Autoren
Dr. Malek Park-Said, Lena Hess
Datum

19. April 2024

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Bundesarbeitsgericht vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22

I. Die Fakten

Die Arbeitgeberin, die Herstellerin von Brems- und Kraftstoffsystemen für Fahrzeuge ist, verbot in ihrem Betrieb mittels eines Aushangs jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit. Verstöße sollten arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung nach sich ziehen. Der im Betrieb bestehende Betriebsrat forderte das Unterlassen der Maßnahme ohne seine Zustimmung bzw. ohne deren Ersetzung durch Spruch der Einigungsstelle und berief sich dazu auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

II. Das rechtliche Kernproblem

Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats soll die gleichberechtigte Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen bei der Gestaltung der Ordnung der in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten sein. Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 1 erfasst Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Hierbei spricht man vom sog. Ordnungsverhalten, das ausschließlich die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb erfasst. Dieses ist vom Arbeitsverhalten abzugrenzen, welches nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt und Maßnahmen meint, mit denen die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar konkretisiert wird.

III. Unterschiedliche Standpunkte

Der Betriebsrat stützte sich in dem beschriebenen Fall auf den Standpunkt, dass das aufgestellte Verbot das Ordnungsverhalten betreffe, denn insbesondere in Zeiten, in denen keine Arbeit anfalle, kollidiere die Verwendung von Mobiltelefonen und Smartphones nicht in jedem Fall mit der vertraglichen Pflichterfüllung. Arbeitsunterbrechungen ergeben sich im Betrieb der Arbeitnehmerin in den Bereichen Produktion, Versand und Wareneingang z.B. aufgrund des notwendigen Maschinenumbaus. Die Arbeitgeberin wiederum war der Auffassung, das Verbot betreffe das Arbeitsverhalten, da es lediglich die Pflicht der Arbeitnehmer konkretisiere, ihrer Arbeit konzentriert nachzukommen.

Nicht immer kann die Zuordnung zum Arbeits- oder Ordnungsverhalten überhaupt eindeutig ausfallen. Wie soll aber mit einer Maßnahme umgegangen werden, die beide Bereiche betreffen kann?

IV. Die Entscheidung des BAG

Das BAG entschied mit Beschluss vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22, dass dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen. Damit schließt es sich den Vorinstanzen an, die die Anträge des Betriebsrats abwiesen (ArbG Braunschweig v. 17.3.2022 – 6 BV 15/21 und LAG Niedersachsen v. 13.10.2022 – 3 TaBV 24/22).

Dazu führt das BAG aus, dass bei Auswirkungen einer Maßnahme, die sich sowohl auf das Arbeits- als auch auf Ordnungsverhalten im Betrieb beziehen, der überwiegende Regelungszweck für die Einordnung maßgebend sei. Es sei auf den objektiven Inhalt der Maßnahme sowie die Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens abzustellen und eine qualitative Gewichtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

Das BAG schreibt dem Verbot den Zweck der Sicherstellung zügiger und konzentrierter Arbeit der Arbeitnehmer zu. Mobiltelefone und Smartphones wären geeignet, die Arbeitnehmer durch ihre große Bandbreite an Funktionen abzulenken und von ihrer Arbeitsleistung abzuhalten, insbesondere weil sie zu ihrer Verwendung aktiv bedient werden müssten. Dabei konkretisiere das Verbot zwar nicht unmittelbar die zu verrichtende Tätigkeit, solle aber ihre Erbringung sicherstellen. Das fällt nach Auffassung des BAG unter den Begriff des Arbeitsverhaltens. Dies gelte auch für Arbeitsunterbrechungen, so die Erfurter Richter. Denn auch in diesen Zeiten könne der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und es fielen ohnehin zu erledigenden Nebenarbeiten an. Das Verbot berühre zwar in geringem Ausmaß das Ordnungsverhalten, der Schwerpunkt liege aber auf dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten. Dies zeige sich daran, dass das Verbot auf die Arbeitszeit beschränkt sei.

Weiter sei es für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts unerheblich, ob die betreffende Maßnahme aufgrund der Sozialadäquanz der Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones möglicherweise rechtswidrig sei – etwa wegen einer individualrechtlichen Unzulässigkeit oder Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer.

V. Was bedeutet die Entscheidung? – Stellungnahme und Ausblick

Während bereits geklärt war, dass das Verbot des Mitbringens von Mobiltelefonen/Smartphones in den Betrieb, Regelungen einer Aufbewahrungspflicht im Spind sowie ein Nutzungsverbot im Betrieb während Pausen mitbestimmungspflichtig sind, handelte es sich bei der Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones während der Arbeitszeit noch um eine kontrovers diskutierte Rechtsthematik. Manche Stimmen verglichen die Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones mit dem Radiohören, dessen Verbot während der Arbeitszeit vom BAG als mitbestimmungspflichtig angesehen wurde, und ordneten das Verbot der Handynutzung gleichermaßen dem Ordnungsverhalten zu. Überwiegend wird die Handynutzung während der Arbeitszeit aber dem Arbeitsverhalten zugeordnet, da mit ihr zwingend eine Unterbrechung der Arbeitsleistung verbunden sei.

Das BAG bringt Licht ins Dunkel: Es verneint überzeugend ein Mitbestimmungsrecht bezüglich eines Verbots der Handynutzung. Mit der Radionutzung kann die Nutzung eines Smartphones schlicht nicht verglichen werden. Wer ein Radio einmal eingeschaltet hat, muss dieses sodann nicht weiter bedienen. Das gilt für die Nutzung eines Smartphones nicht, welches die volle Aufmerksamkeit während seiner Verwendung erfordert.

Wichtig für die Praxis ist auch die Klärung durch das BAG, wie mit Maßnahmen umzugehen ist, die ggf. eine gewisse Doppelwirkung haben, also sowohl das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten betreffen.

  • Die vorzunehmende Schwerpunkbetrachtung muss das verobjektivierte Regelungsziel der Maßnahme inhaltlich erfassen. Nicht entscheidend ist die subjektive Vorstellung des Arbeitgebers.
  • Bei der Schwerpunktbetrachtung ist insbesondere der Grad der tatsächlichen/potentiellen Auswirkungen auf das Arbeits- und das Ordnungsverhalten zu berücksichtigen („ was wiegt schwerer“).

Bei der Benutzung privater technischer Geräte am Arbeitsplatz ist Folgendes bei der Zuordnung entscheidend:

  • Der Grad der potentiellen Ablenkungsmöglichkeit, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer gerade arbeitet oder sich ausruht, und 
  • die Auswirkungen der Benutzung der Technik auf die anderen Mitarbeiter (Störungen; Musik; Videos).
  • Ein Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit darf nicht mit einem generellen Verbot (z.B. auch während der Pausen) vermengt werden, da dieses weiterhin mitbestimmungspflichtig bleibt.

Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Smartphone-Verbot während der Arbeitszeit

Bundesarbeitsgericht vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22

I. Die Fakten

Die Arbeitgeberin, die Herstellerin von Brems- und Kraftstoffsystemen für Fahrzeuge ist, verbot in ihrem Betrieb mittels eines Aushangs jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit. Verstöße sollten arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung nach sich ziehen. Der im Betrieb bestehende Betriebsrat forderte das Unterlassen der Maßnahme ohne seine Zustimmung bzw. ohne deren Ersetzung durch Spruch der Einigungsstelle und berief sich dazu auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

II. Das rechtliche Kernproblem

Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats soll die gleichberechtigte Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen bei der Gestaltung der Ordnung der in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten sein. Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 1 erfasst Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Hierbei spricht man vom sog. Ordnungsverhalten, das ausschließlich die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb erfasst. Dieses ist vom Arbeitsverhalten abzugrenzen, welches nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt und Maßnahmen meint, mit denen die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar konkretisiert wird.

III. Unterschiedliche Standpunkte

Der Betriebsrat stützte sich in dem beschriebenen Fall auf den Standpunkt, dass das aufgestellte Verbot das Ordnungsverhalten betreffe, denn insbesondere in Zeiten, in denen keine Arbeit anfalle, kollidiere die Verwendung von Mobiltelefonen und Smartphones nicht in jedem Fall mit der vertraglichen Pflichterfüllung. Arbeitsunterbrechungen ergeben sich im Betrieb der Arbeitnehmerin in den Bereichen Produktion, Versand und Wareneingang z.B. aufgrund des notwendigen Maschinenumbaus. Die Arbeitgeberin wiederum war der Auffassung, das Verbot betreffe das Arbeitsverhalten, da es lediglich die Pflicht der Arbeitnehmer konkretisiere, ihrer Arbeit konzentriert nachzukommen.

Nicht immer kann die Zuordnung zum Arbeits- oder Ordnungsverhalten überhaupt eindeutig ausfallen. Wie soll aber mit einer Maßnahme umgegangen werden, die beide Bereiche betreffen kann?

IV. Die Entscheidung des BAG

Das BAG entschied mit Beschluss vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22, dass dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen. Damit schließt es sich den Vorinstanzen an, die die Anträge des Betriebsrats abwiesen (ArbG Braunschweig v. 17.3.2022 – 6 BV 15/21 und LAG Niedersachsen v. 13.10.2022 – 3 TaBV 24/22).

Dazu führt das BAG aus, dass bei Auswirkungen einer Maßnahme, die sich sowohl auf das Arbeits- als auch auf Ordnungsverhalten im Betrieb beziehen, der überwiegende Regelungszweck für die Einordnung maßgebend sei. Es sei auf den objektiven Inhalt der Maßnahme sowie die Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens abzustellen und eine qualitative Gewichtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

Das BAG schreibt dem Verbot den Zweck der Sicherstellung zügiger und konzentrierter Arbeit der Arbeitnehmer zu. Mobiltelefone und Smartphones wären geeignet, die Arbeitnehmer durch ihre große Bandbreite an Funktionen abzulenken und von ihrer Arbeitsleistung abzuhalten, insbesondere weil sie zu ihrer Verwendung aktiv bedient werden müssten. Dabei konkretisiere das Verbot zwar nicht unmittelbar die zu verrichtende Tätigkeit, solle aber ihre Erbringung sicherstellen. Das fällt nach Auffassung des BAG unter den Begriff des Arbeitsverhaltens. Dies gelte auch für Arbeitsunterbrechungen, so die Erfurter Richter. Denn auch in diesen Zeiten könne der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und es fielen ohnehin zu erledigenden Nebenarbeiten an. Das Verbot berühre zwar in geringem Ausmaß das Ordnungsverhalten, der Schwerpunkt liege aber auf dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten. Dies zeige sich daran, dass das Verbot auf die Arbeitszeit beschränkt sei.

Weiter sei es für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts unerheblich, ob die betreffende Maßnahme aufgrund der Sozialadäquanz der Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones möglicherweise rechtswidrig sei – etwa wegen einer individualrechtlichen Unzulässigkeit oder Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer.

V. Was bedeutet die Entscheidung? – Stellungnahme und Ausblick

Während bereits geklärt war, dass das Verbot des Mitbringens von Mobiltelefonen/Smartphones in den Betrieb, Regelungen einer Aufbewahrungspflicht im Spind sowie ein Nutzungsverbot im Betrieb während Pausen mitbestimmungspflichtig sind, handelte es sich bei der Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones während der Arbeitszeit noch um eine kontrovers diskutierte Rechtsthematik. Manche Stimmen verglichen die Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones mit dem Radiohören, dessen Verbot während der Arbeitszeit vom BAG als mitbestimmungspflichtig angesehen wurde, und ordneten das Verbot der Handynutzung gleichermaßen dem Ordnungsverhalten zu. Überwiegend wird die Handynutzung während der Arbeitszeit aber dem Arbeitsverhalten zugeordnet, da mit ihr zwingend eine Unterbrechung der Arbeitsleistung verbunden sei.

Das BAG bringt Licht ins Dunkel: Es verneint überzeugend ein Mitbestimmungsrecht bezüglich eines Verbots der Handynutzung. Mit der Radionutzung kann die Nutzung eines Smartphones schlicht nicht verglichen werden. Wer ein Radio einmal eingeschaltet hat, muss dieses sodann nicht weiter bedienen. Das gilt für die Nutzung eines Smartphones nicht, welches die volle Aufmerksamkeit während seiner Verwendung erfordert.

Wichtig für die Praxis ist auch die Klärung durch das BAG, wie mit Maßnahmen umzugehen ist, die ggf. eine gewisse Doppelwirkung haben, also sowohl das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten betreffen.

  • Die vorzunehmende Schwerpunkbetrachtung muss das verobjektivierte Regelungsziel der Maßnahme inhaltlich erfassen. Nicht entscheidend ist die subjektive Vorstellung des Arbeitgebers.
  • Bei der Schwerpunktbetrachtung ist insbesondere der Grad der tatsächlichen/potentiellen Auswirkungen auf das Arbeits- und das Ordnungsverhalten zu berücksichtigen („ was wiegt schwerer“).

Bei der Benutzung privater technischer Geräte am Arbeitsplatz ist Folgendes bei der Zuordnung entscheidend:

  • Der Grad der potentiellen Ablenkungsmöglichkeit, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer gerade arbeitet oder sich ausruht, und 
  • die Auswirkungen der Benutzung der Technik auf die anderen Mitarbeiter (Störungen; Musik; Videos).
  • Ein Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit darf nicht mit einem generellen Verbot (z.B. auch während der Pausen) vermengt werden, da dieses weiterhin mitbestimmungspflichtig bleibt.
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