Von Dr. Peter Steinberg und Paul Baltz
Der Bundesfinanzhof (BFH) musste sich in seinem Urteil vom 14.02.2023 (Az.: IX R 3/22) mit der Besteuerung von Einkünften aus Kryptowährungen beschäftigen. Strittig war, ob die Veräußerungsgewinne durch den Verkauf oder Tausch von Kryptowährungen der Einkommensteuerpflicht unterliegen. Im Raum stand dabei eine Einordnung unter die privaten Veräußerungsgeschäfte nach §§ 22, 23 EStG. Der BFH hat sich mit den Fragen befasst, ob Kryptowährungen unter den Begriff der Wirtschaftsgüter fallen, ob einer Besteuerung der Gewinne ein mögliches strukturelles Vollzugsdefizit entgegensteht und inwieweit Kryptowährung einem Vergleich mit den Fremdwährungen standhalten. Ebenso hat er sich mit der Zurechenbarkeit von Kryptowährungen auseinandergesetzt. Lesen im Folgenden zu welchen Schlussfolgerungen der BFH dabei gekommen ist.
Sachverhalt
Im Streitfall klagte ein Anleger von Kryptowährung gegen ein Urteil des Finanzgerichts Köln. Zu Beginn des Jahres 2017 hielt der Kläger in seinem Privatvermögen 24,75825 BTC (Bitcoin). Anfang des Jahres tauschte er diese vollständig in ETH (Ethereum) um, die er wiederum vollständig gegen XMR (Monero) tauschte. Bis Ende des Jahres tauschte er sukzessive XMR in BTC zurück, welche er sodann Ende des Jahres veräußerte. Am Ende verblieb der Kläger mit 8.303,32 XMR und einem Veräußerungsgewinn aus den verschiedenen Tauschgeschäften von EUR 3.441.261,70. Sog. „Mining“ betrieb der Kläger nicht.
Der Kläger erklärte Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das beklagte Finanzamt veranlagte die Einkünfte erklärungsgemäß, zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Diesen Vorbehalt hob das Finanzamt anschließend mit Bescheid vom 13.02.2019 auf. Das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos, woraufhin der Kläger vor dem Finanzgericht Köln Klage erhob. Er war der Ansicht, dass kein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliege. Selbst wenn man ein solches annähme, läge ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, wonach eine Besteuerung seiner Einkünfte nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wäre.
Das Finanzgericht gab dem Kläger teilweise Recht, da sich für den ersten Tausch von BTC in ETH nicht feststellen lasse, dass die getauschten Bitcoins innerhalb der Jahresfrist angeschafft und veräußert worden sind. Demnach verringerte das Finanzgericht den Veräußerungsgewinn um EUR 2.419,87. Im Übrigen hielt das Finanzgericht jedoch fest, dass es sich bei Kryptowährungen um „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handele und diese somit bei An- und Verkauf (oder Tausch) innerhalb der Jahresfrist der Einkommensteuer unterlägen.
Hinweis: Zu den „anderen Wirtschaftsgütern“ in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG gehören „alle vermögenswerten Vorteile, die einer selbstständigen Bewertung zugänglich und von längerfristigem Nutzen sind“ (Ratschow, in: Brandis/Heuermann EStG, § 23, Rn. 62). Darunter fallen nicht nur Gegenstände wie Sachen, Tiere und Rechte, sondern auch Vorteile für einen Betrieb, konkrete Möglichkeiten und tatsächliche Zustände, denen ein Erwerber einen greifbaren Wert zuschreiben würde (BFH, Urteil vom 26.11.2014 – X R 20/12, Rn. 24, DStR 2015, 340, 342).
Kryptowährungen als Wirtschaftsgüter
Der Kläger war der Ansicht, dass ein Tausch zwischen Kryptowährungen steuerlich unbeachtlich wäre und erst bei einem Tausch zurück in sog. Fiat-Währungen (konventionelle Währungen, wie Euro) ein Veräußerungsgeschäft vorliege. Dieser Ansicht erteilte der BFH eine Absage. Er beurteilt Kryptowährungen und deren Tausch untereinander als Wirtschaftsgüter und demnach auch als Veräußerungsgeschäfte. Denn der Begriff des Wirtschaftsguts sei weit und auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen.
Der Kläger führte aus, dass virtuelle Währungen keine Wirtschaftsgüter seien, da es sich, technisch betrachtet, nur um verschlüsselte Datenpakete bzw. Signaturketten handele (siehe: Bitcoin Whitepaper, Quelle: https://bitcoin.org/bitcoin.pdf), die als solches auch kein Recht vermitteln oder einen über ihr bloßes Selbst hinausgehenden Nutzen beinhalten.
Currency Token als Wirtschaftsgüter
Der BFH fasst zunächst die verschiedenen Kryptowährungen als Currency Token zusammen. Er stellt maßgeblich auf die Verkehrsanschauung und den Umgang des Geschäftsverkehrs mit Currency Token ab. Der Geschäftsverkehr schreibt Currency Token „eine vermögensmäßige Relevanz – im Sinne einer Chance oder Möglichkeit“ – zu, die objektiv eine werthaltige Position darstellt. In diesem Vorteil sieht der BFH einen selbstständig bewertbaren, greifbaren Vorteil, dem ein Erwerber einen wirtschaftlichen Wert beimisst. Es handele sich somit um ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Der BFH prüfte insoweit die in Frage stehenden Currency Token einzeln auf ihren tatsächlich innewohnenden Nutzen. Das Gericht stellte trotz der jeweiligen strukturellen Unterschiede fest, dass Currency Token als Zahlungsmittel anzusehen sind, welche für Bezahlvorgänge Verwendung finden können. Sie fallen zwar weder unter den zivilrechtlichen Begriff des Geldes, noch sind sie als elektronisches Geld zu klassifizieren, aber sehr wohl werden sie, wie reale Zahlungsmittel, einzeln übertragen, getauscht und in kleinere Untereinheiten geteilt. Als solches liegt eine selbstständig bewertbare und objektiv werthaltige Position in den (unterteilten) Token vor. Dies wird unterstützt durch den Fakt, dass der Geschäftsverkehr bereit ist, für die Teileinheiten der Token ein Entgelt zu leisten. Die unterteilten Currency Token seien demnach keine bloßen digitalen Buchungsschnipsel oder Bestätigungen ihrer selbst, wie der Kläger vortrug. Für virtuelle Währungen ergibt sich im Sinne der Verkehrsanschauung ein greifbarer, mit Entgelt zu bemessender, marktüblicher Handels- oder Umtauschwert und damit ein diesen Token innewohnendes Spekulationspotential (Nutzen).
Verkehrsfähigkeit von Token
Der BFH schrieb den Currency Token ebenfalls eine für Wirtschaftsgüter erforderliche Verkehrsfähigkeit zu und erteilte damit dem Argument des Klägers, dass Currency Token nicht übertragen , sondern nur durch eine Bestätigung zur Transaktion freigegeben würden, eine Absage. Der Rechtsverkehr hat eine Möglichkeit gefunden den kommerziellen Teil der Currency Token entgeltlich einem Dritten zu überlassen und wirtschaftlich zu verwerten. Auch, wenn es bei der Übertragung auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlt (Omlor, in: ZHR 2019, S. 294, 327f.), ändert dieser Umstand nichts daran, dass es letztlich zu einem Rechtsträgerwechsel kommt. Der Verkauf und Tausch von Currency Token war über Internetplattformen zum Streitjahr auch bereits objektiv möglich.
Vergleichbarkeit mit Fremdwährung
Der BFH stimmt dem Finanzgericht bei der Vergleichbarkeit von Currency Token mit Fremdwährungen zu, auch wenn die Token nicht unter den zivilrechtlichen Begriff des Geldes oder E-Geldes fallen sollen (Eckert, in: DB 2013, S. 2108, 2109). Er begründet diese Einordnung mit der marktwirtschaftlichen Möglichkeit, Currency Token gegen Geld, Dienstleistungen oder Sachwerte zu tauschen. Auch wurden Bitcoins als Finanzinstrumente in Form von Rechnungseinheiten, gem. § 1 Abs. 11 Satz 1 KWG, rechtlich verbindlich durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) qualifiziert. Fremdwährungen können, nach ständiger Rechtsprechung, Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sein. Bei Fremdwährungen liegt ein steuerbares Veräußerungsgeschäft vor, wenn sie im Tausch gegen Euro oder eine andere Fremdwährung erworben werden. Da ein steuerbares Veräußerungsgeschäft beim Tausch einer Fremdwährung in eine andere Fremdwährung vorliege und dieser Vorgang vergleichbar mit dem Umtausch zwischen Currency Token sei, erledige sich laut des BFH auch das Argument des Klägers, dass der Umtausch, bspw. von Bitcoin zu Ethereum, nicht steuerbar sei.
Zurechenbarkeit von Kryptowährung
Weiterhin rügte der Kläger, dass ihm die Currency Token, basierend auf der ihnen innewohnenden Anonymität, nicht zurechenbar seien. Der BFH geht jedoch davon aus, dass Currency Token nach § 39 Abs. 1 AO einem Eigentümer zurechenbar sind. Eigentümer im Sinne der Norm ist, nach Maßgabe des Privatrechts, der Berechtigte. Dieser sei bei Currency Token derjenige, der mittels des „Private Keys“ in tatsächlicher Hinsicht (im Sinne einer unbeschränkten Herrschaftsmacht) verfügungsberechtigt ist.
Vollzugsdefizit bei der Steuererhebung
Letztlich befasste sich der Bundesfinanzhof mit der Frage, ob der Besteuerung ein strukturelles Vollzugsdefizit entgegenstehe. Bei Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits wäre die Besteuerung der Einkünfte aus Kryptowährungen verfassungswidrig. Ein strukturelles Vollzugsdefizit liegt vor, wenn die Gleichheit der Besteuerung durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens in prinzipieller Weise verfehlt wird. Dafür benötigt es einen Widerspruch zwischen dem normativem Befehl, also dem was das Gesetz vorschreibt, und einer nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel. Diese Voraussetzung mag der Grund sein, weshalb der BFH das strukturelle Vollzugsdefizit als normatives Vollzugsdefizit betitelt, um so klarzustellen, dass nicht bloß reelle Vollzugsmängel ausreichen, sondern ein Normwiderspruch vorliegen muss. Der Kläger hatte aufgrund der anonymisierenden Eigenschaften von bspw. Bitcoin bereits vor dem Finanzgericht Köln das Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits, in Anlehnung an das in den Veranlagungszeiträumen 1997 bis 1998 tatsächlich bestehende Vollzugsdefizit für Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren, gerügt (vgl. BFH, Urteil vom 09.03.2004 – 2 BvL 17/02 – NJW 2004, S. 1022, unter C. III). Die steuerlichen Regelungen zu Kryptowährungen führten nach Ansicht des Klägers dazu, dass nur solche Steuerpflichtigen auch tatsächlich Steuern aus privaten Veräußerungsgeschäften bezahlen, die entsprechende Einkünfte aus Kryptowerten auch in ihrer Einkommensteuererklärung angeben, da eine Kontrolle durch die Behörden strukturell nicht erfolge. Dem BFH fehlt es für ein strukturelles Vollzugsdefizit an dem nötigen in der Norm selbst angelegten Vollzugsdefizits, bzw. der tatsächlichen, konsequenten Unterlassung jeglicher Ahndung von Verstößen. Der BFH sieht zwar mögliche Vollzugsmängel bei der Nachverfolgung steuerpflichtiger Gewinne durch Veräußerungen von Currency Token, gerade auch im Hinblick auf die häufig einhergehenden Auslandsbezüge, sieht hierfür aber die Reaktionszeit des Gesetzgebers noch nicht für überschritten an und betont die bereits jetzt der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, so z.B. das Sammelauskunftsverfahren gemäß § 93 Abs. 1a AO. Zumal die Vollzugsmängel nicht aus einem notwendigen normativen Widerspruch erwachsen, sondern rein reeller Natur seien.
Fazit
Der BFH stellt fest, dass die Veräußerung von Curreny Token der Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz unterliegt. Dies Entscheidung kam für die Praktiker wenig überraschend. Fraglich bleibt, ab wann ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt. Zumindest momentan dürfte die abweichende Rechtsauffassung aufgrund der Annahme eine entsprechenden Vollzugsdefizits gering sein (siehe auch: Hey, in: StuW 2023, Heft 1, S. 55, 61 –mit Zweifeln, ob eine Berufung hierauf tatsächlich von Erfolg gekrönt sei; Andres/Hötzel/Kranz, in: DStR 2022, S. 2177 und S. 2242).
Selbst wenn der Vergleich von Currency Token mit Fremdwährungen aufgrund ihrer inhärenten Funktion als dezentrales Finanzinstrument und einem fehlenden Annahmezwang in Deutschland zu hinken scheint (Eckert, in: DB 2013, S. 2108, 2109), zeigt die Realität jedoch ein hohes Spekulationspotential und entsprechende Gewinne, ähnlich also den Fremdwährungen, sodass eine vergleichbare Behandlung bei rein reeller Betrachtung richtig ist.
Praxishinweis: Um den Vorwurf des Vollzugsdefizits zu begegnen, besteht nun eine steigende Gefahr von Sammelauskünften durch die Finanzbehörden beispielsweise an Krypto-Börsen, um möglichen Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen.