Autoren
Jens Neldner, Mara Wellens
Datum

19. Februar 2024

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Das OLG Hamburg stärkt in seinem Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24 die Position von Arbeitgebern gegenüber Plattformen im Falle (unberechtigter) negativer Bewertungen. Der Arbeitgeber kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber – in diesem Fall kununu – den Verfasser der Bewertung ihm gegenüber nicht individualisiert. Weder datenschutzrechtliche Einwände oder der Vorwand des Rechtsmissbrauchs stehen dieser Auffassung entgegen.

I. Was ist passiert?

Die Antragsstellerin begehrte die Löschung zweier negativer Bewertungen auf dem Portal kununu, da sie die Echtheit der Bewertungen anzweifelte. In den Bewertungen wurden z.B. folgende Aussagen über die Antragstellerin getroffen:

„Es wird drauf geachtet die Belegschaft überdurchschnittlich jung zu halten. Es macht den Anschein, ältere Mitarbeiter mit Lebens- Arbeitserfahrung seien unerwünscht.“ und „Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten Tag bekommt man ein paar Dokument[e], die man sich auf eigene Faust aneignen soll[,] und dann wird bitte losgelegt“.

Die Antragsgegnerin wies die Forderung zurück und forderte die Antragstellerin im Gegenzug dazu auf, substantiiert dazulegen, dass es sich tatsächlich um falsche Tatsachenbehauptungen handelt. Dem kam die Antragsstellerin jedoch nicht nach, sodass kununu die Bewertung nicht löschte. Daraufhin wandte sich Kununu an die Verfasser und bat um Nachweise, die die Echtheit der Bewertung belegen können. Kununu erhielt infolgedessen anonymisierte Tätigkeitsnachweise.

Das Landgericht Hamburg (Beschl. v. 08.01.2024 – 324 O 559/23) wies den Antrag in der Vorinstanz zurück, da es überzeugt war, dass anonymisierte Nachweise ausreichen, die Echtheit der Bewertungen zu belegen. Hiergegen wehrte sich die Antragsstellerin nun erfolgreich.

II. Die Entscheidung des OLG Hamburg

Das OLG Hamburg entschied mit Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24, dass die Plattformbetreiberin die Zugänglichmachung der beanstandeten Bewertungen unterlassen muss. Bei Zweifeln an der Echtheit der Bewertung müsse die Plattformbetreiberin Bewertungen entweder löschen oder die Identität der verfassenden Person offenlegen.

Das Gericht stützt seine Entscheidung primär darauf, dass ein Arbeitgeber sich schlechten Bewertungen nicht einfach ausgesetzt sehen muss, sondern ein Recht darauf hat, nachzuvollziehen, ob die bewertende Person tatsächlich in einem geschäftlichen Kontakt mit ihm stand. Insbesondere könne sich die Protalbetreiberin nicht darauf berufen, selbst eine Überprüfung der Echtheit der Bewertung vorgenommen zu haben, denn dies würde den Bewerteten gegenüber einer solchen Behauptung letztlich wehrlos stellen.

Die Antragsgegnerin argumentierte, dass der Antragsstellerin bereits aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl möglich sei die Echtheit der Bewertung zu überprüfen. Dieser Ansicht folgte das OLG nicht. Es argumentierte vielmehr, dass es auch für einen kleinen Arbeitgeber nur möglich sei, konkrete Gegebenheiten zu überprüfen, wenn ihm die kritikübende Person bekannt sei.

Auch der Einwand, die Antragsstellerin handle rechtsmissbräuchlich, weil sie eine Vielzahl von Bewertungen, jeweils auf die gleiche Argumentation gestützt, angreife, überzeugte das Gericht nicht. So sei es für den Arbeitgeber gerade nicht auszuschließen, dass eine Vielzahl nicht auf konkreten Kontakten beruhenden Bewertungen eingestellt wurden. Die Überprüfungspflicht der Echtheit der Bewertungen trifft insofern den Betreiber eines solchen Bewertungsportals.

Auch datenschutzrechtliche Einwände der Antragsgegnerin ließ das Gericht nicht gelten. Es überwiege das Interesse des Bewerteten zu klären, ob überhaupt ein geschäftlicher Kontakt bestanden hat, gegenüber dem Interesse des Verfassers, anonym zu bleiben. Auch das Verfahren nach § 21 Abs. 2 bis 4 TTDSG ändere an dieser Wertung nichts. Letztlich trägt der Verbreiter folglich das Risiko, ob er den Urheber namhaft machen darf, kann oder will. Sofern der Betreiber die Identität des Verfassers nicht mitteilen kann oder will, muss er die Bewertung löschen. Dies entspreche letztlich einer gerechten Risikoverteilung der unternehmerischen Risiken eines Plattformbetreibers.

III. Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis

Der Beschluss des OLG Hamburg zeigt (erneut), dass es sich lohnt gegen negative (anonyme) Bewertungen im Internet vorzugehen. Es handelt sich um eine praxisnahe und erfreuliche Entscheidung, denn häufig stehen (schlecht bewertete) Arbeitgeber den – teils sehr intransparent ausgestalteten – Prüfmechanismen von Plattformen gegenüber. Es darf zudem nicht unterschätzt werden, wieviel Macht (negative) Bewertungen über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens und bei der Suche nach Arbeitnehmern haben können. Heutzutage nutzen viele Arbeitnehmer Bewertungsplattformen, um sich zuvor über einen potentiellen Arbeitgeber zu informieren. Schlechte Bewertungen stellen dann ein realistisches Risiko für Arbeitgeber dar, dass sich ein potentieller Arbeitnehmer erst gar nicht bewirbt oder für einen Wettbewerber entscheidet.

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist daher begrüßenswert und ist eine konsequente Entwicklung der Maßstäbe des BGH (Urteil v. 09.09.2022 – Az. VI ZR 1244/20), welcher klargestellt hat, dass die Rüge des Bewertenden ausreiche, dass kein Gästekontakt bzw. eine Geschäftsbeziehung bestehe oder bestand. Es ist folgerichtig, dass in der Anwendung dieser Maßstäbe weder das Argument des Rechtsmissbrauchs noch datenschutzrechtliche Erwägungen eine übergeordnete Rolle spielen.

Das gilt insbesondere dann, wenn sich ein Arbeitgeber ungerechtfertigten und falschen Anschuldigungen ausgesetzt sieht und anzweifelt, jemals in Kontakt mit der bewertenden Person gewesen zu sein. Die Aufhebung der Anonymität ist – sofern überhaupt technisch möglich – in der Praxis regelmäßig nur mit aufwendigen und langwierigen Verfahren realistisch. Sofern das Gericht auch keinen Rechtsmissbrauch im Rahmen einer Vielzahl von angegriffenen Bewertungen sieht, ist dies folgerichtig. Denn es liegt gerade in Natur von unrichtigen Bewertungen, dass diese im Rahmen einer Kampagne oder über verschiedene „Fake-Accounts“ abgegeben werden.

Die Entscheidung trägt mithin dazu bei, dass sich Arbeitgeber effektiver gegen ungerechtfertigte Bewertungen wehren können und insbesondere Verfasser nicht mit dem Schutz einer völligen Anonymität (durch die Plattform) rechnen dürfen, was in der Praxis häufig dazu führt, dass Übertreibungen, Falschaussagen und ehrverletzende Inhalte über Unternehmen und Personen stattfinden und z.B. durch Wettbewerber oder Interessenvertreter gezielt genutzt wird.


OLG Hamburg: Kununu muss Identität von Verfassern negativer Bewertungen nennen oder die Bewertung löschen

Das OLG Hamburg stärkt in seinem Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24 die Position von Arbeitgebern gegenüber Plattformen im Falle (unberechtigter) negativer Bewertungen. Der Arbeitgeber kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber – in diesem Fall kununu – den Verfasser der Bewertung ihm gegenüber nicht individualisiert. Weder datenschutzrechtliche Einwände oder der Vorwand des Rechtsmissbrauchs stehen dieser Auffassung entgegen.

I. Was ist passiert?

Die Antragsstellerin begehrte die Löschung zweier negativer Bewertungen auf dem Portal kununu, da sie die Echtheit der Bewertungen anzweifelte. In den Bewertungen wurden z.B. folgende Aussagen über die Antragstellerin getroffen:

„Es wird drauf geachtet die Belegschaft überdurchschnittlich jung zu halten. Es macht den Anschein, ältere Mitarbeiter mit Lebens- Arbeitserfahrung seien unerwünscht.“ und „Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten Tag bekommt man ein paar Dokument[e], die man sich auf eigene Faust aneignen soll[,] und dann wird bitte losgelegt“.

Die Antragsgegnerin wies die Forderung zurück und forderte die Antragstellerin im Gegenzug dazu auf, substantiiert dazulegen, dass es sich tatsächlich um falsche Tatsachenbehauptungen handelt. Dem kam die Antragsstellerin jedoch nicht nach, sodass kununu die Bewertung nicht löschte. Daraufhin wandte sich Kununu an die Verfasser und bat um Nachweise, die die Echtheit der Bewertung belegen können. Kununu erhielt infolgedessen anonymisierte Tätigkeitsnachweise.

Das Landgericht Hamburg (Beschl. v. 08.01.2024 – 324 O 559/23) wies den Antrag in der Vorinstanz zurück, da es überzeugt war, dass anonymisierte Nachweise ausreichen, die Echtheit der Bewertungen zu belegen. Hiergegen wehrte sich die Antragsstellerin nun erfolgreich.

II. Die Entscheidung des OLG Hamburg

Das OLG Hamburg entschied mit Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24, dass die Plattformbetreiberin die Zugänglichmachung der beanstandeten Bewertungen unterlassen muss. Bei Zweifeln an der Echtheit der Bewertung müsse die Plattformbetreiberin Bewertungen entweder löschen oder die Identität der verfassenden Person offenlegen.

Das Gericht stützt seine Entscheidung primär darauf, dass ein Arbeitgeber sich schlechten Bewertungen nicht einfach ausgesetzt sehen muss, sondern ein Recht darauf hat, nachzuvollziehen, ob die bewertende Person tatsächlich in einem geschäftlichen Kontakt mit ihm stand. Insbesondere könne sich die Protalbetreiberin nicht darauf berufen, selbst eine Überprüfung der Echtheit der Bewertung vorgenommen zu haben, denn dies würde den Bewerteten gegenüber einer solchen Behauptung letztlich wehrlos stellen.

Die Antragsgegnerin argumentierte, dass der Antragsstellerin bereits aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl möglich sei die Echtheit der Bewertung zu überprüfen. Dieser Ansicht folgte das OLG nicht. Es argumentierte vielmehr, dass es auch für einen kleinen Arbeitgeber nur möglich sei, konkrete Gegebenheiten zu überprüfen, wenn ihm die kritikübende Person bekannt sei.

Auch der Einwand, die Antragsstellerin handle rechtsmissbräuchlich, weil sie eine Vielzahl von Bewertungen, jeweils auf die gleiche Argumentation gestützt, angreife, überzeugte das Gericht nicht. So sei es für den Arbeitgeber gerade nicht auszuschließen, dass eine Vielzahl nicht auf konkreten Kontakten beruhenden Bewertungen eingestellt wurden. Die Überprüfungspflicht der Echtheit der Bewertungen trifft insofern den Betreiber eines solchen Bewertungsportals.

Auch datenschutzrechtliche Einwände der Antragsgegnerin ließ das Gericht nicht gelten. Es überwiege das Interesse des Bewerteten zu klären, ob überhaupt ein geschäftlicher Kontakt bestanden hat, gegenüber dem Interesse des Verfassers, anonym zu bleiben. Auch das Verfahren nach § 21 Abs. 2 bis 4 TTDSG ändere an dieser Wertung nichts. Letztlich trägt der Verbreiter folglich das Risiko, ob er den Urheber namhaft machen darf, kann oder will. Sofern der Betreiber die Identität des Verfassers nicht mitteilen kann oder will, muss er die Bewertung löschen. Dies entspreche letztlich einer gerechten Risikoverteilung der unternehmerischen Risiken eines Plattformbetreibers.

III. Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis

Der Beschluss des OLG Hamburg zeigt (erneut), dass es sich lohnt gegen negative (anonyme) Bewertungen im Internet vorzugehen. Es handelt sich um eine praxisnahe und erfreuliche Entscheidung, denn häufig stehen (schlecht bewertete) Arbeitgeber den – teils sehr intransparent ausgestalteten – Prüfmechanismen von Plattformen gegenüber. Es darf zudem nicht unterschätzt werden, wieviel Macht (negative) Bewertungen über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens und bei der Suche nach Arbeitnehmern haben können. Heutzutage nutzen viele Arbeitnehmer Bewertungsplattformen, um sich zuvor über einen potentiellen Arbeitgeber zu informieren. Schlechte Bewertungen stellen dann ein realistisches Risiko für Arbeitgeber dar, dass sich ein potentieller Arbeitnehmer erst gar nicht bewirbt oder für einen Wettbewerber entscheidet.

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist daher begrüßenswert und ist eine konsequente Entwicklung der Maßstäbe des BGH (Urteil v. 09.09.2022 – Az. VI ZR 1244/20), welcher klargestellt hat, dass die Rüge des Bewertenden ausreiche, dass kein Gästekontakt bzw. eine Geschäftsbeziehung bestehe oder bestand. Es ist folgerichtig, dass in der Anwendung dieser Maßstäbe weder das Argument des Rechtsmissbrauchs noch datenschutzrechtliche Erwägungen eine übergeordnete Rolle spielen.

Das gilt insbesondere dann, wenn sich ein Arbeitgeber ungerechtfertigten und falschen Anschuldigungen ausgesetzt sieht und anzweifelt, jemals in Kontakt mit der bewertenden Person gewesen zu sein. Die Aufhebung der Anonymität ist – sofern überhaupt technisch möglich – in der Praxis regelmäßig nur mit aufwendigen und langwierigen Verfahren realistisch. Sofern das Gericht auch keinen Rechtsmissbrauch im Rahmen einer Vielzahl von angegriffenen Bewertungen sieht, ist dies folgerichtig. Denn es liegt gerade in Natur von unrichtigen Bewertungen, dass diese im Rahmen einer Kampagne oder über verschiedene „Fake-Accounts“ abgegeben werden.

Die Entscheidung trägt mithin dazu bei, dass sich Arbeitgeber effektiver gegen ungerechtfertigte Bewertungen wehren können und insbesondere Verfasser nicht mit dem Schutz einer völligen Anonymität (durch die Plattform) rechnen dürfen, was in der Praxis häufig dazu führt, dass Übertreibungen, Falschaussagen und ehrverletzende Inhalte über Unternehmen und Personen stattfinden und z.B. durch Wettbewerber oder Interessenvertreter gezielt genutzt wird.


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