LAG Rheinland-Pfalz vom 13. Juni 2024 – 5 Sa 255/23
Fakten
Der Arbeitnehmerist der Vorsitzende des beim Arbeitgeber gebildeten Betriebsrats. Er beantragte Ende November 2022 Erholungsurlaub für fünf Arbeitstage vom 19. bis 23. Dezember 2022, der genehmigt wurde. Am 21. Dezember 2022 fand eine Betriebsversammlung statt. Der Betriebsratsvorsitzende gab an, an dieser Betriebsversammlung teilgenommen und sie am Vortag vor- und am Folgetag nachbereitet zu haben. Dafür verlangte er von der Arbeitgeberin eine Gutschrift von 18,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto.
Entscheidung
Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Ein Anspruch auf Stundengutschrift bestand weder auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 BetrVG oder § 37 Abs. 3 BetrVG, noch infolge betrieblicher Ãœbung. Die Stundengutschrift sei weder mit dem Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) noch mit dem Verbot der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern (§ 78 Satz 2 BetrVG) vereinbar, so das LAG Rheinland-Pfalz. Â
Das Gesetz sieht vor, dass Betriebsratsmitglieder ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien sind, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Da der Betriebsratsvorsitzende an den fraglichen Tagen Urlaub hatte, bestand jedoch keine Arbeitspflicht, von der er hätte befreit werden können.
Findet Betriebsratstätigkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit statt, führt das zu einem Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Erforderlich hierfür ist das Vorliegen von betriebsbedingten Gründen, die dazu geführt haben, dass die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden musste. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht der Fall, wenn sich ein Betriebsratsmitglied entschließt, während seines Erholungsurlaubs Betriebsratstätigkeit auszuüben (Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 AZR 404/12 Rn. 29). Ist der Vorsitzende des Betriebsrats verhindert – Urlaub stellt eine solche Verhinderung dar –, wird er durch seinen Stellvertreter vertreten. Im Übrigen rückt ein Ersatzmitglied nach, wenn beispielsweise eine Betriebsratssitzung in die Urlaubszeit eines Mitglieds des Betriebsrats fällt.
Der Betriebsratsvorsitzende hatte außerdem geltend gemacht, in der Vergangenheit habe der Arbeitgeber für Betriebsratstätigkeit während des Urlaubs Stunden gutgeschrieben und damit eine betriebliche Übung begründet. Das LAG Rheinland-Pfalz hielt den Vortrag des Klägers für unzureichend. Davon abgesehen äußerte es auch Zweifel daran, ob ein durch betriebliche Übung begründeter vertraglicher Anspruch auf Stundengutschriften mit dem Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG vereinbar sein kann. Nach der Rechtsprechung des BAG dürfe eine betriebliche Übung nicht einseitig die Mitglieder des Betriebsrats begünstigen (Urteil vom 12. November 1997 – 7 AZR 563/93 Rn. 18). Genau das wäre aber der Fall gewesen, wenn man dem Betriebsratsvorsitzenden die begehrte Stundengutschrift gewährt hätte.
Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz ist konsequent und in einer Linie mit der Rechtsprechung des BAG. Es steht nicht im Belieben des einzelnen Betriebsratsmitglieds, während seines Urlaubs stundenweise Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen und anschließend vom Arbeitgeber eine Vergütung hierfür zu verlangen – auch nicht in Gestalt einer Stundengutschrift auf dem Arbeitszeitkonto.
Hinweise für die Praxis
Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes stellen sich zahlreiche Detailfragen rund um die Arbeitsfreistellung und Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Arbeitgeber müssen sensibel sein und sollten die gesetzlichen Möglichkeiten (insbesondere Abschluss einer Betriebsvereinbarung nach § 37 Abs. 4 BetrVG) nutzen, um möglichst viel Rechtsklarheit zu schaffen.