Autoren
Lena Thau
Datum

22. Dezember 2023

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Das Unterrichtungsschreiben bei einem Betriebsübergang stellt hohe Anforderungen an den Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) schafft nun in seiner Entscheidung vom 29.06.2023 (Az. 2 AZR 326/22) zumindest Klarheit in Bezug darauf, dass eine Information über die Nichtanwendbarkeit von Tarifverträgen bei außertariflichen Arbeitnehmern im Unterrichtungsschreiben nicht notwendig ist.

Sachverhalt

Die Parteien stritten nach erfolgtem Betriebs(teil)übergang gemäß § 613a BGB und Widerspruch des Klägers zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin darüber, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger war außertariflicher Mitarbeiter und kein Gewerkschaftsmitglied. Zudem enthielt sein Arbeitsvertrag keine Bezugnahmeklausel.

Der Kläger arbeitete seit dem Jahr 2004 zunächst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und sodann bei dem beklagten Unternehmen als Referent in der Organisationseinheit „Technology Competence“. Im Dezember 2014 schloss der Konzern, dem die Beklagte angehörte, den Tarifvertrag „TV Switch“, der für tarifgebundenen Arbeitnehmer*innen des Konzerns galt, ab. Des Weiteren wurde in § 1 Abs. 2 TV Switch festgehalten, dass die Anwendung des TV Switch auf außertarifliche Arbeitnehmer der Konzerngesellschaften sichergestellt werde.

Im Jahr 2015 beschloss die Beklagte die bisher selbst erbrachten IT-Service Dienstleistungen ab dem 01.02.2017 auf eine externe Dienstleisterin zu übertragen. In diesem Zug übertrug die Beklagte zudem sämtliche Betriebsmittel der bestehenden Data Center an die externe Dienstleisterin. Sodann erbrachte der Kläger ab dem 01.02.2017 seine Arbeitsleistung bei der externen Dienstleisterin.

Eine Erstreckung des TV Switch auf nichttarifgebundene Arbeitnehmer*innen der Beklagten erfolgte erst nach dem Betriebs(teil)übergang am 14.03.2017.

Über den geplanten Betriebs(teil)übergang unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 02.12.2016 schriftlich. Über zweieinhalb Jahre später, am 13.05.2019, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die externe Dienstleisterin. Der Kläger begründete dies primär damit, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613a Abs. 6 S. 1 BGB aufgrund eines fehlerhaften Unterrichtungsschreibens noch nicht zu laufen begonnen habe. Die Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens ergebe sich insbesondere daraus, dass in dem Unterrichtungsschreiben nicht klar werde, ob die tariflichen Regelungen individualrechtlich oder kollektivrechtlich fortgelten würden.

Das Arbeitsgericht Essen (vgl. 28.11.2019 – 1 Ca 1874/19) wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (vgl. 26.07.2022 – 8 Sa 68/20) gab ihr hingegen statt. Die Beklagte richtet sich mit ihrer Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Das BAG hat der Revision der Beklagten stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehe.

Nach der Ansicht des BAG sei da Unterrichtungsschreiben rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Zudem habe der Kläger nicht mehr wirksam widersprechen können.

Das BAG betont, dass das Unterrichtungsschreiben ordnungsgemäß, klar und verständlich erfolgt sei. Das Unterrichtungsschreiben müsse den Arbeitnehmer dahingehend informieren, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebs(teil)übergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ könne. Dem Arbeitnehmer solle auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden.

Grundsätzlich sei der Arbeitgeber zwar dazu verpflichtet, auch über die Anwendbarkeit tariflicher Normen beim Betriebserwerber und über die Ablösung von beim Betriebsveräußerer geltenden Tarifverträgen zu informieren, allerdings hebt das BAG in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervor, dass die Beklagte gemäß § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB nicht dazu verpflichtet sei, in dem Unterrichtungsschreiben aufzunehmen, dass der TV Switch weder vor noch nach dem Betriebsübergang auf außertarifliche Arbeitnehmer Anwendung finde. Die vage Absichtserklärung in § 1 Abs. 2 TV Switch sei als Grundlage zur Aufnahme in das Unterrichtungsschreiben nicht ausreichend. Da die Erstreckung des TV Switch auf die Beklagte auch erst sechs Wochen nach erfolgtem Betriebsübergang eintrat, habe dies nicht mehr das bereits auf die externe Dienstleisterin übergegangene Arbeitsverhältnis des Klägers erfassen können. Eine Anwendung des TV Switch sei zudem nicht über arbeitsvertragliche Regelungen erfolgt, da der Arbeitsvertrag des Klägers keine Bezugnahmeklausel enthielt.

Ein unklares oder unvollständiges Unterrichtungsschreiben ergebe sich auch nicht daraus, dass das Unterrichtungsschreiben ein Standardschreiben sei, dass Ausführungen sowohl für tarifgebundene und nichttarifgebundene Arbeitnehmer enthalte, sofern auch etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfasst würden. Eine Rechtsberatung des Arbeitnehmers sei allerdings nicht erforderlich. Die Unterrichtung stelle lediglich die Grundlage dafür dar, dass der Arbeitnehmer sich selbst eingehender informieren bzw. beraten lassen könne.

Bedeutung und Folgen der Entscheidung für die Praxis

Die klare Aussage des BAG, dass nicht darauf hingewiesen werden muss, dass die Nichtanwendbarkeit von Tarifverträgen bei außertariflichen Arbeitnehmern vor und nach dem Betriebs(teil)übergang weiterhin fortbesteht, ist begrüßenswert und gibt im Hinblick auf die zahlreichen Vorgaben, die bei der ordnungsgemäßen Abfassung eines Unterrichtungsschreibens greifen, immerhin in diesem Punkt und hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit eines „Standardunterrichtungsschreibens“ Rechtssicherheit. 

Neues zum Unterrichtungsschreiben bei Betriebsübergang: Keine Unterrichtung eines außertariflichen Arbeitnehmers über nicht anwendbare Tarifverträge

Das Unterrichtungsschreiben bei einem Betriebsübergang stellt hohe Anforderungen an den Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) schafft nun in seiner Entscheidung vom 29.06.2023 (Az. 2 AZR 326/22) zumindest Klarheit in Bezug darauf, dass eine Information über die Nichtanwendbarkeit von Tarifverträgen bei außertariflichen Arbeitnehmern im Unterrichtungsschreiben nicht notwendig ist.

Sachverhalt

Die Parteien stritten nach erfolgtem Betriebs(teil)übergang gemäß § 613a BGB und Widerspruch des Klägers zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin darüber, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger war außertariflicher Mitarbeiter und kein Gewerkschaftsmitglied. Zudem enthielt sein Arbeitsvertrag keine Bezugnahmeklausel.

Der Kläger arbeitete seit dem Jahr 2004 zunächst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und sodann bei dem beklagten Unternehmen als Referent in der Organisationseinheit „Technology Competence“. Im Dezember 2014 schloss der Konzern, dem die Beklagte angehörte, den Tarifvertrag „TV Switch“, der für tarifgebundenen Arbeitnehmer*innen des Konzerns galt, ab. Des Weiteren wurde in § 1 Abs. 2 TV Switch festgehalten, dass die Anwendung des TV Switch auf außertarifliche Arbeitnehmer der Konzerngesellschaften sichergestellt werde.

Im Jahr 2015 beschloss die Beklagte die bisher selbst erbrachten IT-Service Dienstleistungen ab dem 01.02.2017 auf eine externe Dienstleisterin zu übertragen. In diesem Zug übertrug die Beklagte zudem sämtliche Betriebsmittel der bestehenden Data Center an die externe Dienstleisterin. Sodann erbrachte der Kläger ab dem 01.02.2017 seine Arbeitsleistung bei der externen Dienstleisterin.

Eine Erstreckung des TV Switch auf nichttarifgebundene Arbeitnehmer*innen der Beklagten erfolgte erst nach dem Betriebs(teil)übergang am 14.03.2017.

Über den geplanten Betriebs(teil)übergang unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 02.12.2016 schriftlich. Über zweieinhalb Jahre später, am 13.05.2019, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die externe Dienstleisterin. Der Kläger begründete dies primär damit, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613a Abs. 6 S. 1 BGB aufgrund eines fehlerhaften Unterrichtungsschreibens noch nicht zu laufen begonnen habe. Die Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens ergebe sich insbesondere daraus, dass in dem Unterrichtungsschreiben nicht klar werde, ob die tariflichen Regelungen individualrechtlich oder kollektivrechtlich fortgelten würden.

Das Arbeitsgericht Essen (vgl. 28.11.2019 – 1 Ca 1874/19) wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (vgl. 26.07.2022 – 8 Sa 68/20) gab ihr hingegen statt. Die Beklagte richtet sich mit ihrer Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Das BAG hat der Revision der Beklagten stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehe.

Nach der Ansicht des BAG sei da Unterrichtungsschreiben rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Zudem habe der Kläger nicht mehr wirksam widersprechen können.

Das BAG betont, dass das Unterrichtungsschreiben ordnungsgemäß, klar und verständlich erfolgt sei. Das Unterrichtungsschreiben müsse den Arbeitnehmer dahingehend informieren, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebs(teil)übergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ könne. Dem Arbeitnehmer solle auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden.

Grundsätzlich sei der Arbeitgeber zwar dazu verpflichtet, auch über die Anwendbarkeit tariflicher Normen beim Betriebserwerber und über die Ablösung von beim Betriebsveräußerer geltenden Tarifverträgen zu informieren, allerdings hebt das BAG in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervor, dass die Beklagte gemäß § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB nicht dazu verpflichtet sei, in dem Unterrichtungsschreiben aufzunehmen, dass der TV Switch weder vor noch nach dem Betriebsübergang auf außertarifliche Arbeitnehmer Anwendung finde. Die vage Absichtserklärung in § 1 Abs. 2 TV Switch sei als Grundlage zur Aufnahme in das Unterrichtungsschreiben nicht ausreichend. Da die Erstreckung des TV Switch auf die Beklagte auch erst sechs Wochen nach erfolgtem Betriebsübergang eintrat, habe dies nicht mehr das bereits auf die externe Dienstleisterin übergegangene Arbeitsverhältnis des Klägers erfassen können. Eine Anwendung des TV Switch sei zudem nicht über arbeitsvertragliche Regelungen erfolgt, da der Arbeitsvertrag des Klägers keine Bezugnahmeklausel enthielt.

Ein unklares oder unvollständiges Unterrichtungsschreiben ergebe sich auch nicht daraus, dass das Unterrichtungsschreiben ein Standardschreiben sei, dass Ausführungen sowohl für tarifgebundene und nichttarifgebundene Arbeitnehmer enthalte, sofern auch etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfasst würden. Eine Rechtsberatung des Arbeitnehmers sei allerdings nicht erforderlich. Die Unterrichtung stelle lediglich die Grundlage dafür dar, dass der Arbeitnehmer sich selbst eingehender informieren bzw. beraten lassen könne.

Bedeutung und Folgen der Entscheidung für die Praxis

Die klare Aussage des BAG, dass nicht darauf hingewiesen werden muss, dass die Nichtanwendbarkeit von Tarifverträgen bei außertariflichen Arbeitnehmern vor und nach dem Betriebs(teil)übergang weiterhin fortbesteht, ist begrüßenswert und gibt im Hinblick auf die zahlreichen Vorgaben, die bei der ordnungsgemäßen Abfassung eines Unterrichtungsschreibens greifen, immerhin in diesem Punkt und hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit eines „Standardunterrichtungsschreibens“ Rechtssicherheit. 

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