Der BFH hatte in seinem Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang eine teilweise Rückzahlung von erhaltenen und versteuerten Zinsen gemäß § 233a AO bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG zu berücksichtigen sind.
Lesen Sie im Folgenden, in welchen Fällen es sich um negative Einkünfte handelt und wie diese ermittelt werden.
BFH, Beschluss vom 01. August 2023, VIII R 8/21
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (im Folgenden „Kläger“) erklärte im Streitjahr bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen negative Einnahmen aus der Rückzahlung von Erstattungszinsen zur Einkommensteuer gemäß § 233a AO in Höhe von insgesamt -32.743 €. Diesem Betrag lagen folgende, frühere Veranlagungszeiträume betreffende Zinsfestsetzungen zugrunde.
Für den Veranlagungszeitraum 2006 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt, im Folgenden „FA“) zunächst mit Bescheid vom 01.02.2010 Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von -46.184 € zugunsten des Klägers festgesetzt und an diesen ausgezahlt. Bei der Berechnung der Zinsen hatte es einen Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers in Höhe von 419.850 € und einen Verzinsungszeitraum vom 01.04.2008 bis zum 04.02.2010 (22 volle Monate) zugrunde gelegt. Mit Bescheid vom 14.12.2011 änderte das FA die Zinsfestsetzung in der Weise, dass es auf der Grundlage eines Unterschiedsbetrags zuungunsten des Klägers in Höhe von 85.000 € und eines Verzinsungszeitraums vom 01.04.2008 bis zum 19.12.2011 (44 volle Monate) Nachzahlungszinsen in Höhe von 18.700 € ermittelte, die es im Abrechnungsteil des Bescheids mit den bisher festgesetzten Zinsen in Höhe von -46.184 € verrechnete. Den Differenzbetrag in Höhe von -27.484 € setzte das FA als Zinsen zur Einkommensteuer zugunsten des Klägers fest. Die Differenz zwischen den nunmehr festgesetzten Zinsen in Höhe von -27.484 € und den bereits erstatteten Zinsen in Höhe von -46.184 € (= 18.700 €) zahlte der Kläger im Streitjahr an das FA.
Für den Veranlagungszeitraum 2007 hatte das FA zunächst mit Bescheid vom 01.02.2010 Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von -23.610 € festgesetzt und an den Kläger ausgezahlt. Bei der Berechnung der Zinsen hatte es einen Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers in Höhe von 472.200 € und einen Verzinsungszeitraum vom 01.04.2009 bis zum 04.02.2010 (10 volle Monate) zugrunde gelegt. Mit Bescheid vom 14.11.2012 änderte das FA die Zinsfestsetzung in der Weise, dass es auf der Grundlage eines Unterschiedsbetrags zuungunsten des Klägers in Höhe von 224.350 € und eines Verzinsungszeitraums vom 01.04.2009 bis zum 19.11.2012 (43 volle Monate) Nachzahlungszinsen in Höhe von 48.235,25 € ermittelte, die es im Abrechnungsteil des Bescheids mit den bisher festgesetzten Zinsen in Höhe von -23.610 € verrechnete. Den Differenzbetrag rundete das FA auf 24.625 € ab und setzte diesen als Zinsen zur Einkommensteuer zulasten des Klägers fest. Die Differenz zwischen den nunmehr festgesetzten Zinsen in Höhe von 24.625 € und den bereits erstatteten Zinsen in Höhe von -23.610 € (= 48.235 €) zahlte der Kläger im Streitjahr an das FA.
Für den Veranlagungszeitraum 2010 setzte das FA mit Bescheid vom 26.10.2012 Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von -9.567 € zugunsten des Klägers fest. Die Zinsen wurden im Streitjahr an den Kläger ausgezahlt.
Der Kläger war der Auffassung, er habe in Höhe der Beträge von 18.700 € und 23.610 € lediglich bereits versteuerte Erstattungszinsen betreffend die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 an das FA zurückgezahlt. Dementsprechend gab er diese Beträge abzüglich der im Streitjahr an ihn ausgezahlten Erstattungszinsen in Höhe von 9.567 € betreffend den Veranlagungszeitraum 2010 in seiner Einkommensteuererklärung als insgesamt negative Einnahmen aus Kapitalvermögen an (= -32.743 €).
Mit Bescheid vom 29.06.2015 erkannte das FA die von dem Kläger im Streitjahr gezahlten Zinsen nur insoweit als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen an, als diese auf denselben Unterschiedsbetrag und denselben Verzinsungszeitraum wie die zuvor festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer entfielen. Im Übrigen behandelte es die gezahlten Beträge als nicht abzugsfähige Nachzahlungszinsen. Dementsprechend berücksichtigte das FA für den Veranlagungszeitraum 2006 statt 18.700 € nur noch einen Betrag in Höhe von 9.350 € (= 85.000 € x 22 x 0,5 %) sowie für den Veranlagungszeitraum 2007 statt 23.610 € nur noch einen Betrag in Höhe von 11.217,50 € (= 224.350 € x 10 x 0,5 %) als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen. Insgesamt ergaben sich danach negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von -20.568 € (= -9.350 € -11.218 €), die das FA mit den im Streitjahr an den Kläger ausgezahlten Erstattungszinsen und weiteren positiven Kapitalerträgen verrechnete.
Der Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29.06.2015 blieb erfolglos. Das Finanzgericht (im Folgenden „FG“) wies die Klage mit seinem veröffentlichten Urteil vom 13.03.2020 (Az.: 14 K 2712/16 E F) als unbegründet ab und stimmte den Berechnungen des FA zu.
Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen
Nach Auffassung des BFH hat das FG die steuerlich zu berücksichtigenden negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG der Höhe nach zutreffend ermittelt. Nicht in jeder durch eine geänderte Zinsfestsetzung gemäß § 233a Abs. 5 AO ausgelösten Rückzahlung zuvor festgesetzter Zinsen können negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sine des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG entstehen.
Unterschied zwischen Erstattungs- und Nachzahlungszinsen
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Durch Satz 3 der Vorschrift ordnet der Gesetzgeber auch Erstattungszinsen gemäß § 233a AO dem steuerbaren Bereich zu. Daraus folgt, dass auch eine Rückzahlung erhaltener Erstattungszinsen zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen führt.
Im Gegensatz zu Erstattungszinsen gehören Nachzahlungszinsen gemäß § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG jedoch zur Sphäre der steuerrechtlich unbeachtlichen Einkünfteverwendung (BFH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII R 30/13; BFH, Beschl. V. 06.03.2019 – VIII B 94/18). Somit muss zwischen der Rückzahlung von zunächst vereinnahmten Erstattungszinsen von der (erstmaligen) Begleichung von Nachzahlungszinsen für deren steuerliche Bedeutung unterschieden werden.
Ermittlung der negativen Zinsen
Dem Gericht nach liegen negative Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur dann vor, wenn die Rückzahlung der Einnahmen durch das der Auszahlung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis veranlasst ist, mithin die aus diesem Rechtsverhältnis erzielten Einnahmen an den zuvor Zahlenden zurückerstattet werden. Bei einer gemäß § 233a Abs. 5 AO geänderten Zinsfestsetzung ist maßgeblich, ob und – wenn ja – inwieweit es tatsächlich zu einer Rückabwicklung früherer Zinszahlungen kommt. Dies ist nur insoweit der Fall, als die aufgrund einer geänderten Zinsfestsetzung von dem Steuerpflichtigen gezahlten Zinsen auf denselben Betrag und denselben Zeitraum entfallen wie die aufgrund der vorherigen Zinsfestsetzung an die Finanzbehörde gezahlten Zinsen.
Für die Ermittlung der negativen Zinsen bedeutet das, dass es nicht darauf ankommt, welcher Zinsbetrag abschließend festgesetzt worden ist. Im Einzelfall kann der festgesetzte Zinsbetrag aus um Nachzahlungszinsen gekürzte Erstattungszinsen bestehen. Würde man also den abschließend festgesetzten Zinsbetrag als Rückzahlungssumme erhaltener Zinsen ansehen, würden auch Nachzahlungszinsen steuermindern berücksichtigt, was der Wertung des § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG zuwiderläuft. Im Übrigen würden so auch Zinsen berücksichtigt, die außerhalb des ursprünglichen Verzinsungszeitraums liegen und deshalb nicht „rückabgewickelt“ werden. Der abschließend festgesetzte Zinsbetrag stellt nur einen rechnerischen Saldo dar, dem keine materielle Aussage über die einkommensteuerrechtliche Bedeutung zukommt.
Praxishinweis
Um die negativen Kapitalerträge im Zusammenhang mit einer Rückzahlung von Zinsen zutreffend zu ermitteln, sollte die ursprüngliche Zinsfestsetzung mit der neuen Zinsfestsetzung verglichen werden. Hierbei ist die Berechnung, nicht der Saldo ausschlaggebend. Nur wenn sich die Zinszeiträume der beiden Berechnungen überschneiden, kommt es auch zu einer Rückzahlung von Zinsen und somit zu negativen Kapitalerträgen.
Beispiel:
Im vorliegenden Fall wurden für das Jahr 2006 zunächst Erstattungszinsen festgesetzt. Hierbei wurde zugunsten des Klägers ein Unterschiedsbetrag i.H.v. 419.850 € im Zeitraum 01.04.2008 bis 04.02.2010 (= 22 Monate) verzinst.
In einem darauffolgenden Steuerbescheid für das Jahr 2006 wurde die Zinsfestsetzung geändert. Demnach wurden zuungunsten des Klägers ein Unterschiedsbetrag i.H.v. 85.000 € in einem Zeitraum vom 01.04.2008 bis 19.12.2011 verzinst. Dies resultierte in Nachzahlungszinsen.
Der bei beiden Zinsberechnungen übereinstimmende Zinszeitraum ist der 01.04.2008 bis 04.02.2010 (= 22 Monate). Bei den Unterschiedsbeträgen überschneiden sich wiederum 18.700 €. Somit berechnen sich die negativen Kapitaleinkünfte wie folgt: 85.000 x 22 Monate x 0,5 % = 9.350 €