sei, um einen eigenständigen immateriellen Schaden zu begründen.

Das BAG stellte fest, dass es durch die bloße Verletzung des Auskunftsanspruchs keine erhöhte Gefahr des Missbrauchs der personenbezogenen Daten des Klägers gegeben habe, wie dies etwa bei einem Datenleck der Fall wäre. Da der Kläger auch keine weiteren, konkreten Umstände dargelegt habe, die ein tatsächliches Missbrauchsrisiko der Daten begründet hätten, wurde seine Klage abgewiesen.

Konsequenzen

Die Entscheidung des BAG hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis. Sie unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die Darlegung und den Nachweis eines immateriellen Schadens im Kontext von Datenschutzverstößen gestellt werden. Arbeitnehmer, die auf der Grundlage von Art. 82 DSGVO immateriellen Schadenersatz geltend machen wollen, müssen konkret darlegen, dass ihnen durch die Verletzung des Auskunftsanspruchs ein Schaden entstanden ist, der über ein allgemeines Unbehagen oder hypothetische Risiken hinausgeht. Ein bloßer „Kontrollverlust“ über personenbezogene Daten oder die Befürchtung eines zukünftigen Missbrauchs reicht hierfür nicht aus.

Diese Entscheidung ist insbesondere für Arbeitgeber relevant, da sie verdeutlicht, dass eine verspätete oder unvollständige Auskunftserteilung zwar den Auskunftsanspruch verletzt, aber nicht zwangsläufig zu einem Schadenersatzanspruch führt. Arbeitgeber müssen sich jedoch weiterhin bewusst sein, dass Auskunftsersuchen gemäß Art. 15 DSGVO sorgfältig und vollständig beantwortet werden sollten, um Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Entscheidung stärkt die Position der Unternehmen in Bezug auf DSGVO-Schadenersatzansprüche und schafft Klarheit darüber, dass Schadenersatz nur gewährt wird, wenn ein tatsächlicher, konkret nachvollziehbarer Schaden vorliegt.

Diese Entscheidung des BAG hat somit Präzedenzcharakter für zukünftige Verfahren, in denen immaterieller Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO aufgrund von verspäteten oder unvollständigen Auskünften eingefordert wird, und ist wegweisend für die Anforderungen an die Darlegung eines konkreten Schadens im Rahmen datenschutzrechtlicher Klagen.

BAG, Urteil vom 20.06.2024 – Az. 8 AZR 91/22

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