1. Einleitung
Mit der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme der Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der Kommanditgesellschaft (KG) hat sich der BGH in der jüngeren Vergangenheit immer wieder beschäftigen müssen und wird dies auch zukünftig tun. Hier bestehen diverse Gefahren für den Kommanditisten, der sich auf Grundlage seiner zumindest zunächst erbrachten Kommanditeinlage „im sicheren Hafen“ fühlt und nicht mit einer weiteren Inanspruchnahme rechnet. Die Gefahren gelten dabei im Grundsatz unabhängig von der Ausprägung der KG als idealtypische Gesellschaft, als Publikumsgesellschaft oder als GmbH & Co. KG, wobei sich die Rechtsprechung im Regelfall auf die Publikumsgesellschaften bezieht.
Publikumsgesellschaften zeichnen sich durch eine Vielzahl an Kommanditisten aus, deren Beteiligung in der Regel rein den Zwecken der Gewinnmaximierung der getätigten Geldanlage dient. Der Gewinn soll sich dabei insbesondere durch mit der KG vereinbarte, feste jährliche Ausschüttungen realisieren, die unabhängig von dem in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn getätigt werden.
Dieses Anlagemodell rentiert sich auch insoweit als die Ausschüttungen von Bilanzgewinnen gedeckt sind und die KG nicht in Krise und Insolvenz gerät. Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, zeigt die Praxis, dass es nicht mehr lange dauert bis der Insolvenzverwalter Ansprüche über § 171 Abs. 2 HGB geltend macht.
Die rechtlichen Fragestellungen und Fallstricke in diesem Zusammenhang sind mannigfaltig, so dass sich in der Praxis ein erheblicher Beratungsbedarf entwickelt hat. Insbesondere bedarf es einer entsprechenden vorinsolvenzlichen Abschätzung, ob die zu erwartenden Gewinne in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken stehen. Diese Risiken werden zumeist erst in einem Zeitpunkt erkannt, in dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft schon eröffnet ist und damit zu spät.
Sowohl der Berater als auch der Kommanditist sollte am Puls der Zeit sein; mithin die wesentliche Rechtsprechung des BGH kennen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der BGH – wie nun – seine bisherige Rechtsprechung mit der Entscheidung vom 28. Januar 2021 (IX 54/20) ändert.
2. Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer KG, an der der Beklagte als Kommanditist beteiligt ist. Der Beklagte erhielt knapp zehn Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren über fünf Jahre hinweg Ausschüttungen von der Gesellschaft in Höhe von rund EUR 13.000, die nicht von dem Bilanzgewinn gedeckt waren. Die KG tätigte nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ein Rechtsgeschäft (Verkauf eines Schiffs) und begründete damit eine Gewerbesteuerschuld in Höhe von ca. EUR 310.000. Der klagende Insolvenzverwalter hat diese Steuerschuld als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 4 InsO verstanden, für die der Kommanditist auch haftet. Der Kläger begehrte nun die nicht vom Bilanzgewinn gedeckten Ausschüttungen i.H.v. EUR 13.000,00 von dem Beklagten zurück.
3. Gründe der Entscheidung und Folgen
Das Begehren des Insolvenzverwalters hatte Erfolg. Ihm steht ein Haftungsanspruch gegen den Kommanditisten in Höhe der wieder ausgeschütteten Kommanditbetrages zu, den er gemäß §§ 172 Abs. 2 i.V.m. § 172 Abs. 1 und Abs. 4 HGB geltend machen kann. Vorliegend ist zu beachten, dass die Gewerbesteuerforderung eine Gesellschaftsverbindlichkeit ist, für die der Kommanditist nach § 171 HGB iVm §§ 128, 161 Abs. 2 HGB haftet. Die Forderung des Finanzamts wurde durch eine Handlung der KG begründet und ist als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 4 InsO einzuordnen.
Mit der vorgestellten Entscheidung des BGH kommt ein weiterer „Anknüpfungspunkt“ dazu, wie der Kommanditisten – dessen Außenhaftung nach erfolgter Ausschüttung fortbesteht – in der Insolvenz der KG durch den Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden kann. Der Insolvenzverwalter kann die persönliche Haftung des Kommanditisten auch aus Masseverbindlichkeiten einklagen. Der BGH weicht damit von seiner seit 2009 geltenden Rechtsprechung ab, dass es für die Haftung des Kommanditisten auf eine insolvenzrechtliche Einordnung der Verbindlichkeit ankomme. Entscheidend sei nun – richtigerweise – die gesellschaftsrechtliche Einordnung
Die Haftung des Kommanditisten für Verbindlichkeiten scheidet nur noch dann aus, wenn der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin jegliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Begründung der Verbindlichkeit verliert, sie also bspw. vom verfügungs- und verwaltungsbefugten Insolvenzverwalter nach § 80 InsO begründet wird.
Maßgeblich wird es im Ergebnis darauf ankommen, zu welchem Zeitpunkt die Schuld begründet wurde und ob die Gesellschaft selbst hierauf noch Einfluss nehmen konnte. Dementsprechend wird im Fall der Fremdverwaltung im Insolvenzeröffnungsverfahren zwischen einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter und einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter unterschieden werden müssen. Da der Insolvenzschuldner bei einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter die Geschicke der Gesellschaft im Wesentlichen noch selber leitet und somit auch Verbindlichkeiten begründen kann, wird die Haftung des Kommanditisten bei hier begründeten Verbindlichkeiten fortbestehen. Für Verbindlichkeiten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter begründet werden, haftet der Kommanditist weiterhin nicht.
Dies bedeutet für die Praxis, dass die Gefahr der Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht automatisch aus insolvenzrechtlichen Gründen erlischt, vielmehr wird sie bei bestehender persönlicher Haftung wegen bspw. nicht geleisteter oder zurückgewährter Einlagen fortbestehen. Der BGH weitet damit den Kreis potentieller Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Kommanditisten durch den Insolvenzverwalters aus.
Auf diese Haftungsrisiken muss durch eine rechtzeitige Beratung hingewiesen werden, um zunächst zu überlegen, ob insbesondere bei gewinnunabhängigen Ausschüttungen keine nachträgliche Inanspruchnahme droht.
Auch wenn die Haftung des Kommanditisten in den meisten Fällen bei als KG organisierten Schiffsfonds eine Rolle spielte und damit eher die Gerichte und Berater in Norddeutschland beschäftigt hat, so bleibt zu vermuten, dass auch andere, durch die Coronapandemie kriesengeschüttelte Branchen, wie der Tourismus, der ebenfalls bei Großprojekte von Flugzeugbauten und Hotelbauten auf dieses Anlagemodell gesetzt hat, einen diesbezüglichen erheblichen Beratungsbedarf aufwerfen wird.