Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 04.07.2024 – 29 Ca 110/24
Fakten
Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin innerhalb der Probezeit (bzw. der sechsmonatigen Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz) gekündigt. Zuvor hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zu der Kündigung angehört. Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen und auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmerin verwiesen.
Die Arbeitnehmerin erhob Klage gegen die Kündigung und machte, gestützt auf den Widerspruch des Betriebsrats, die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses geltend.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Klage vollumfänglich ab, ließ im Hinblick auf den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch aber die Berufung zu.
Da die Kündigung innerhalb der Probezeit bzw. der sechsmonatigen Wartezeit erfolgte, war das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar. Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Kündigung galt damit ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab. Es bestanden keine Anhaltspunkte für eine Treuwidrigkeit der Kündigung, so dass die Kündigung wirksam war.
Der geltend gemachte betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch steht im Widerspruch zu der Wertung des Kündigungsschutzgesetzes. Hiernach soll der Arbeitgeber innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit, in der das Kündigungsschutzgesetz noch nicht anwendbar ist, eine einfache Möglichkeit haben, sich von Arbeitnehmern zu trennen. Die Gründe, wegen derer der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen kann, sind den Gründen nachgebildet, die zu einer Sozialwidrigkeit der Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes führen. Sofern das Kündigungsschutzgesetz aber noch keine Anwendung findet, ist es widersprüchlich, wenn der Betriebsrat seinen Widerspruch auf diese – vorliegend unbeachtlichen – Gründe stützt und hieraus eine Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers resultieren würde. Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch greift nach Auffassung des Arbeitsgerichts nur dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist.
Folgen der Entscheidung
Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widersprochen und macht der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess einen betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend, ist der Arbeitgeber grundsätzlich zur Weiterbeschäftigung verpflichtet.
Die Frage, ob der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch auch dann greift, wenn das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, war durch die Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Das Arbeitsgericht Hamburg hat dies nun erfreulicherweise abgelehnt.
Die Arbeitnehmerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wird vor dem LAG Hamburg unter dem Aktenzeichen 2 SLa 21/24 geführt. Eine Entscheidung erging noch nicht. Es bleibt abzuwarten, wie sich das LAG Hamburg positionieren wird.
Hinweise für die Praxis
Für die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses gilt nicht nur die üblicherweise vereinbarte Probezeit, sondern auch die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz. Während dieses Zeitraums ist eine Kündigung unter leichteren Voraussetzungen möglich. Maßstab hier ist die Treu- oder Sittenwidrigkeit der Kündigung oder der Verstoß der Kündigung gegen Diskriminierungsverbote. Arbeitgeber sollten den Ablauf dieser Wartezeit dringend im Blick haben und genau beurteilen, ob sich Arbeitnehmer innerhalb dieser Zeit bewährt haben oder ob eine Trennung forciert werden sollte. Bestehen Anhaltspunkte für Unzufriedenheit, sollten Entscheidungen damit eher früher als später getroffen werden.