Die Bemessung der „richtigen“ Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ist eines der aktuellen betriebsverfassungsrechtlichen Top-Themen in der Praxis, was zwangsläufig zu einer entsprechenden Hochkonjunktur in Rechtsprechung und Literatur zu diesem Problemkreis führt. Insofern ist es fast erstaunlich, dass die Frage, ob dem Betriebsrat bei der Konkretisierung der Vergütung seiner Mitglieder ein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit ersichtlich, gar nicht diskutiert wird. Nachfolgend werden die Problematik und Implikationen für die Praxis zusammengefasst dargestellt.
Die Problematik
Unternehmen versuchen, dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Vorgehens durch die Aufstellung von Vergütungsrichtlinien entgegen zu wirken. Die Praxis, dass derartige Richtlinien mal mit und mal ohne Beteiligung der betroffenen Betriebsräte aufgestellt werden, führt zwangsläufig zu der Fragestellung, welches Vorgehen denn mitbestimmungsrechtlich korrekt ist. Bejaht man diese Frage, ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht mit „Geschmäckle“, weil über entsprechenden Verhandlungen der Verdacht des Versuchs einer Optimierung der eigenen Vergütung schweben könnte.
Vergütung der Betriebsratsmitglieder ist mitbestimmungspflichtig
Wortlaut und Systematik von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sprechen klar dafür, die Gestaltung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder durch einseitige Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen als mitbestimmungspflichtige Entlohnungsmethode einzustufen. Die Vergütung, die gem. § 37 Abs. 4 BetrVG nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung, ist als „Lohn“ i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu qualifizieren. Bei der Ausübung der Mitbestimmung müssen Arbeitgeber und Betriebsrat jedoch die gesetzlichen Vorgaben der §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG einhalten.
Grundsätzliche Möglichkeit des Verzichts auf das Mitbestimmungsrecht
Bejaht man ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über Richtlinien zur Vergütung (freigestellter) Betriebsratsmitglieder, stellt sich die Folgefrage, ob der Betriebsrat dieses Mitbestimmungsrecht auch ausüben muss. Politische Bedenken, die einen Betriebsrat davon abhalten könnten, liegen auf der Hand: Insbesondere kann je nach Stimmung im Betrieb oder Unternehmen der Verdacht, der Betriebsrat wolle mithilfe eines erzwingbaren Mitbestimmungsrechts seine eigene Vergütung optimieren, die Reputation in der Belegschaft gegebenenfalls nachhaltig schädigen.
Die Möglichkeit eines Verzichts auf Mitbestimmungsrechte wird von der Rechtsprechung nur in engen Grenzen für möglich gehalten. Das BAG vertritt in inzwischen ständiger Rechtsprechung, dass ein Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben dürfe, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffne. Dem Arbeitgeber dürften zwar durch Betriebsvereinbarung gewisse Entscheidungsspielräume in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten eingeräumt werden; der Betriebsrat könne aber über sein Mitbestimmungsrecht im Interesse der Arbeitnehmer nicht in der Weise verfügen, dass er in der „Substanz“ auf die ihm gesetzlich obliegende Mitbestimmung verzichte.
Verzicht auf Mitbestimmung über Betriebsratsvergütung
Ob dieses strikte Verzichtsverbot auf die Frage der Mitbestimmung bei der Betriebsratsvergütung übertragen werden kann, darf bezweifelt werden. Soweit nämlich das Verzichtsverbot überhaupt näher begründet wird, sieht man die Rechtfertigung darin, dass dem Betriebsrat die Befugnisse nach dem BetrVG nicht um ihrer selbst Willen, sondern wegen der ihnen vom Gesetzgeber zugedachten Wahrnehmung fremder (Arbeitnehmer-)Rechte zustehen.
Geht es aber um das Mitbestimmungsrecht bezüglich der näheren Ausgestaltung der Vergütung (freigestellter) Betriebsräte, greift diese Begründung nicht bzw. nicht in gleichem Maße. Denn der Betriebsrat agiert hier gerade nicht in erster Linie im Interesse der Gesamtbelegschaft, sondern im Interesse der eigenen Mitglieder.
Im Ergebnis erscheint es deshalb im Grundsatz gut vertretbar, dass ein Betriebsrat seinem Arbeitgeber das Recht einräumt, Vergütungsrichtlinien für die Bemessung der Vergütung (freigestellter) Betriebsratsmitglieder einseitig zu gestalten. Dieses Recht gilt freilich nicht grenzenlos. Überschritten wäre das Recht eines Betriebsrats zum Verzicht auf dieses Mitbestimmungsrecht sicherlich dann, wenn dem Arbeitgeber das Aufstellen einseitiger Vergütungsrichtlinien verbindlich für einen Zeitraum zugesagt würde, welcher die eigene Legislaturperiode überschreitet.
Konkludenter Verzicht
Hält man einen Verzicht in den oben beschriebenen Grenzen für zulässig, bedeutet dies freilich nicht, dass unter Missachtung der Mitbestimmung zustande gekommene, einseitige Richtlinien über die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder automatisch mitbestimmungskonform würden, wenn ein Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG über längere Zeit nicht reklamiert.
Schweigen des Betriebsrats löst bekanntlich keine rechtsgeschäftlichen Folgen aus und auch Regelungsabreden kommen nicht durch konkludentes Verhalten zustande. Selbst das „OK“ durch den Betriebsratsvorsitzenden reicht nicht aus, denn der Betriebsrat als Kollegialorgan kann ausschließlich durch ordnungsgemäßen Beschluss nach § 33 BetrVG rechtsverbindlich handeln. Das bloße Dulden von einseitig vom Arbeitgeber aufgestellten Vergütungsrichtlinien lässt also das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unberührt. Dieser kann jederzeit von seinem Initiativrecht Gebrauch machen und – notfalls über die Einigungsstelle – den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung fordern.
Im Ergebnis …
… unterliegen Richtlinien über die Vergütungsbemessung von (freigestellten) Betriebsräten zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben gem. §§ 37 IV, 78 S. 2 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 I Nr. 10 BetrVG. Der Betriebsrat kann auf die Ausübung dieses Beteiligungsrechts grundsätzlich verzichten, wenn er in der Mitgestaltung seiner eigenen Vergütung eine Gefährdung seiner Reputation in der Belegschaft sieht. Dauerhaft, insbesondere über die jeweilige Legislaturperiode hinaus, ist ein Verzicht allerdings nicht zulässig. Ein Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht setzt stets einen wirksamen Beschluss des Betriebsrats voraus. Fehlt es an einem solchen Beschluss, kann ein Betriebsrat auch nach langjähriger Duldung einseitig vom Arbeitgeber aufgestellter Vergütungsrichtlinien sein Mitbestimmungsrecht jederzeit einfordern.
Die Problematik wird ausführlich in dem Aufsatz von Kania/Schulte-Wissermann, NZA 2019, 78 behandelt.