Autoren
Dr. Dennis Ehrlich, Konstantin Salz
Datum

28. August 2023

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1. Einleitung

Gerät eine Gesellschaft in eine wirtschaftliche Schieflage, so kommen zwangsläufig Überlegungen der Gesellschafter, bestehende Beteiligungen vor Eintritt der materiellen Insolvenzreife zu veräußern und damit eine übertragende Sanierung voranzutreiben. Aus Käufersicht ist diese Konstellation interessant, weil die Möglichkeit besteht, dass aufgrund der wirtschaftlichen Not des Verkäufers im Rahmen eines Fire Sales ein geringer Kaufpreis verhandelt werden kann. Was jedoch auf dem ersten Blick wie ein günstiges Geschäft aussieht, kann für den Käufer schnell  problematisch werden. Rutscht der Verkäufer in die Insolvenz, so wird der Insolvenzverwalter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untersuchen, ob der Unternehmenskauf anfechtbar ist und ob diese Vorteile für die Insolvenzmasse mit sich bringt. Eine Anfechtung kann dabei drastische Konsequenzen für den Käufer haben. Dieser Blogbeitrag soll daher Gestaltungsmöglichkeiten für den Kauf eines in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Unternehmens aufzeigen, die das Anfechtungsrisiko verringern können.

2. Anfechtungstatbestände

Bei einem Unternehmenskauf kommen unterschiedliche Anfechtungstatbestände in Betracht. Zunächst ist an § 130 InsO (kongruente Deckung) und § 131 InsO (inkongruente Deckung) zu denken. Beide Vorschriften erfassen regelmäßig allein das Verfügungsgeschäft, also die Abtretung der Geschäftsanteile. Da der Verkäufer die Geschäftsanteile in aller Regel Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung abtritt, ist der Tatbestand der kongruenten Deckung gem. § 130 I Nr. 1 InsO praktisch relevanter. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfügung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde, der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte, wobei auch fahrlässige Unkenntnis ausreichend ist.

Daneben kommt die Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen gem. § 132 InsO in Betracht. Im Gegensatz zu den §§ 130, 131 InsO ermöglicht § 132 InsO auch die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts, und zwar dann, wenn das Verpflichtungsgeschäft die Insolvenzgläubiger benachteiligt und in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag abgeschlossen worden ist, der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte oder hätte kennen müssen.

Zuletzt kann die Anfechtung auf § 133 InsO (vorsätzliche Benachteiligung) gestützt werden. § 133 InsO ermöglicht die Anfechtung von Rechtshandlungen, die bis zu zehn Jahre vor Antragstellung vorgenommen wurden. Allerdings ist dafür erforderlich, dass der Schuldner die Handlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu schädigen und der andere Teil (Käufer) diesen Vorsatz kannte oder kennen musste.

3. Rechtsfolgen einer Anfechtung

Die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Anfechtung bestehen in der Verpflichtung zur Rückgewähr des durch die angefochtene Handlung bzw. Rechtsgeschäfts Erlangten. An dieser Stelle muss differenziert werden: 

Wird das Verpflichtungsgeschäft – der Unternehmenskaufvertrag – angefochten, so muss der Käufer die erhaltenen Geschäftsanteile zurückgewähren. Im Gegenzug erhält er einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Hierbei handelt es sich um eine Masseforderung, die grundsätzlich in voller Höhe an den Käufer ausgekehrt werden muss (§ 144 Abs. 2 S. 1 InsO). Dies gilt aber nur, wenn der geleistete Kaufpreis noch in der Masse vorliegt und von dieser zu unterscheiden ist. Insbesondere die zweite Voraussetzung wird regelmäßig nicht erfüllt sein, mit der Folge, dass dem Käufer lediglich eine einfache Insolvenzforderung zusteht (§ 144 Abs. 2 S. 2 InsO).

Wird das Verfügungsgeschäft – die Abtretung der Geschäftsanteile gegen Zahlung des Kaufpreises – angefochten, so hat der Käufer ebenfalls die Geschäftsanteile zurückzugewähren. Gleichzeitig lebt seine ursprüngliche Forderung, der Anspruch auf Übertragung des Unternehmens wieder auf. Dieser Anspruch ist eine einfache Insolvenzforderung, die gem. § 45 InsO in Geld umgewandelt wird. Somit kommt es in beiden Konstellationen zu dem für den Käufer unbefriedigendem Ergebnis, dass er die Geschäftsanteile zurückgewähren muss und der Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung nur in Höhe der Insolvenzquote erfüllt wird.

4. Gestaltungsmaßnahmen für einen anfechtungsfesten Unternehmenskauf

Um das beschriebene und nicht zu vernachlässigende Risiko einer Insolvenzanfechtung zu minimieren, sollten die Unternehmenskäufer die folgenden Ausführungen beachten:

Der Käufer muss sicherstellen, dass er bei Abschluss des Rechtsgeschäfts und zum Zeitpunkt der Übertragung der Geschäftsanteile keine Kenntnis von einer materielle Insolvenzreife der Zielgesellschaft hat und dies im Insolvenzfall darlegen können. Dafür bietet sich die Verwendung von Verkäufergarantien an, in welchen der Verkäufer versichert, nicht insolvenzreif zu sein. Ergänzend kann vor dem Unternehmenskauf ein Gutachten über die wirtschaftliche Situation des Verkäufers eingeholt werden, welches die fehlende Insolvenzreife bestätigt. Hat der Käufer keine Kenntnis über die Insolvenzreife, so scheiden die meisten Insolvenzanfechtungstatbestände aus.

Das wohl wirksamste Instrument, um die Anfechtungsrisiken des Share Deals zu verringern, ist die Einhaltung der Voraussetzungen des Bargeschäftsprivilegs gem. § 142 InsO. Als sichere Gestaltungsform ist ein fester Kaufpreis vorzugswürdig, welcher Zug um Zug gegen Abtretung der Geschäftsanteile zum Closing fällig wird. Um das Risiko nicht zu erhöhen, sollte auf Kaufpreisanpassungsklauseln, Earn-out-Regelungen, Sicherungseinbehalte, Treuhänderabwicklungen, die Übernahme bzw. Anrechnung von Verbindlichkeiten etc. verzichtet werden. Sind die Voraussetzungen des Bargeschäftsprivilegs erfüllt, so kommt lediglich eine Absichtsanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht, welche jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft wird.

Weiterhin muss beachtet werden, dass sich die ausgetauschten Leistungen gleichwertig gegenüberstehen. Auf diese Weise kann eine Gläubigerbenachteiligung vermieden werden, welche immanenter Bestandteil eines jeden Anfechtungstatbestandes ist. Somit sollte der Kaufpreis nicht zu niedrig angesetzt werden. Wer in dieser Hinsicht hohe Sicherheit haben will, sollte die Bewertung der Geschäftsanteile einer Wirtschaftsprüfergesellschaft überlassen, um die Wertangemessenheit zu dokumentieren und um dann diese Bewertung dem Kaufvertrag zugrunde legen.

5. Fazit

Es hat sich gezeigt, dass es für den Käufer durchaus möglich ist, das Anfechtungsrisiko beim Unternehmenskauf von einem in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Unternehmen gering zu halten. Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Folgen einer Anfechtung erscheint es empfehlenswert, die wirtschaftliche Not des Verkäufers nicht dahingehend auszunutzen, einen unangemessen niedrigen Kaufpreis zu vereinbaren. So kann ein Geschäft abgeschlossen werden, welches sich für alle Parteien lohnt.

Reduzierung insolvenzrechtlicher Anfechtungsrisiken im Distressed M&A

1. Einleitung

Gerät eine Gesellschaft in eine wirtschaftliche Schieflage, so kommen zwangsläufig Überlegungen der Gesellschafter, bestehende Beteiligungen vor Eintritt der materiellen Insolvenzreife zu veräußern und damit eine übertragende Sanierung voranzutreiben. Aus Käufersicht ist diese Konstellation interessant, weil die Möglichkeit besteht, dass aufgrund der wirtschaftlichen Not des Verkäufers im Rahmen eines Fire Sales ein geringer Kaufpreis verhandelt werden kann. Was jedoch auf dem ersten Blick wie ein günstiges Geschäft aussieht, kann für den Käufer schnell  problematisch werden. Rutscht der Verkäufer in die Insolvenz, so wird der Insolvenzverwalter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untersuchen, ob der Unternehmenskauf anfechtbar ist und ob diese Vorteile für die Insolvenzmasse mit sich bringt. Eine Anfechtung kann dabei drastische Konsequenzen für den Käufer haben. Dieser Blogbeitrag soll daher Gestaltungsmöglichkeiten für den Kauf eines in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Unternehmens aufzeigen, die das Anfechtungsrisiko verringern können.

2. Anfechtungstatbestände

Bei einem Unternehmenskauf kommen unterschiedliche Anfechtungstatbestände in Betracht. Zunächst ist an § 130 InsO (kongruente Deckung) und § 131 InsO (inkongruente Deckung) zu denken. Beide Vorschriften erfassen regelmäßig allein das Verfügungsgeschäft, also die Abtretung der Geschäftsanteile. Da der Verkäufer die Geschäftsanteile in aller Regel Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung abtritt, ist der Tatbestand der kongruenten Deckung gem. § 130 I Nr. 1 InsO praktisch relevanter. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfügung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde, der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte, wobei auch fahrlässige Unkenntnis ausreichend ist.

Daneben kommt die Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen gem. § 132 InsO in Betracht. Im Gegensatz zu den §§ 130, 131 InsO ermöglicht § 132 InsO auch die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts, und zwar dann, wenn das Verpflichtungsgeschäft die Insolvenzgläubiger benachteiligt und in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag abgeschlossen worden ist, der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte oder hätte kennen müssen.

Zuletzt kann die Anfechtung auf § 133 InsO (vorsätzliche Benachteiligung) gestützt werden. § 133 InsO ermöglicht die Anfechtung von Rechtshandlungen, die bis zu zehn Jahre vor Antragstellung vorgenommen wurden. Allerdings ist dafür erforderlich, dass der Schuldner die Handlung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu schädigen und der andere Teil (Käufer) diesen Vorsatz kannte oder kennen musste.

3. Rechtsfolgen einer Anfechtung

Die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Anfechtung bestehen in der Verpflichtung zur Rückgewähr des durch die angefochtene Handlung bzw. Rechtsgeschäfts Erlangten. An dieser Stelle muss differenziert werden: 

Wird das Verpflichtungsgeschäft – der Unternehmenskaufvertrag – angefochten, so muss der Käufer die erhaltenen Geschäftsanteile zurückgewähren. Im Gegenzug erhält er einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Hierbei handelt es sich um eine Masseforderung, die grundsätzlich in voller Höhe an den Käufer ausgekehrt werden muss (§ 144 Abs. 2 S. 1 InsO). Dies gilt aber nur, wenn der geleistete Kaufpreis noch in der Masse vorliegt und von dieser zu unterscheiden ist. Insbesondere die zweite Voraussetzung wird regelmäßig nicht erfüllt sein, mit der Folge, dass dem Käufer lediglich eine einfache Insolvenzforderung zusteht (§ 144 Abs. 2 S. 2 InsO).

Wird das Verfügungsgeschäft – die Abtretung der Geschäftsanteile gegen Zahlung des Kaufpreises – angefochten, so hat der Käufer ebenfalls die Geschäftsanteile zurückzugewähren. Gleichzeitig lebt seine ursprüngliche Forderung, der Anspruch auf Übertragung des Unternehmens wieder auf. Dieser Anspruch ist eine einfache Insolvenzforderung, die gem. § 45 InsO in Geld umgewandelt wird. Somit kommt es in beiden Konstellationen zu dem für den Käufer unbefriedigendem Ergebnis, dass er die Geschäftsanteile zurückgewähren muss und der Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung nur in Höhe der Insolvenzquote erfüllt wird.

4. Gestaltungsmaßnahmen für einen anfechtungsfesten Unternehmenskauf

Um das beschriebene und nicht zu vernachlässigende Risiko einer Insolvenzanfechtung zu minimieren, sollten die Unternehmenskäufer die folgenden Ausführungen beachten:

Der Käufer muss sicherstellen, dass er bei Abschluss des Rechtsgeschäfts und zum Zeitpunkt der Übertragung der Geschäftsanteile keine Kenntnis von einer materielle Insolvenzreife der Zielgesellschaft hat und dies im Insolvenzfall darlegen können. Dafür bietet sich die Verwendung von Verkäufergarantien an, in welchen der Verkäufer versichert, nicht insolvenzreif zu sein. Ergänzend kann vor dem Unternehmenskauf ein Gutachten über die wirtschaftliche Situation des Verkäufers eingeholt werden, welches die fehlende Insolvenzreife bestätigt. Hat der Käufer keine Kenntnis über die Insolvenzreife, so scheiden die meisten Insolvenzanfechtungstatbestände aus.

Das wohl wirksamste Instrument, um die Anfechtungsrisiken des Share Deals zu verringern, ist die Einhaltung der Voraussetzungen des Bargeschäftsprivilegs gem. § 142 InsO. Als sichere Gestaltungsform ist ein fester Kaufpreis vorzugswürdig, welcher Zug um Zug gegen Abtretung der Geschäftsanteile zum Closing fällig wird. Um das Risiko nicht zu erhöhen, sollte auf Kaufpreisanpassungsklauseln, Earn-out-Regelungen, Sicherungseinbehalte, Treuhänderabwicklungen, die Übernahme bzw. Anrechnung von Verbindlichkeiten etc. verzichtet werden. Sind die Voraussetzungen des Bargeschäftsprivilegs erfüllt, so kommt lediglich eine Absichtsanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht, welche jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft wird.

Weiterhin muss beachtet werden, dass sich die ausgetauschten Leistungen gleichwertig gegenüberstehen. Auf diese Weise kann eine Gläubigerbenachteiligung vermieden werden, welche immanenter Bestandteil eines jeden Anfechtungstatbestandes ist. Somit sollte der Kaufpreis nicht zu niedrig angesetzt werden. Wer in dieser Hinsicht hohe Sicherheit haben will, sollte die Bewertung der Geschäftsanteile einer Wirtschaftsprüfergesellschaft überlassen, um die Wertangemessenheit zu dokumentieren und um dann diese Bewertung dem Kaufvertrag zugrunde legen.

5. Fazit

Es hat sich gezeigt, dass es für den Käufer durchaus möglich ist, das Anfechtungsrisiko beim Unternehmenskauf von einem in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Unternehmen gering zu halten. Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Folgen einer Anfechtung erscheint es empfehlenswert, die wirtschaftliche Not des Verkäufers nicht dahingehend auszunutzen, einen unangemessen niedrigen Kaufpreis zu vereinbaren. So kann ein Geschäft abgeschlossen werden, welches sich für alle Parteien lohnt.

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