LAG Köln v. 11. April 2024 – 7 Sa 516/23
Fakten
Im Rahmen von arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten werden Arbeitsverhältnisse oftmals durch gerichtlichen Vergleich beendet und dazu geregelt, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt sind“. Das LAG Köln hatte darüber zu entscheiden, ob eine solche Regelung im Vergleich wirksam ist und auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche verzichtet werden kann. Die Parteien hatten im Rahmen eines Rechtsstreits sich im Vergleichswege auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt und dazu geregelt, dass die „Urlaubsansprüche in natura gewährt sind“. Dazu hatte der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers (Klägers) im Rahmen der Vergleichsverhandlungen die Arbeitgeberseite darauf hingewiesen, dass auf den zwischen den Parteien unstreitig noch bestehenden gesetzlichen Resturlaub (im vorliegenden Fall sieben Urlaubstage) nicht wirksam verzichtet werden könne. Nach Zustandekommen des Vergleichs und Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte der Kläger die Urlaubsabgeltung des gesetzlichen Resturlaubs gerichtlich geltend.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Köln kam zu der Entscheidung, dass die zum Zeitpunkt des Vergleichs unstreitig noch bestehenden gesetzlichen Urlaubsansprüche nicht durch die Vergleichsregelung, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt sind“ erloschen sei. Insofern handele es sich bei der Vergleichsregelung nicht um einen zulässigen Tatsachenvergleich (§ 779 BGB), der eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs voraussetzt. Schließlich habe zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses kein Streit über das Entstehen bzw. den Umfang oder die Nichterfüllung der gesetzlichen Urlaubsansprüche bestanden. Die Vergleichsregelung hat die gesetzlichen Urlaubsansprüche des Klägers auch nicht durch einen wirksamen Verzicht zum Erlöschen gebracht. Aufgrund der Bestimmungen und des gesetzlichen Schutzzwecks des Bundesurlaubsgesetzes (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BurlG) können vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzliche Urlaubsansprüche im Rahmen einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das soll nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Köln auch dann gelten, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss des Vergleichs verbindlich feststehe. Erst ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne der Urlaubsanspruch, der sodann als Urlaubsabgeltungsanspruch besteht, ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Folgen der Entscheidung
Nicht selten wird in arbeitsgerichtlichen Beendigungsvergleichen auf den (gesetzlichen) Resturlaub verzichtet. Dies führt nach dem Landesarbeitsgericht Köln nicht zum Erlöschen der gesetzlichen Urlaubsansprüche und gilt auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Vergleich verbindlich geregelt ist. Gegen die Entscheidung wurde Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt, zumal es auch divergierende Instanz-Rechtsprechung dazu gibt.
Hinweise für die Praxis
Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht zumindest bei verbindlich feststehendem Ende des Arbeitsverhältnisses einen Verzicht auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche zulässt. Bis dahin gilt es im Rahmen von Vergleichsabschlüssen bei Regelungen zum Urlaub genau darauf zu achten, ob ein Verzicht auf den gesetzlichen Resturlaub möglich ist (bisher nur für den Zeitpunkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses höchstrichterlich bestätigt) oder die Voraussetzungen für einen Tatsachenvergleich gegeben sind. Alternativ bietet es sich auch an die oftmals geregelte Freistellung bei einem Beendigungsvergleich unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen vorzunehmen.