Autoren
Dr. Peter Steinberg, Paul Baltz
Datum

01. Februar 2024

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinem Beschluss vom 17.08.2023 (Az.: V R 7/23) mit der Rückausnahme der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 S. 2 UStG befasst. Zu klären war, ob die Haupt- und Nebenleistungen innerhalb eines Pachtvertrages über sowohl ein Grundstück (grundsätzlich umsatzsteuerfrei) als auch spezielle Betriebsvorrichtungen für die Nutzung des Grundstückes (umsatzsteuerpflichtig aufgrund der Rückausnahme) einheitlich oder getrennt zu bewerten waren. Lesen Sie im Folgenden wie sich sowohl der BFH als auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Klärung dieser Frage, insbesondere zur Steuerfreiheit, positioniert haben.

Sachverhalt

In den Streitjahren 2010 bis 2014 verpachtete der Kläger Stallgebäude mit auf Dauer eingebauten, speziell auf die vertragsgemäße Nutzung abgestimmten Vorrichtungen und Maschinen, sog. Betriebsvorrichtungen. Für die vertragsgemäße Nutzung zahlte der Pächter ein einheitliches Entgelt. Der Kläger ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung der Stallgebäude insgesamt steuerfrei sei.

Hinweis: Die Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks ist nach § 4 Nr. 12 lit. a UStG umsatzsteuerfrei. Die eigenständige Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), ist jedoch nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG von dieser Steuerbefreiung explizit ausgenommen, auch wenn die Vorrichtungen wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Gleiches gilt im Unionsrecht nach Art. 135 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Nach Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. c MwStSystRL wäre die Vermietung von Betriebsvorrichtungen von der Befreiung der Umsatzsteuer aus Absatz 1 des Artikels ausgeschlossen. Lediglich Grundstücksvermietungen sind steuerfrei nach Art. 135 Abs. 1 lit. l MwStSystRL.

Das Finanzamt teilte die Verpachtung jedoch auf und ging von einer Umsatzsteuerpflicht für die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen aus. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Vor dem Finanzgericht bekam der Kläger recht. Nach geltender EuGH Rechtsprechung ging das Finanzgericht davon aus, dass es sich bei der Verpachtung der speziell angefertigten Betriebsvorrichtungen um eine Nebenleistung handele, die zusammen mit der Verpachtung des Grundstücks in wirtschaftlicher Hinsicht eine einheitliche Leistung bilde. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein. Laut dem Finanzamt gäbe es bei der Verpachtung von Grundstücken und Betriebsvorrichtungen ein generelles Aufteilungsgebot, da § 4 Nr. 12 S. 2 UStG dem Grundsatz der einheitlichen Leistung vorgehe. Das Finanzamt stützt sich damit auch auf bis dato geltende Rechtsprechung des BFH.

Der Bundesfinanzhof wandte sich zunächst an den Europäischen Gerichtshof

Der BFH legte den Fall zur Sicherstellung unionsrechtlicher Einheitlichkeit zunächst dem EuGH vor. Konkret fragte der BFH an, ob von der Steuerpflicht aus Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. c MwStSystRL die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen nur isoliert oder auch als Nebenleistung aufgrund desselben Pachtvertrages, welcher eigentlich steuerfrei nach Art. 135 Abs. 1 lit. l MwStSystRL wäre, erfasst wird.

Nach Ansicht des EuGH gilt die Steuerpflicht aus Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. c MwStSystRL nicht, wenn die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen wirtschaftlich einheitlich als Nebenleistung zu einer umsatzsteuerfreien Verpachtung eines Grundstücks zwischen denselben Parteien steht. Laut des EuGHs ergibt sich kein Erfordernis, einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang künstlich in eigenständige Leistungen aufzuteilen. Sind die Betriebsvorrichtungen, wie in diesem Fall, speziell an das verpachtete Grundstück und dessen Verwendungszweck angepasst und wurde der Pachtvertrag zwischen denselben Parteien mit einem einheitlichen Entgelt vereinbart, so sind die Haupt- und Nebenleistung untrennbar miteinander verbunden. Ist die Hauptleistung von der Umsatzsteuer befreit, so ist die Nebenleistung gleichermaßen zu behandeln.

Hinweis: Das Urteil des EuGH ist unter folgender Adresse vollständig einsehbar: https://lmy.de/bhG

Anschluss des Bundesfinanzhofs

Der BFH schließt sich dieser Meinung an und ändert damit seine bisherige Rechtsauffassung hinsichtlich des Aufteilungsgebotes. In richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 12 S. 2 UStG berichtigt der BFH damit die bisherige Handhabung, auch unter der Berücksichtigung, dass § 4 Nr. 12 UStG der Umsetzung der von Art. 135 Abs. 2 S. 1 MwStSystRL ausdrücklich genannten Ausnahmen dient. Nicht jedoch diene der Paragraph dazu die in Satz 2 genannte Ermächtigung, weitere nationale Ausnahmen von der Steuerbefreiung festzuhalten, auszuüben. Hierfür hätte § 4 Nr. 12 S. 2 UStG in eindeutiger Weise ein Aufteilungsgebot formulieren müssen. So habe der BFH (Az.: XI R 20/15 und V R 41/19) bereits zuvor entschieden, dass die durch Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. b MwStSystRL ebenfalls von der Steuerbefreiung ausgeschlossene Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs mit der Vermietung von Grundstücken steuerfrei ist. Dies könne nicht anders für den Streitfall gelten.

Fazit

Werden im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, speziell für die Nutzung des Grundstücks zugeschnittene Betriebsvorrichtungen mit verpachtet und wird hierfür vom selben Vertragspartner ein einheitliches Entgelt geleistet, so ist diese Leistung, trotz ausdrücklichem Widerspruch im Gesetz, insgesamt umsatzsteuerfrei. Das aktuelle Urteil des BFH reiht sich in seine neueren Urteile im Rahmen des § 4 Nr. 12 UStG nahtlos ein. Der BFH scheint bei einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung bei Miet- und Pachtverträgen vom generellen Aufteilungsgebot im Umsatzsteuerrecht ablassen zu wollen. Es könnte sich hier eine Bevorzugung des BFH der am Einzelfall orientierten Betrachtungsweise auch für andere Fallkonstellationen herauskristallisieren.

Geänderte Rechtsauffassung des BFH zum Aufteilungsgebot im Umsatzsteuerrecht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinem Beschluss vom 17.08.2023 (Az.: V R 7/23) mit der Rückausnahme der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 S. 2 UStG befasst. Zu klären war, ob die Haupt- und Nebenleistungen innerhalb eines Pachtvertrages über sowohl ein Grundstück (grundsätzlich umsatzsteuerfrei) als auch spezielle Betriebsvorrichtungen für die Nutzung des Grundstückes (umsatzsteuerpflichtig aufgrund der Rückausnahme) einheitlich oder getrennt zu bewerten waren. Lesen Sie im Folgenden wie sich sowohl der BFH als auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Klärung dieser Frage, insbesondere zur Steuerfreiheit, positioniert haben.

Sachverhalt

In den Streitjahren 2010 bis 2014 verpachtete der Kläger Stallgebäude mit auf Dauer eingebauten, speziell auf die vertragsgemäße Nutzung abgestimmten Vorrichtungen und Maschinen, sog. Betriebsvorrichtungen. Für die vertragsgemäße Nutzung zahlte der Pächter ein einheitliches Entgelt. Der Kläger ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung der Stallgebäude insgesamt steuerfrei sei.

Hinweis: Die Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks ist nach § 4 Nr. 12 lit. a UStG umsatzsteuerfrei. Die eigenständige Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), ist jedoch nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG von dieser Steuerbefreiung explizit ausgenommen, auch wenn die Vorrichtungen wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Gleiches gilt im Unionsrecht nach Art. 135 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Nach Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. c MwStSystRL wäre die Vermietung von Betriebsvorrichtungen von der Befreiung der Umsatzsteuer aus Absatz 1 des Artikels ausgeschlossen. Lediglich Grundstücksvermietungen sind steuerfrei nach Art. 135 Abs. 1 lit. l MwStSystRL.

Das Finanzamt teilte die Verpachtung jedoch auf und ging von einer Umsatzsteuerpflicht für die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen aus. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Vor dem Finanzgericht bekam der Kläger recht. Nach geltender EuGH Rechtsprechung ging das Finanzgericht davon aus, dass es sich bei der Verpachtung der speziell angefertigten Betriebsvorrichtungen um eine Nebenleistung handele, die zusammen mit der Verpachtung des Grundstücks in wirtschaftlicher Hinsicht eine einheitliche Leistung bilde. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein. Laut dem Finanzamt gäbe es bei der Verpachtung von Grundstücken und Betriebsvorrichtungen ein generelles Aufteilungsgebot, da § 4 Nr. 12 S. 2 UStG dem Grundsatz der einheitlichen Leistung vorgehe. Das Finanzamt stützt sich damit auch auf bis dato geltende Rechtsprechung des BFH.

Der Bundesfinanzhof wandte sich zunächst an den Europäischen Gerichtshof

Der BFH legte den Fall zur Sicherstellung unionsrechtlicher Einheitlichkeit zunächst dem EuGH vor. Konkret fragte der BFH an, ob von der Steuerpflicht aus Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. c MwStSystRL die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen nur isoliert oder auch als Nebenleistung aufgrund desselben Pachtvertrages, welcher eigentlich steuerfrei nach Art. 135 Abs. 1 lit. l MwStSystRL wäre, erfasst wird.

Nach Ansicht des EuGH gilt die Steuerpflicht aus Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. c MwStSystRL nicht, wenn die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen wirtschaftlich einheitlich als Nebenleistung zu einer umsatzsteuerfreien Verpachtung eines Grundstücks zwischen denselben Parteien steht. Laut des EuGHs ergibt sich kein Erfordernis, einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang künstlich in eigenständige Leistungen aufzuteilen. Sind die Betriebsvorrichtungen, wie in diesem Fall, speziell an das verpachtete Grundstück und dessen Verwendungszweck angepasst und wurde der Pachtvertrag zwischen denselben Parteien mit einem einheitlichen Entgelt vereinbart, so sind die Haupt- und Nebenleistung untrennbar miteinander verbunden. Ist die Hauptleistung von der Umsatzsteuer befreit, so ist die Nebenleistung gleichermaßen zu behandeln.

Hinweis: Das Urteil des EuGH ist unter folgender Adresse vollständig einsehbar: https://lmy.de/bhG

Anschluss des Bundesfinanzhofs

Der BFH schließt sich dieser Meinung an und ändert damit seine bisherige Rechtsauffassung hinsichtlich des Aufteilungsgebotes. In richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 12 S. 2 UStG berichtigt der BFH damit die bisherige Handhabung, auch unter der Berücksichtigung, dass § 4 Nr. 12 UStG der Umsetzung der von Art. 135 Abs. 2 S. 1 MwStSystRL ausdrücklich genannten Ausnahmen dient. Nicht jedoch diene der Paragraph dazu die in Satz 2 genannte Ermächtigung, weitere nationale Ausnahmen von der Steuerbefreiung festzuhalten, auszuüben. Hierfür hätte § 4 Nr. 12 S. 2 UStG in eindeutiger Weise ein Aufteilungsgebot formulieren müssen. So habe der BFH (Az.: XI R 20/15 und V R 41/19) bereits zuvor entschieden, dass die durch Art. 135 Abs. 2 S. 1 lit. b MwStSystRL ebenfalls von der Steuerbefreiung ausgeschlossene Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs mit der Vermietung von Grundstücken steuerfrei ist. Dies könne nicht anders für den Streitfall gelten.

Fazit

Werden im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, speziell für die Nutzung des Grundstücks zugeschnittene Betriebsvorrichtungen mit verpachtet und wird hierfür vom selben Vertragspartner ein einheitliches Entgelt geleistet, so ist diese Leistung, trotz ausdrücklichem Widerspruch im Gesetz, insgesamt umsatzsteuerfrei. Das aktuelle Urteil des BFH reiht sich in seine neueren Urteile im Rahmen des § 4 Nr. 12 UStG nahtlos ein. Der BFH scheint bei einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung bei Miet- und Pachtverträgen vom generellen Aufteilungsgebot im Umsatzsteuerrecht ablassen zu wollen. Es könnte sich hier eine Bevorzugung des BFH der am Einzelfall orientierten Betrachtungsweise auch für andere Fallkonstellationen herauskristallisieren.

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