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16. April 2025

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LAG Niedersachsen vom 10. September 2024 – 10 Sa 818/23

Fakten

Ein Arbeitnehmer begehrte die gerichtliche Feststellung, dass die Befristung seines Arbeitsverhältnisses unzulässig sei (sog. Befristungskontrollklage oder Entfristungsklage). Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs schlossen die Parteien in diesem „Vorverfahren“ durch übereinstimmende Schriftsätze einen Vergleich, der die weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses über das eigentliche Befristungsende hinaus vorsah (sog. Anschlussbefristung).

Der Arbeitnehmer erhob nun erneut Befristungskontrollklage mit der Behauptung, durch den abgeschlossenen Vergleich sei ebenfalls keine wirksame Befristung erfolgt. Schlussfolgernd sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis festzustellen.

Entscheidung

Das LAG Niedersachsen entschied, dass auch ein Vergleich, der auf zwei übereinstimmenden Schriftsätzen beruhe, eine Befristung wirksam begründen könne. Dies insbesondere mit dem Argument, nach dem Gesetzeswortlauf in § 14 Abs. 1 S.2 Nr. 8 TzBfG seien die verschiedenen Arten des Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs irrelevant. Das Gericht könne seine Kontrollfunktion auch dann ausüben, wenn der Vergleich durch Übermittlung übereinstimmender Schriftsätze zustande käme. Gegenüber einem Vergleich in einer Güte- oder Kammerverhandlung würden Vergleiche im schriftlichen Verfahren ohnehin die Arbeitnehmerschutzrechte besser wahren, da Vergleichstexte im Güte- oder Kammertermin häufig erstmals zur Kenntnis genommen werden könnten, wohingegen der Vergleichstext im schriftlichen Verfahren von den Parteien im Einzelnen ausgearbeitet und ggf. rechtlich geprüft werden könne. Wenn der Vergleich in einem Güte- oder Kammertermin eine wirksame Befristung begründen könne, dann erst recht ein Vergleich im schriftlichen Verfahren und zwar egal ob auf Vorschlag des Gerichts oder, weil die Parteien sich ohne Hilfe des Gerichts einig geworden seien.

Folgen der Entscheidung

Nach der Zivilprozessordnung gibt es mehrere Möglichkeiten einen gerichtlichen Vergleich zu schließen. So beispielsweise in der Güte- oder Kammerverhandlung, wenn die Parteien ohnehin zusammensitzen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Vergleich im Rahmen des sog. „schriftlichen Verfahrens“ zu schließen. Hierzu reichen die Parteien entweder übereinstimmende Vergleichstexte bei Gericht ein oder die Parteien bekunden ihr Einverständnis mit einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, § 278 Abs. 6 ZPO.

Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs eine (weitere) Befristung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren, galt bislang nach der Rechtsprechung des BAG, dass es dafür eines Vergleichsvorschlages durch das Gericht bedurfte. Das BAG stützt seine Argumentation auf den Schutzzweck von § 14 Abs. 1 S.2 Nr. 8 TzBfG. Danach käme dem Arbeitsgericht vor Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs lediglich im Wege des eigenen Vorschlages eine Kontrollfunktion bezüglich der Schutzinteressen des Arbeitnehmers auch im Hinblick auf die Prozessaussichten zu. Bei Vergleichen im Wege übereinstimmender Schriftsätze sei die Kontrolle der Arbeitsgerichte hingegen beschränkt (vgl. BAG, Urt. v. 21.03.2017 – 7 AZR 369/15). Das LAG Niedersachen erweitert mit seiner Entscheidung die Möglichkeiten, eine Befristung wirksam in einem gerichtlichen Vergleich zu vereinbaren.

Hinweise für die Praxis

Der klagende Arbeitnehmer hat gegen die Entscheidung des LAG Niedersachsen Revision beim BAG eingelegt. Es wäre begrüßenswert, wenn das Urteil bestand hat und das BAG damit die Gestaltungsfreiheit der Parteien im arbeitsgerichtlichen Prozess erweitert.

Häufig stellt die Beteiligung des Gerichts an dem Vergleichsschluss, wenn eine Befristung in Rede steht, ohnehin lediglich einen formellen Aspekt im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG dar. Die Parteien übermitteln den Vergleichstext, der eine Anschlussbefristung vorsieht, dem Gericht, mit der Bitte diesen den Parteien erneut vorzuschlagen. Warum das Gericht dadurch mehr Kontrolle ausübt, als wenn die Parteien dem Gericht den Vorschlag ohne Bitte um gerichtlichen Vorschlag übermitteln, erschließt sich nicht. Das Gericht hat in beiden Fällen Prüfungskompetenzen zumindest im Hinblick auf Strafgesetze, Verstöße gegen die guten Sitten oder gesetzliche Verbote. Auch das Gesetz kennt Vergleiche erster und zweiter Klasse nicht.

Bis zur Entscheidung des BAG zu dieser Frage ist Unternehmen zu raten, der derzeit geltenden Rechtsprechung des BAG zu folgen und sich Vergleiche im schriftlichen Verfahren, die eine Befristungen vorsehen, vom Gericht vorschlagen zu lassen. Anderenfalls besteht die Gefahr, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen.

Befristung durch gerichtlichen Vergleich – Vergleiche erster und zweiter Klasse?

LAG Niedersachsen vom 10. September 2024 – 10 Sa 818/23

Fakten

Ein Arbeitnehmer begehrte die gerichtliche Feststellung, dass die Befristung seines Arbeitsverhältnisses unzulässig sei (sog. Befristungskontrollklage oder Entfristungsklage). Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs schlossen die Parteien in diesem „Vorverfahren“ durch übereinstimmende Schriftsätze einen Vergleich, der die weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses über das eigentliche Befristungsende hinaus vorsah (sog. Anschlussbefristung).

Der Arbeitnehmer erhob nun erneut Befristungskontrollklage mit der Behauptung, durch den abgeschlossenen Vergleich sei ebenfalls keine wirksame Befristung erfolgt. Schlussfolgernd sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis festzustellen.

Entscheidung

Das LAG Niedersachsen entschied, dass auch ein Vergleich, der auf zwei übereinstimmenden Schriftsätzen beruhe, eine Befristung wirksam begründen könne. Dies insbesondere mit dem Argument, nach dem Gesetzeswortlauf in § 14 Abs. 1 S.2 Nr. 8 TzBfG seien die verschiedenen Arten des Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs irrelevant. Das Gericht könne seine Kontrollfunktion auch dann ausüben, wenn der Vergleich durch Übermittlung übereinstimmender Schriftsätze zustande käme. Gegenüber einem Vergleich in einer Güte- oder Kammerverhandlung würden Vergleiche im schriftlichen Verfahren ohnehin die Arbeitnehmerschutzrechte besser wahren, da Vergleichstexte im Güte- oder Kammertermin häufig erstmals zur Kenntnis genommen werden könnten, wohingegen der Vergleichstext im schriftlichen Verfahren von den Parteien im Einzelnen ausgearbeitet und ggf. rechtlich geprüft werden könne. Wenn der Vergleich in einem Güte- oder Kammertermin eine wirksame Befristung begründen könne, dann erst recht ein Vergleich im schriftlichen Verfahren und zwar egal ob auf Vorschlag des Gerichts oder, weil die Parteien sich ohne Hilfe des Gerichts einig geworden seien.

Folgen der Entscheidung

Nach der Zivilprozessordnung gibt es mehrere Möglichkeiten einen gerichtlichen Vergleich zu schließen. So beispielsweise in der Güte- oder Kammerverhandlung, wenn die Parteien ohnehin zusammensitzen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Vergleich im Rahmen des sog. „schriftlichen Verfahrens“ zu schließen. Hierzu reichen die Parteien entweder übereinstimmende Vergleichstexte bei Gericht ein oder die Parteien bekunden ihr Einverständnis mit einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, § 278 Abs. 6 ZPO.

Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs eine (weitere) Befristung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren, galt bislang nach der Rechtsprechung des BAG, dass es dafür eines Vergleichsvorschlages durch das Gericht bedurfte. Das BAG stützt seine Argumentation auf den Schutzzweck von § 14 Abs. 1 S.2 Nr. 8 TzBfG. Danach käme dem Arbeitsgericht vor Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs lediglich im Wege des eigenen Vorschlages eine Kontrollfunktion bezüglich der Schutzinteressen des Arbeitnehmers auch im Hinblick auf die Prozessaussichten zu. Bei Vergleichen im Wege übereinstimmender Schriftsätze sei die Kontrolle der Arbeitsgerichte hingegen beschränkt (vgl. BAG, Urt. v. 21.03.2017 – 7 AZR 369/15). Das LAG Niedersachen erweitert mit seiner Entscheidung die Möglichkeiten, eine Befristung wirksam in einem gerichtlichen Vergleich zu vereinbaren.

Hinweise für die Praxis

Der klagende Arbeitnehmer hat gegen die Entscheidung des LAG Niedersachsen Revision beim BAG eingelegt. Es wäre begrüßenswert, wenn das Urteil bestand hat und das BAG damit die Gestaltungsfreiheit der Parteien im arbeitsgerichtlichen Prozess erweitert.

Häufig stellt die Beteiligung des Gerichts an dem Vergleichsschluss, wenn eine Befristung in Rede steht, ohnehin lediglich einen formellen Aspekt im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG dar. Die Parteien übermitteln den Vergleichstext, der eine Anschlussbefristung vorsieht, dem Gericht, mit der Bitte diesen den Parteien erneut vorzuschlagen. Warum das Gericht dadurch mehr Kontrolle ausübt, als wenn die Parteien dem Gericht den Vorschlag ohne Bitte um gerichtlichen Vorschlag übermitteln, erschließt sich nicht. Das Gericht hat in beiden Fällen Prüfungskompetenzen zumindest im Hinblick auf Strafgesetze, Verstöße gegen die guten Sitten oder gesetzliche Verbote. Auch das Gesetz kennt Vergleiche erster und zweiter Klasse nicht.

Bis zur Entscheidung des BAG zu dieser Frage ist Unternehmen zu raten, der derzeit geltenden Rechtsprechung des BAG zu folgen und sich Vergleiche im schriftlichen Verfahren, die eine Befristungen vorsehen, vom Gericht vorschlagen zu lassen. Anderenfalls besteht die Gefahr, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen.

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