„Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Unter diesem Titel fasst die nun regierende Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihre Ziele und Planungen für die anstehende Legislaturperiode zusammen. Welche Neuerungen mit Blick auf das Gesellschaftsrechts zu erwarten sind, wird in dem neusten Blogbeitrag zusammengefasst.
1. Einleitung
„Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Unter diesem Titel fasst die nun regierende Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihre Ziele und Planungen für die anstehende Legislaturperiode bis 2025 zusammen. Auf 177 Seiten nimmt die Ampel-Koalition Stellung zu verschiedenen Themen.
Dabei sind auch zahlreiche Neuerungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts avisiert. Wir haben den Koalitionsvertrag dahingehend ausgewertet und geben einen Überblick über die wichtigsten geplanten Änderungen. Auf eine inhaltliche Bewertung wird zunächst verzichtet.
2. Neuerungen im Unternehmensrecht
a) Digitalisierung
Nicht nur mit Blick auf das Unternehmensrecht sind Fortschritte auf dem Gebiet der Digitalisierung ein Kernthema der Ampel-Koalition. Dabei fasst die neue Regierung auch das Gesellschaftsrecht ins Auge. Die COVID-19-Pandemie hat gezwungenermaßen zur vorübergehenden Möglichkeit virtueller Hauptversammlungen in der Aktiengesellschaft geführt (§ 1 CoVMG). Für Kommanditgesellschaften auf Aktien, die SE und den VVaG gilt dies entsprechend. Die Möglichkeit der Online-Hauptversammlung soll aber auch nach Ende der Pandemie bestehen bleiben, wobei gleichzeitig Aktionärsrechte uneingeschränkt gewahrt werden sollen. Wie dies umgesetzt wird, ist allerdings noch offen. Ob eine reine virtuelle Hauptversammlung zulässig sein wird oder ob lediglich die Durchführung einer hybriden Hauptversammlung ermöglicht wird, wird sich zeigen müssen.
Auch im Bereich der Gesellschaftsgründung wird die Digitalisierung zukünftig spürbar sein. Während bereits durch die GroKo eine Online-Gründung von GmbH und UG (haftungsbeschränkt) bei Bargründungen ab dem 1. August 2022 ermöglicht wird, soll dieser Prozess unter der Ampel-Koalition künftig noch erweitert werden: Beurkundungen per Videokommunikation werden demnach auch bei Gründungen mit Sacheinlagen und weiteren Beschlüssen möglich werden.
Ab dem 1. August 2022 wird der Gang zum Notariat also häufiger entbehrlich werden. Stattdessen wird die Beurkundung mittels Videokonferenz beim Notar erfolgen. Das dafür vorgesehene System wird von der Bundesnotarkammer entwickelt und betrieben. Ob zum Start im August 2022 bereits eine Erweiterung der Vorschriften auf Gründungen mit Sacheinlage erfolgen kann, ist unklar. Es dürfte aber nahe liegen, dass eine Erweiterung zeitnah erfolgen wird, da die technischen Voraussetzungen dafür ohnehin bereits bis August 2022 geschaffen sein müssen.
b) Compliance, EU-Whistleblower-Richtlinie
Änderungen sind auch im Bereich der Compliance zu erwarten. So sollen die Vorschriften der Unternehmenssanktionen und insbesondere auch die Höhe der Sanktionen überarbeitet werden. Ziel ist es, die Rechtssicherheit von Unternehmen im Umgang mit ihren Compliance-Pflichten zu verbessern. Auch soll ein präziser Rechtsrahmen für interne Untersuchungen geschaffen werden. Wie die Umsetzung aussehen wird, bleibt allerdings offen.
Für die Unternehmenscompliance nicht weniger relevant wird die nun von der Ampel-Koalition anzugehende Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie, die dem Schutz von Whistleblowing in Unternehmen dient. Unter der Großen Koalition war die Umsetzung der Richtlinie in diesem Jahr vorerst gescheitert. Die Ampel-Koalition wird das Gesetzesvorhaben nun wieder aufgreifen müssen. Zur Stärkung der Whistleblower-Kultur sollen im Übrigen auch Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote geprüft werden. Dass die Koalition das Whistleblowing ins Auge fasst, ist für Unternehmen angesichts der Umsetzungspflicht sicherlich keine Überraschung. Spannend dürfte aber sein, wie der Koalition dies gelingen wird und wie sich dies auf die Unternehmenscompliance auswirken wird.
c) Mitbestimmung
Mit Spannung dürfte zu erwarten sein, was in den nächsten vier Jahren im Bereich der Unternehmensmitbestimmung passiert. Der Koalitionsvertrag bietet hierzu einen eigenen Abschnitt. Grund dafür ist die teilweise Aushebelung der Mitbestimmungsvorschriften durch die Rechtsform der SE. Dem will die Koalition entgegentreten und den sog. Einfriereffekt zukünftig verhindern. Wie dies auf nationaler Ebene gelingen soll, ist allerdings fraglich, schließlich ist der Einfriereffekt auf europarechtliche Vorgaben zurückzuführen. Eine Anpassung wäre daher wohl nur auf EU-Ebene möglich.
Daneben soll auch die bereits aus dem Mitbestimmungsgesetz bekannte Konzernzurechnung auf das Drittelbeteiligungsgesetz übertragen werden, sofern faktisch eine echte Beherrschung vorliegt.
Auch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll in diesem Zuge evaluiert werden. Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung soll zukünftig als Offizialdelikt eingestuft werden.
3. Stärkung und Förderung der deutschen Start-Up-Szene
Besonders interessant dürften die Inhalte des Koalitionsvertrages für die deutsche Gründer- und Start-Up-Szene sein. Die Regierungskoalition macht es sich nämlich zur Aufgabe, Deutschland zum führenden Start-Up-Standort in Europa zu machen. Daneben wird auch die Stärkung des Venture-Capital-Standortes Deutschland zum Ziel ausgerufen.
Zur Verwirklichung dieser Ziele benennt der Koalitionsvertrag bereits einige Ideen. So soll eine umfassende Start-Up-Strategie verabschiedet werden. Förderinstrumente sollen geschaffen und der Zugang zu Venture Capital sichergestellt werden. Start-Up-Unternehmen sollen zukünftig einfacheren und rechtssicheren Zugang zu öffentlichen Aufträgen haben. Innovationsförderung und -finanzierung sollen gestärkt und entbürokratisiert werden. Gleichzeitig ist eine stärkere Einbindung der KfW als Innovations- und Investitionsagentur geplant.
Mit Spannung zu erwarten sind auch die Pläne im Bereich des Kapitalmarktrechts. Börsengänge und Kapitalerhöhungen sollen zukünftig leichter möglich sein. Dies soll auch für Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten gelten (sog. Dual Class Shares).
Schließlich soll auch die Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern speziell für Start-Ups attraktiver ausgestaltet werden. Die Ampel-Koalition will dieses Thema nun verstärkt in den Fokus rücken. Eine Anhebung des Steuerfreibetrages ist dabei ausdrücklich geplant.
4. Verschärfungen im Immobilienrecht
Unternehmen werden künftig auch im Bereich des Immobilienerwerbs und der Immobilienverwaltung aufmerksamer sein müssen. Hauptziel der Koalition ist die Bekämpfung illegaler Finanzierungen. Dabei setzt man es sich zur Aufgabe, Steuerschlupflöcher beim Immobilienerwerb zu schließen. Dieses Thema wird insbesondere beim Share Deal noch eine große Rolle spielen. Der Koalitionsvertrag fasst insbesondere auch ausländische Erwerber in den Fokus: Diese sollen künftig Versteuerungsnachweise bei jeglichem Immobilienerwerb in Deutschland vorliegen. Des Weiteren ist ein Verbot des Barerwerbs beabsichtigt. Schließlich sind auch Verschärfungen im Grundbuchrecht geplant. So soll beispielsweise eine ladungsfähige Anschrift bei Änderungen im Grundbuch verpflichtend werden. Auch im Bereich der Geldwäsche sind hierzu Anpassungen geplant. Dazu zählt beispielsweise die Vereinfachung von Geldwäsche-Meldungen im Immobiliensektor.
5. Wettbewerbsrecht
Schließlich will sich die Koalition auch für einen fairen Wettbewerb stark machen. Dies verspricht Anpassungen im Bereich des Wettbewerbsrechts. Eine Evaluierung und Weiterentwicklung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird hierzu ausdrücklich ins Auge gefasst. Gleichzeitig ist eine Stärkung des Bundeskartellamtes zu erwarten. Eine Anpassung der Fusionskontrolle auf europäischer Ebene wird von der Regierung ebenfalls stärker forciert werden.
6. Fazit
Der Koalitionsvertrag lässt in der kommenden Legislaturperiode viele Anpassungen und Neuerungen vermuten. Dies gilt vor allem für die Digitalisierung, die vielen Unternehmen hoffentlich Zeit und Geld sparen wird. Wie viele Inhalte des Koalitionsvertrages aber tatsächlich umgesetzt werden können, bleibt abzuwarten. Der Koalitionsvertrag der GroKo 2018 macht mit einer Umsetzungsquote von immerhin 80 Prozent jedenfalls Hoffnung.