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Sabrina Skaisgirski
Datum

04. Juli 2024

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§ 13 d Abs. 1 ErbStG enthält eine steuerliche Begünstigung für Grundstücke, die im Wege der Schenkung oder durch Erbanfall übertragen werden. Grundstücke, die sich nicht auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaates des EWR-Abkommens befinden, sind von der Begünstigung jedoch ausgenommen. In seiner Entscheidung vom 12.10.2023 – Az. C-670/21 hat der EuGH nun entschieden, ob der Ausschluss von Grundstücken in Drittländern ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.

Sachverhalt

Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist in Deutschland ansässig und hat von seinem Vater, der seinen Wohnsitz ebenfalls in Deutschland hatte, zu Wohnzwecken vermietetes Grundvermögen vermacht bekommen. Das Grundvermögen befindet sich in Kanada, mithin in einem Drittland und ist nicht Teil eines Betriebsvermögens.

Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer wurden die Grundstücke durch das Finanzamt mit ihrem vollen Verkehrswert berücksichtigt. Später beantragte der Kläger die Grundstücke nach § 13d Abs. 1 ErbStG (§ 13c Abs. 1 ErbStG a.F.) nur mit 90 % ihres gemeinen Wertes anzusetzen. Er machte geltend, dass alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Begünstigung, mit Ausnahme der Voraussetzung, dass das Grundstück in Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, der Mitglied des EWR-Abkommens ist, liegt, erfüllt seien. Da der Ausschluss von Grundvermögen, das sich im Drittland befindet, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, sei das Nichtvorliegen der Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Begünstigung jedoch unbeachtlich.

Das Finanzamt folgte der Ansicht des Klägers nicht und lehnte den Antrag ab. Auch den hiergegen erhobenen Einspruch wies es als unbegründet zurück, woraufhin der Kläger beim Finanzgericht Köln Klage erhob.

Das FG Köln sah die Auslegung der Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit als entscheidungserheblich an und legte dem EuGH mit Beschluss vom 02.09.2021 – Az. 7 K 1333/19 folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

„Sind die Art. 63 Abs. 1, 64 und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedsstaates über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die für die Berechnung der Erbschaftsteuer vorsieht, dass ein zum Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück, welches in einem Drittland belegen ist und zu Wohnzwecken vermietet wird, mit seinem vollen Wert angesetzt wird, während ein Grundstück des Privatvermögens, welches im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraum belegen ist und zu Wohnzwecken vermietet wird, lediglich mit 90 von Hundert seines Werts bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigt wird?“

Die Begünstigung nach § 13d ErbStG

Nach § 13d Abs. 1 ErbStG werden Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet werden und nicht zu begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft gehören, nur mit 90 % ihres gemeinen Wertes bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt, wenn sich die Grundstücke im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraum befinden.

Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV

Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet eine Beschränkung des Zahlungsverkehrs zwischen Mitgliedsstaaten sowie zwischen Mitgliedsstaaten und Drittländern und verbietet jede ortsbedingte Ungleichbehandlung von Kapitalanlagen oder Anlegern. Hierunter fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch die Besteuerung von Erbschaften, sofern ein ausreichender Auslandsbezug vorliegt. Ein solcher ist jedenfalls dann gegeben, wenn ein Mitgliedsstaat Steuern auf einen Erbfall erhebt, bei dem Drittlandsvermögen zwischen zwei Personen, die im Inland ansässig sind, übertragen wird.

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Im Rahmen der Erbschaftsteuer nimmt der EuGH eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit an, wenn die Maßnahme geeignet ist, Gebietsfremde von Investitionen im Inland oder inländische Bürger von Investitionen im Ausland abzuhalten. Ebenfalls erfasst werden Maßnahmen, die eine Wertminderung des Nachlasses bewirken, wenn sich das Vermögen nicht im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen befindet.

Durch § 13d ErbStG werden Grundstücke, die sich nicht in der Europäischen Union oder im europäischen Wirtschaftsraum befinden, stärker mit Erbschaftsteuer belastet und der Wert des Nachlasses wird durch die zu zahlenden Steuern gemindert. Die Begünstigung ist daher geeignet, Investitionen im Ausland zu verhindern und stellt eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.

Rechtfertigung nach Art. 65 AEUV

Art. 65 Abs. 1 Buchst. a) AEUV ist als Ausnahme zum Grundsatz des freien Kapitalverkehrs grundsätzlich eng auszulegen und wird durch Art. 65 Abs. 3 AEUV wiederum eingeschränkt. Danach darf die Regelung weder eine willkürliche Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen. Eine Vorschrift ist daher nur dann mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, wenn die Ungleichbehandlung objektiv nicht vergleichbare Situationen betrifft oder die Ungleichbehandlung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.

Objektive Vergleichbarkeit

Die deutsche Bundesregierung machte geltend, dass die Situationen im entschiedenen Fall nicht vergleichbar sind, denn die Steuerbegünstigung nach § 13d ErbStG dient der Förderung von bezahlbarem Wohnraum, so dass keine Verpflichtung bestehe, die Begünstigung auch auf Grundstücke in Drittländern zu erstrecken, denn die Mietpreissituation in Drittländern kann sich erheblich von der Mietpreissituation in Deutschland und in den anderen europäischen Staaten unterscheiden.

Dem widersprach der EuGH. Bei der Entscheidung, ob eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliegt, muss das verfolgte Ziel, der Zweck und die maßgeblichen Kriterien berücksichtigt werden. Ob danach eine Vergleichbarkeit der Situationen vorliegt, ist nur anhand der durch die Regelung aufgestellten Unterscheidungskriterien zu beurteilen.

Nach § 13d ErbStG wird für alle Grundstücke, unabhängig von ihrem Belegenheitsort, einheitlich der gemeine Wert für die Besteuerung zugrunde gelegt. Gründe dafür, dass eine objektive Vergleichbarkeit nur aufgrund der unterschiedlichen Lage der Grundstücke nicht angenommen werden kann, sind nicht ersichtlich, denn ansonsten würde die Kapitalverkehrsfreiheit ausgehöhlt werden.

Rechtfertigung aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses

Eine Ungleichbehandlung kann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, wenn die Maßnahme geeignet ist, das Ziel zu erreichen und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.

Die deutsche Bundesregierung machte geltend, dass die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 13d ErbStG aus Gründen der sozialen Wohnungspolitik, als auch durch die Gewährleistung der wirksamen Steueraufsicht gerechtfertigt werden kann, denn die soziale Wohnungspolitik und ihre Finanzierbarkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH – Az. C-567/07 grundsätzlich zwingende Gründe des Allgemeininteresses.

Weiter macht die deutsche Bundesregierung geltend, dass § 13d ErbStG die Steuerlast vermindert, wegen der sich die Erben gezwungen fühlen könnten, das Grundstück zu veräußern und die Vermietung von Wohnraum durch Privatpersonen begünstigt, als Ausgleich zu institutionellen Anbietern, bei denen keine Erbschaftsteuer anfällt. Daher sei die Vorschrift geeignet, die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum, sowohl innerhalb von Deutschland als auch in anderen europäischen Staaten, zu gewährleisten und die europäische Aufgabe zu erfüllen.

Auch nach Auffassung des EuGH ist die soziale Wohnungspolitik ein zwingender Grund des Allgemeininteresses. Damit die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gerechtfertigt werden kann, muss die Maßnahme jedoch auch geeignet und erforderlich sein.

Im Hinblick auf § 13d ErbStG fehlt nach Auffassung des EuGH bereits die Geeignetheit der Maßnahme. Denn § 13d ErbStG gilt nicht nur für Orte mit besonders großer Wohnungsnot, sondern ganz allgemein, für den gesamten Raum. Zudem werden von § 13d ErbStG alle Kategorien von Wohngrundstücken umfasst und somit auch luxuriöse Immobilien, durch deren Begünstigung die soziale Wohnungspolitik gerade nicht gefördert werden kann.

Auch besteht keine Pflicht des Erben, die Wohnung über einen bestimmten Zeitraum zu behalten und zu vermieten, die Erben können die Immobilie direkt nach Inanspruchnahme der Begünstigung veräußern oder selbst nutzen. Daher ist die Begünstigung des § 13d ErbStG wohl nicht geeignet, die soziale Wohnungspolitik zu fördern und die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit kann hierdurch nicht gerechtfertigt werden.

Auch die Gewährleistung der wirksamen Steueraufsicht stellt grundsätzlich einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen kann.

Daher kann die Gewährung einer Begünstigung durch einen Mitgliedsstaat grundsätzlich rechtmäßig verweigert werden, wenn die Überprüfung der Bedingungen, die für die Inanspruchnahme erfüllt sein müssen, nur durch Einholung von Auskünften bei den zuständigen Behörden des Drittlandes erfolgen kann und der Drittstaat wegen fehlender vertraglicher Vereinbarung nicht verpflichtet ist, die Auskunft zu erteilen, so dass die erforderlichen Auskünfte tatsächlich kaum eingeholt werden können.

Mit Kanada besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen, bei dem der andere Vertragsstaat verpflichtet ist, die Auskünfte bei Auskunftsersuchen des anderen Vertragsstaates so zu beschaffen, als handele es sich um eigene Steuerfälle, selbst wenn die Auskünfte im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens nicht erforderlich sind. Dabei bestehen bei der tatsächlichen Durchführung der Vereinbarungen auch keine Schwierigkeiten. Zumindest in diesen Fällen kann die Gewährleistung der wirksamen Steueraufsicht eine Ungleichbehandlung daher nicht rechtfertigen.

Fazit

Durch seine Entscheidung macht der EuGH deutlich, dass die steuerliche Begünstigung von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken nicht von der Belegenheit der Grundstücke abhängig gemacht werden darf. In Folge der Entscheidung besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, der die entsprechende Voraussetzung für die Steuerbegünstigung streichen oder europarechtskonform ersetzen sollte. Für laufende Verfahren erlangt die Entscheidung aber jetzt schon Bedeutung. Auch zahlreiche andere Begünstigungen des Erbschaftsteuergesetzes knüpfen an die Belegenheit des Grundstückes an. Die Auswirkungen der Entscheidung auf die sonstigen Begünstigungen bleiben abzuwarten.

EuGH zur Frage der Vereinbarkeit der Begünstigung des § 13d ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit

§ 13 d Abs. 1 ErbStG enthält eine steuerliche Begünstigung für Grundstücke, die im Wege der Schenkung oder durch Erbanfall übertragen werden. Grundstücke, die sich nicht auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaates des EWR-Abkommens befinden, sind von der Begünstigung jedoch ausgenommen. In seiner Entscheidung vom 12.10.2023 – Az. C-670/21 hat der EuGH nun entschieden, ob der Ausschluss von Grundstücken in Drittländern ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.

Sachverhalt

Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist in Deutschland ansässig und hat von seinem Vater, der seinen Wohnsitz ebenfalls in Deutschland hatte, zu Wohnzwecken vermietetes Grundvermögen vermacht bekommen. Das Grundvermögen befindet sich in Kanada, mithin in einem Drittland und ist nicht Teil eines Betriebsvermögens.

Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer wurden die Grundstücke durch das Finanzamt mit ihrem vollen Verkehrswert berücksichtigt. Später beantragte der Kläger die Grundstücke nach § 13d Abs. 1 ErbStG (§ 13c Abs. 1 ErbStG a.F.) nur mit 90 % ihres gemeinen Wertes anzusetzen. Er machte geltend, dass alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Begünstigung, mit Ausnahme der Voraussetzung, dass das Grundstück in Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, der Mitglied des EWR-Abkommens ist, liegt, erfüllt seien. Da der Ausschluss von Grundvermögen, das sich im Drittland befindet, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, sei das Nichtvorliegen der Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Begünstigung jedoch unbeachtlich.

Das Finanzamt folgte der Ansicht des Klägers nicht und lehnte den Antrag ab. Auch den hiergegen erhobenen Einspruch wies es als unbegründet zurück, woraufhin der Kläger beim Finanzgericht Köln Klage erhob.

Das FG Köln sah die Auslegung der Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit als entscheidungserheblich an und legte dem EuGH mit Beschluss vom 02.09.2021 – Az. 7 K 1333/19 folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

„Sind die Art. 63 Abs. 1, 64 und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedsstaates über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die für die Berechnung der Erbschaftsteuer vorsieht, dass ein zum Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück, welches in einem Drittland belegen ist und zu Wohnzwecken vermietet wird, mit seinem vollen Wert angesetzt wird, während ein Grundstück des Privatvermögens, welches im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraum belegen ist und zu Wohnzwecken vermietet wird, lediglich mit 90 von Hundert seines Werts bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigt wird?“

Die Begünstigung nach § 13d ErbStG

Nach § 13d Abs. 1 ErbStG werden Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet werden und nicht zu begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft gehören, nur mit 90 % ihres gemeinen Wertes bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt, wenn sich die Grundstücke im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraum befinden.

Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV

Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet eine Beschränkung des Zahlungsverkehrs zwischen Mitgliedsstaaten sowie zwischen Mitgliedsstaaten und Drittländern und verbietet jede ortsbedingte Ungleichbehandlung von Kapitalanlagen oder Anlegern. Hierunter fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch die Besteuerung von Erbschaften, sofern ein ausreichender Auslandsbezug vorliegt. Ein solcher ist jedenfalls dann gegeben, wenn ein Mitgliedsstaat Steuern auf einen Erbfall erhebt, bei dem Drittlandsvermögen zwischen zwei Personen, die im Inland ansässig sind, übertragen wird.

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Im Rahmen der Erbschaftsteuer nimmt der EuGH eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit an, wenn die Maßnahme geeignet ist, Gebietsfremde von Investitionen im Inland oder inländische Bürger von Investitionen im Ausland abzuhalten. Ebenfalls erfasst werden Maßnahmen, die eine Wertminderung des Nachlasses bewirken, wenn sich das Vermögen nicht im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen befindet.

Durch § 13d ErbStG werden Grundstücke, die sich nicht in der Europäischen Union oder im europäischen Wirtschaftsraum befinden, stärker mit Erbschaftsteuer belastet und der Wert des Nachlasses wird durch die zu zahlenden Steuern gemindert. Die Begünstigung ist daher geeignet, Investitionen im Ausland zu verhindern und stellt eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.

Rechtfertigung nach Art. 65 AEUV

Art. 65 Abs. 1 Buchst. a) AEUV ist als Ausnahme zum Grundsatz des freien Kapitalverkehrs grundsätzlich eng auszulegen und wird durch Art. 65 Abs. 3 AEUV wiederum eingeschränkt. Danach darf die Regelung weder eine willkürliche Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen. Eine Vorschrift ist daher nur dann mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, wenn die Ungleichbehandlung objektiv nicht vergleichbare Situationen betrifft oder die Ungleichbehandlung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.

Objektive Vergleichbarkeit

Die deutsche Bundesregierung machte geltend, dass die Situationen im entschiedenen Fall nicht vergleichbar sind, denn die Steuerbegünstigung nach § 13d ErbStG dient der Förderung von bezahlbarem Wohnraum, so dass keine Verpflichtung bestehe, die Begünstigung auch auf Grundstücke in Drittländern zu erstrecken, denn die Mietpreissituation in Drittländern kann sich erheblich von der Mietpreissituation in Deutschland und in den anderen europäischen Staaten unterscheiden.

Dem widersprach der EuGH. Bei der Entscheidung, ob eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliegt, muss das verfolgte Ziel, der Zweck und die maßgeblichen Kriterien berücksichtigt werden. Ob danach eine Vergleichbarkeit der Situationen vorliegt, ist nur anhand der durch die Regelung aufgestellten Unterscheidungskriterien zu beurteilen.

Nach § 13d ErbStG wird für alle Grundstücke, unabhängig von ihrem Belegenheitsort, einheitlich der gemeine Wert für die Besteuerung zugrunde gelegt. Gründe dafür, dass eine objektive Vergleichbarkeit nur aufgrund der unterschiedlichen Lage der Grundstücke nicht angenommen werden kann, sind nicht ersichtlich, denn ansonsten würde die Kapitalverkehrsfreiheit ausgehöhlt werden.

Rechtfertigung aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses

Eine Ungleichbehandlung kann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, wenn die Maßnahme geeignet ist, das Ziel zu erreichen und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.

Die deutsche Bundesregierung machte geltend, dass die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 13d ErbStG aus Gründen der sozialen Wohnungspolitik, als auch durch die Gewährleistung der wirksamen Steueraufsicht gerechtfertigt werden kann, denn die soziale Wohnungspolitik und ihre Finanzierbarkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH – Az. C-567/07 grundsätzlich zwingende Gründe des Allgemeininteresses.

Weiter macht die deutsche Bundesregierung geltend, dass § 13d ErbStG die Steuerlast vermindert, wegen der sich die Erben gezwungen fühlen könnten, das Grundstück zu veräußern und die Vermietung von Wohnraum durch Privatpersonen begünstigt, als Ausgleich zu institutionellen Anbietern, bei denen keine Erbschaftsteuer anfällt. Daher sei die Vorschrift geeignet, die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum, sowohl innerhalb von Deutschland als auch in anderen europäischen Staaten, zu gewährleisten und die europäische Aufgabe zu erfüllen.

Auch nach Auffassung des EuGH ist die soziale Wohnungspolitik ein zwingender Grund des Allgemeininteresses. Damit die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gerechtfertigt werden kann, muss die Maßnahme jedoch auch geeignet und erforderlich sein.

Im Hinblick auf § 13d ErbStG fehlt nach Auffassung des EuGH bereits die Geeignetheit der Maßnahme. Denn § 13d ErbStG gilt nicht nur für Orte mit besonders großer Wohnungsnot, sondern ganz allgemein, für den gesamten Raum. Zudem werden von § 13d ErbStG alle Kategorien von Wohngrundstücken umfasst und somit auch luxuriöse Immobilien, durch deren Begünstigung die soziale Wohnungspolitik gerade nicht gefördert werden kann.

Auch besteht keine Pflicht des Erben, die Wohnung über einen bestimmten Zeitraum zu behalten und zu vermieten, die Erben können die Immobilie direkt nach Inanspruchnahme der Begünstigung veräußern oder selbst nutzen. Daher ist die Begünstigung des § 13d ErbStG wohl nicht geeignet, die soziale Wohnungspolitik zu fördern und die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit kann hierdurch nicht gerechtfertigt werden.

Auch die Gewährleistung der wirksamen Steueraufsicht stellt grundsätzlich einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen kann.

Daher kann die Gewährung einer Begünstigung durch einen Mitgliedsstaat grundsätzlich rechtmäßig verweigert werden, wenn die Überprüfung der Bedingungen, die für die Inanspruchnahme erfüllt sein müssen, nur durch Einholung von Auskünften bei den zuständigen Behörden des Drittlandes erfolgen kann und der Drittstaat wegen fehlender vertraglicher Vereinbarung nicht verpflichtet ist, die Auskunft zu erteilen, so dass die erforderlichen Auskünfte tatsächlich kaum eingeholt werden können.

Mit Kanada besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen, bei dem der andere Vertragsstaat verpflichtet ist, die Auskünfte bei Auskunftsersuchen des anderen Vertragsstaates so zu beschaffen, als handele es sich um eigene Steuerfälle, selbst wenn die Auskünfte im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens nicht erforderlich sind. Dabei bestehen bei der tatsächlichen Durchführung der Vereinbarungen auch keine Schwierigkeiten. Zumindest in diesen Fällen kann die Gewährleistung der wirksamen Steueraufsicht eine Ungleichbehandlung daher nicht rechtfertigen.

Fazit

Durch seine Entscheidung macht der EuGH deutlich, dass die steuerliche Begünstigung von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken nicht von der Belegenheit der Grundstücke abhängig gemacht werden darf. In Folge der Entscheidung besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, der die entsprechende Voraussetzung für die Steuerbegünstigung streichen oder europarechtskonform ersetzen sollte. Für laufende Verfahren erlangt die Entscheidung aber jetzt schon Bedeutung. Auch zahlreiche andere Begünstigungen des Erbschaftsteuergesetzes knüpfen an die Belegenheit des Grundstückes an. Die Auswirkungen der Entscheidung auf die sonstigen Begünstigungen bleiben abzuwarten.

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