LAG Köln, Urteil vom 11.02.2025 – Az. 7 Sa 635/23
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11.02.2025 (Az. 7 Sa 635/23) behandelt einen praxisrelevanten Konflikt zwischen dem Datenschutzrecht und arbeitsrechtlicher Überwachungsmaßnahmen. Im Zentrum steht unter anderem die Frage, ob Erkenntnisse aus einer verdeckten Mitarbeiterüberwachung im Kündigungsschutzprozess verwertet werden dürfen – insbesondere unter Berücksichtigung der DSGVO und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers. Die Entscheidung liefert klare Leitlinien zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen und grenzt zugleich die Voraussetzungen für ein Beweisverwertungsverbot deutlich ein.
Sachverhalt
Ein seit 2009 bei einem städtischen Verkehrsunternehmen beschäftigter Fahrausweisprüfer wurde fristlos entlassen. Ihm wurde vorgeworfen, an mehreren Arbeitstagen über längere Zeiträume hinweg seiner Arbeit nicht nachgegangen zu sein, ohne diese Zeiten als Pause zu dokumentieren. Die Zeiterfassung erfolgte über eine mobile App, in die der Mitarbeiter selbst seine Arbeits- und Pausenzeiten eintragen musste. Aufgrund von Hinweisen eines Sicherheitsdienstes, wonach der Mitarbeiter während seiner Arbeitszeit u. a. im Fitnessstudio, in einer Moschee oder beim Friseur gewesen sei, beauftragte der Arbeitgeber eine Detektei mit der Überwachung. Diese bestätigte durch Observationen über mehrere Tage hinweg den Verdacht. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos und verlangte vom Mitarbeiter zudem die Erstattung der Detektivkosten in Höhe von über 21.000 Euro.
Der Mitarbeiter wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage und bestritt die Vorwürfe. Er argumentierte, das Zeiterfassungssystem habe nicht zuverlässig funktioniert, und er habe sich an bestimmten Orten mit Kollegen getroffen oder berufliche Tätigkeiten ausgeführt. Zudem hielt er die Überwachung durch die Detektei für einen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte und somit für unzulässig. Auch die Zahlung der Detektivkosten hielt er für unbegründet. Das Arbeitsgericht wies seine Klage jedoch weitgehend ab. Dagegen legte der Mitarbeiter Berufung ein.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Köln wies die Berufung des Mitarbeiters ab und bestätigte das arbeitsgerichtliche Urteil: Die außerordentliche Kündigung sei wirksam, die Beweise der Detektei verwertbar und die Erstattung der Detektivkosten gerechtfertigt.
Zentral ist dabei die rechtliche Bewertung der Überwachungsmaßnahme aus datenschutzrechtlicher Sicht. Nach Auffassung des Gerichts war die Beobachtung des Mitarbeiters durch die Detektei zulässig gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Observation sowie der Anbringung eines GPS-Senders an dem während der Schichtzeiten genutzten Dienstfahrzeug – trotz der Eingriffsqualität – um eine verhältnismäßige Maßnahme handelte. Die Überwachung fand ausschließlich während der Schichtzeiten statt, betraf öffentliche Räume und war zeitlich begrenzt. Zudem lag ein konkreter Anfangsverdacht vor, der sich im Rahmen der Detektivberichte bestätigte.
Besonders relevant ist die Feststellung des Gerichts, dass selbst bei einer datenschutzrechtlich unzulässigen Überwachungsmaßnahme nicht automatisch ein Verwertungsverbot im arbeitsgerichtlichen Verfahren folgt. Das Landesarbeitsgericht bezieht sich dabei auf die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 297/22). Danach kommt ein Beweisverwertungsverbot nur dann in Betracht, wenn dies wegen einer durch das Grundgesetz geschützten Rechtsposition einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das setzt in aller Regel voraus, dass die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen und deshalb die Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen würde.
Das sei hier gerade nicht der Fall. Der Eingriff sei von geringer Intensität gewesen – keine verdeckte Überwachung in geschützten Privaträumen, keine umfassende dauerhafte Kontrolle – und daher nicht geeignet, ein Beweisverwertungsverbot zu begründen. Das Gericht lehnte insbesondere ab, dass es zur Wahrung der DSGVO oder zur „Generalprävention“ verpflichtet sei, die Erkenntnisse unberücksichtigt zu lassen.
Das Gericht stellte zudem fest, dass die Erkenntnisse der Detektei gerichtlich verwertet werden durften, weil sich der Kläger durch sein Verhalten – insbesondere durch bewusst nicht dokumentierte Pausen und privat genutzte Dienstfahrzeuge – einer schwerwiegenden vorsätzlichen Pflichtverletzung schuldig gemacht habe.
Neben der Kündigung bestätigte das Gericht auch den Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der Detektivkosten. Die Beauftragung der Detektei sei angesichts des konkreten Verdachts angemessen und erforderlich gewesen. Der Mitarbeiter sei durch sein Fehlverhalten überführt worden, was die Maßnahme rückwirkend rechtfertige. Datenschutzrechtlich relevante Kosten können also als ersatzfähiger Schaden aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB geltend gemacht werden, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird.
Hinweise für die Praxis
Das Urteil zeigt exemplarisch, dass Datenschutzrechte von Beschäftigten im arbeitsrechtlichen Kontext sorgfältig mit den Interessen des Arbeitgebers abgewogen werden müssen. Eine verdeckte Überwachung durch eine Detektei ist nicht grundsätzlich unzulässig. Maßgeblich sind:
- ein konkreter, dokumentierter Anfangsverdacht,
- die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (zeitlicher Umfang, Eingriffsintensität, Ort),
- und die Zweckbindung der Datenerhebung (nur dienstliches Verhalten während der Arbeitszeit).
Ein automatisches Beweisverwertungsverbot – etwa weil keine Einwilligung vorlag oder die DSGVO nicht eingehalten wurde – lehnt das Gericht ab. Es betont, dass ein Verwertungsverbot nur ausnahmsweise in Betracht kommt, etwa bei besonders intensiven Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Datenschutzrechtlich heikle Überwachungsmaßnahmen sind nicht ohne Risiko, aber rechtlich möglich, wenn sie gut vorbereitet, dokumentiert und verhältnismäßig ausgestaltet sind. Für Arbeitnehmer ist umgekehrt klar: Die Berufung auf Datenschutzrecht bietet keinen pauschalen Schutz vor der Verwertung belastender Erkenntnisse – erst recht nicht bei nachgewiesenem Fehlverhalten.
Fazit
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigt mit diesem Urteil, dass Arbeitgeber bei einem begründeten Verdacht auf schwerwiegendes Fehlverhalten eine Detektei einschalten und deren Erkenntnisse im arbeitsgerichtlichen Verfahren verwerten dürfen – auch unter der Geltung der DSGVO. Datenschutzrechtlich bedingte Beweisverwertungsverbote bleiben die Ausnahme. Die Entscheidung stärkt die Position von Arbeitgebern, die gezielt und datenschutzkonform gegen Pflichtverletzungen im Unternehmen vorgehen.