Autoren
Leonie Pfeufer
Datum

22. März 2023

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Durch einen Sozialplan werden die aufgrund einer geplanten Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von Arbeitnehmern ausgeglichen oder abgemildert, § 112 Abs. 1 BetrVG. Um eine möglichst gerechte Verteilung der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanmittel zu erreichen, werden in der Praxis häufig Höchstbetragsgrenzen („Kappung“) vereinbart. Diese sind auch grundsätzlich zulässig, wie das BAG mit der Entscheidung vom 11.10.2022 – 1 AZR 129/21 nochmals bestätigt. Zuschläge für Schwerbehinderte oder Gleichgestellte dürfen aber nicht Gegenstand von Höchstbetragsgrenzen sein – eine Kappung ist also unzulässig.

I. Worum ging es?

Gegenstand des Verfahrens war ein zwischen der Arbeitgeberin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat geschlossener Sozialplan. Die Sozialplanabfindung berechnete sich nach der Formel „Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor“. Der Abfindungsfaktor ergab sich aus einer Altersstaffel. Für Schwerbehinderte und Gleichgestellte war in dem Sozialplan eine zusätzliche Abfindung i.H.v. EUR 1.500,00 und bei einem Grad der Behinderung von über 50 eine zusätzliche Abfindung i.H.v. EUR 2.000,00 vorgesehen. Der Gesamtabfindungsbetrag war zudem insgesamt auf eine Summe von EUR 75.000,00 beschränkt. 

Der mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehinderte Kläger hätte eine deutlich über der Höchstbetragsregelung von EUR 75.000,00 hinausgehende Abfindung zugestanden – wenn nicht die Kappung „zugeschlagen“ hätte. Aufgrund des Überschreitens der Kappungsgrenze zahlte die Beklagte im Ergebnis keine zusätzliche Abfindung aufgrund der Schwerbehinderung.

II. Was sind die Kernaussagen des Urteils?

  • Die Betriebsparteien verfügen bei der Ausgestaltung von Sozialplänen über einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume und können in diesem Rahmen grundsätzlich Höchstbetragsreglungen vorsehen. Begrenzt wird dieser Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume aber insbesondere durch den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i.S.v. § 75 BetrVG.
  • Durch die hier erfolgte Festlegung einer Höchstbetragsgrenze für die Gesamtabfindung auf EUR 75.000,00 pro Arbeitnehmer, entsteht die Situation, dass nur Schwerbehinderte/Gleichgestellte den zusätzlichen (vollen) Abfindungsbetrag geltend machen können, welche diese Kappungsgrenze insgesamt nicht überschreiten. Eine in dem Sozialplan vorgesehene Kappungsgrenze führt somit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der abfindungsberechtigten schwerbehinderten Arbeitnehmer. Soweit die Kappungsgrenze daher den zusätzlichen Abfindungsbetrag für Schwerbehinderte/Gleichgestellte umfasst, ist diese wegen eines Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. 
  • Eine solche Ungleichbehandlung lässt sich insbesondere auch nicht durch die mit der Höchstbetragsregelung bezweckte Verteilungsgerechtigkeit rechtfertigen. Da die Berechnungsformel für die Grundabfindung zentral an das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit anknüpft, sind es gerade die älteren Arbeitnehmer, die aufgrund der Höchstbetragsregelung den zusätzlichen Ausgleich für ihre Schwerbehinderung/Gleichstellung nicht erhalten. Die Gruppe älterer schwerbehinderter Arbeitnehmer ist jedoch die Gruppe, in welcher wirtschaftliche Nachteile in Folge des Arbeitsplatzverlustes gerade in besonderem Maße eintreten. 

III. Praxishinweise – Was müssen Arbeitgeber zukünftig beachten?

Die Entscheidung des BAG ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Praxis und verdeutlicht, dass die Ausgestaltung von Höchstbetragsregelungen weiterhin erhöhter Aufmerksamkeit bedarf. Bereits Ende 2021 hatte das BAG entschieden, dass auch eine durch eine Höchstbetragsregelung im Sozialplan bewirkte „Kappung“ einer Klageverzichtsprämie gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt (BAG v. 07.12.2021 – 1 AZR 562/20). Hintergrund hierfür ist nach dem BAG, dass der Arbeitgeber durch einen solchen Verzicht eine Rechts- und Planungssicherheit erhalte, die entsprechend zu kompensieren sei. Die Entscheidung vom 11.10.2022 fügt sich in die vorherige Rechtsprechung des BAG ein und stellt insoweit klar, dass eine „Kappung“ keine Zuschläge für Schwerbehinderte/Gleichgestellte betreffen darf. 

Verstößt die Höchstbetragsregelung im Sozialplan für bestimmte Arbeitnehmergruppen gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, droht Arbeitgebern neben weitergehenden Abfindungsansprüchen auch die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem AGG.

In der Praxis sollten Zuschläge für Schwerbehinderte/Gleichgestellte oder für sonstige besondere Erschwernisse ausdrücklich von der Höchstbetragsregelung im Sozialplan ausgenommen und bei der Berechnung von Abfindungssummen entsprechend berücksichtigt werden. 

BAG: Höchstbetragsregelungen im Sozialplan – Keine Kappung von Zuschlägen für Schwerbehinderung und Gleichstellung

Durch einen Sozialplan werden die aufgrund einer geplanten Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von Arbeitnehmern ausgeglichen oder abgemildert, § 112 Abs. 1 BetrVG. Um eine möglichst gerechte Verteilung der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanmittel zu erreichen, werden in der Praxis häufig Höchstbetragsgrenzen („Kappung“) vereinbart. Diese sind auch grundsätzlich zulässig, wie das BAG mit der Entscheidung vom 11.10.2022 – 1 AZR 129/21 nochmals bestätigt. Zuschläge für Schwerbehinderte oder Gleichgestellte dürfen aber nicht Gegenstand von Höchstbetragsgrenzen sein – eine Kappung ist also unzulässig.

I. Worum ging es?

Gegenstand des Verfahrens war ein zwischen der Arbeitgeberin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat geschlossener Sozialplan. Die Sozialplanabfindung berechnete sich nach der Formel „Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor“. Der Abfindungsfaktor ergab sich aus einer Altersstaffel. Für Schwerbehinderte und Gleichgestellte war in dem Sozialplan eine zusätzliche Abfindung i.H.v. EUR 1.500,00 und bei einem Grad der Behinderung von über 50 eine zusätzliche Abfindung i.H.v. EUR 2.000,00 vorgesehen. Der Gesamtabfindungsbetrag war zudem insgesamt auf eine Summe von EUR 75.000,00 beschränkt. 

Der mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehinderte Kläger hätte eine deutlich über der Höchstbetragsregelung von EUR 75.000,00 hinausgehende Abfindung zugestanden – wenn nicht die Kappung „zugeschlagen“ hätte. Aufgrund des Überschreitens der Kappungsgrenze zahlte die Beklagte im Ergebnis keine zusätzliche Abfindung aufgrund der Schwerbehinderung.

II. Was sind die Kernaussagen des Urteils?

  • Die Betriebsparteien verfügen bei der Ausgestaltung von Sozialplänen über einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume und können in diesem Rahmen grundsätzlich Höchstbetragsreglungen vorsehen. Begrenzt wird dieser Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume aber insbesondere durch den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i.S.v. § 75 BetrVG.
  • Durch die hier erfolgte Festlegung einer Höchstbetragsgrenze für die Gesamtabfindung auf EUR 75.000,00 pro Arbeitnehmer, entsteht die Situation, dass nur Schwerbehinderte/Gleichgestellte den zusätzlichen (vollen) Abfindungsbetrag geltend machen können, welche diese Kappungsgrenze insgesamt nicht überschreiten. Eine in dem Sozialplan vorgesehene Kappungsgrenze führt somit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der abfindungsberechtigten schwerbehinderten Arbeitnehmer. Soweit die Kappungsgrenze daher den zusätzlichen Abfindungsbetrag für Schwerbehinderte/Gleichgestellte umfasst, ist diese wegen eines Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. 
  • Eine solche Ungleichbehandlung lässt sich insbesondere auch nicht durch die mit der Höchstbetragsregelung bezweckte Verteilungsgerechtigkeit rechtfertigen. Da die Berechnungsformel für die Grundabfindung zentral an das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit anknüpft, sind es gerade die älteren Arbeitnehmer, die aufgrund der Höchstbetragsregelung den zusätzlichen Ausgleich für ihre Schwerbehinderung/Gleichstellung nicht erhalten. Die Gruppe älterer schwerbehinderter Arbeitnehmer ist jedoch die Gruppe, in welcher wirtschaftliche Nachteile in Folge des Arbeitsplatzverlustes gerade in besonderem Maße eintreten. 

III. Praxishinweise – Was müssen Arbeitgeber zukünftig beachten?

Die Entscheidung des BAG ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Praxis und verdeutlicht, dass die Ausgestaltung von Höchstbetragsregelungen weiterhin erhöhter Aufmerksamkeit bedarf. Bereits Ende 2021 hatte das BAG entschieden, dass auch eine durch eine Höchstbetragsregelung im Sozialplan bewirkte „Kappung“ einer Klageverzichtsprämie gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt (BAG v. 07.12.2021 – 1 AZR 562/20). Hintergrund hierfür ist nach dem BAG, dass der Arbeitgeber durch einen solchen Verzicht eine Rechts- und Planungssicherheit erhalte, die entsprechend zu kompensieren sei. Die Entscheidung vom 11.10.2022 fügt sich in die vorherige Rechtsprechung des BAG ein und stellt insoweit klar, dass eine „Kappung“ keine Zuschläge für Schwerbehinderte/Gleichgestellte betreffen darf. 

Verstößt die Höchstbetragsregelung im Sozialplan für bestimmte Arbeitnehmergruppen gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, droht Arbeitgebern neben weitergehenden Abfindungsansprüchen auch die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem AGG.

In der Praxis sollten Zuschläge für Schwerbehinderte/Gleichgestellte oder für sonstige besondere Erschwernisse ausdrücklich von der Höchstbetragsregelung im Sozialplan ausgenommen und bei der Berechnung von Abfindungssummen entsprechend berücksichtigt werden. 

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