Autoren
Jens Neldner, Kevin Leibold
Datum

18. April 2024

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Bundesarbeitsgericht vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23

Fakten: Ein Arbeitnehmer hat sich in einer privaten Chatgruppe (mit insgesamt fünf weiteren Arbeitnehmern) in beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen geäußert. Nachdem ein Mitglied der Gruppe die Nachrichten einem Kollegen gezeigt und dieser den Chatverlauf kopiert hatte, erfuhr der Arbeitgeber von der Existenz sowie dem Inhalt der Chatgruppe und kündigte dem Arbeitnehmer außerordentlich.

Entscheidung: Nach Auffassung des BAG kann die Äußerung des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen, da sie grob beleidigend sei und damit eine schwerwiegende Verletzung seiner Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB darstelle. Im Gegensatz zum LAG kann nach Ansicht des BAG ein wichtiger Grund nicht wegen einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung abgelehnt werden. Nach dem BAG ist eine grundsätzliche Annahme einer Vertraulichkeitserwartung aufgrund verfassungsrechtlicher Gründe fehlerhaft. 

Das BAG nimmt im Ergebnis auch eine Verwertbarkeit der Äußerungen in der Chatgruppe an. Zwar sind die Vorschriften der DSGVO auch in Verfahren vor den nationalen Zivilgerichten anwendbar. Diese führen jedoch nicht dazu, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel grundsätzlich von der Verwertung ausgeschlossen sind. Vielmehr ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Der Umstand, dass Äußerungen in einer privaten Chatgruppe gefallen sind, führt nicht dazu, ihnen eine Vertragspflicht abzusprechen, da sie auf Vorgesetzte und Kollegen und somit auf betriebliche Umstände bezogen waren.

Im Hinblick auf ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen betont das BAG, dass Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG die freie Persönlichkeitsentfaltung gewährleistet, einschließlich der Privatsphäre, in der vertrauliche Kommunikation geschützt ist. Enge Vertrauensverhältnisse umfassen dabei neben Ehegatten und Eltern auch enge freundschaftliche Verhältnisse, die jedoch mit einem Verhältnis zu einem nahestehenden Familienmitglied vergleichbar sein müssen.

Das BAG stellte darauf ab, dass die Chatgruppe auch aus Personen bestand, die nicht zum unmittelbaren persönlichen Umfeld gehörten. Zudem sei nicht auszuschließen, dass Äußerungen aus moralischen Gründen oder aus Prahlerei und Imponiergehabe von Chat-Gruppenmitglieder weitergegeben werden. Daher wird darauf hingewiesen, dass eine solche Erwartung nur im Ausnahmefall anzunehmen ist. Das LAG hatte hiervon abweichend noch einige Aspekte, wie die Umstände der Chatkommunikation, die uneinheitliche Beteiligung der Mitglieder, die Art der Kommunikation über mobile Endgeräte – die „gerade auf leichte Kopierbarkeit und schnelle Weiterleitung eines Datenaustauschs angelegt“ seien – und die Frage ob bei menschenverachtenden Äußerungen überhaupt eine Vertraulichkeitserwartung bestehen kann, nicht ausreichend berücksichtigt. 

Folgen der Entscheidung: Die fristlose Kündigung ist im Ergebnis vertretbar, da der Arbeitnehmer nicht auf die Vertraulichkeit im Chat vertrauen durfte. Gerade bei menschenverachtenden Äußerungen via Messengerdiensten ist mit einer Weiterleitung zu rechnen und eine berechtigte Vertrauenserwartung zu verneinen. Die Entscheidung des BAG deutet eine Kehrtwende der Rechtsprechung an. Denn bei privaten Gesprächen im Kollegenkreis, in denen ehrverletzende Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte fallen, geht das BAG bislang von einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung aus, die einer Kündigung wegen der Äußerungen regelmäßig entgegensteht.

Hinweise für die Praxis: Wer in einem Messengerdienst Nachrichten austauscht, muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Nachrichten lange Zeit gespeichert werden, abrufbar sind und schnell an unbefugte Dritte weitergeleitet werden können. Für das BAG sind insbesondere die Zusammensetzung und die Größe einer Chatgruppe maßgebliche Kriterien für die Beurteilung einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung. Es ist daher in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob von einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung ausgegangen werden kann. Der Arbeitnehmer hat diese Vertraulichkeitserwartung entsprechend im Prozess darzulegen, wenn seine Äußerungen besonders schwerwiegend sind.

Außerordentliche Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe

Bundesarbeitsgericht vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23

Fakten: Ein Arbeitnehmer hat sich in einer privaten Chatgruppe (mit insgesamt fünf weiteren Arbeitnehmern) in beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen geäußert. Nachdem ein Mitglied der Gruppe die Nachrichten einem Kollegen gezeigt und dieser den Chatverlauf kopiert hatte, erfuhr der Arbeitgeber von der Existenz sowie dem Inhalt der Chatgruppe und kündigte dem Arbeitnehmer außerordentlich.

Entscheidung: Nach Auffassung des BAG kann die Äußerung des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen, da sie grob beleidigend sei und damit eine schwerwiegende Verletzung seiner Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB darstelle. Im Gegensatz zum LAG kann nach Ansicht des BAG ein wichtiger Grund nicht wegen einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung abgelehnt werden. Nach dem BAG ist eine grundsätzliche Annahme einer Vertraulichkeitserwartung aufgrund verfassungsrechtlicher Gründe fehlerhaft. 

Das BAG nimmt im Ergebnis auch eine Verwertbarkeit der Äußerungen in der Chatgruppe an. Zwar sind die Vorschriften der DSGVO auch in Verfahren vor den nationalen Zivilgerichten anwendbar. Diese führen jedoch nicht dazu, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel grundsätzlich von der Verwertung ausgeschlossen sind. Vielmehr ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Der Umstand, dass Äußerungen in einer privaten Chatgruppe gefallen sind, führt nicht dazu, ihnen eine Vertragspflicht abzusprechen, da sie auf Vorgesetzte und Kollegen und somit auf betriebliche Umstände bezogen waren.

Im Hinblick auf ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen betont das BAG, dass Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG die freie Persönlichkeitsentfaltung gewährleistet, einschließlich der Privatsphäre, in der vertrauliche Kommunikation geschützt ist. Enge Vertrauensverhältnisse umfassen dabei neben Ehegatten und Eltern auch enge freundschaftliche Verhältnisse, die jedoch mit einem Verhältnis zu einem nahestehenden Familienmitglied vergleichbar sein müssen.

Das BAG stellte darauf ab, dass die Chatgruppe auch aus Personen bestand, die nicht zum unmittelbaren persönlichen Umfeld gehörten. Zudem sei nicht auszuschließen, dass Äußerungen aus moralischen Gründen oder aus Prahlerei und Imponiergehabe von Chat-Gruppenmitglieder weitergegeben werden. Daher wird darauf hingewiesen, dass eine solche Erwartung nur im Ausnahmefall anzunehmen ist. Das LAG hatte hiervon abweichend noch einige Aspekte, wie die Umstände der Chatkommunikation, die uneinheitliche Beteiligung der Mitglieder, die Art der Kommunikation über mobile Endgeräte – die „gerade auf leichte Kopierbarkeit und schnelle Weiterleitung eines Datenaustauschs angelegt“ seien – und die Frage ob bei menschenverachtenden Äußerungen überhaupt eine Vertraulichkeitserwartung bestehen kann, nicht ausreichend berücksichtigt. 

Folgen der Entscheidung: Die fristlose Kündigung ist im Ergebnis vertretbar, da der Arbeitnehmer nicht auf die Vertraulichkeit im Chat vertrauen durfte. Gerade bei menschenverachtenden Äußerungen via Messengerdiensten ist mit einer Weiterleitung zu rechnen und eine berechtigte Vertrauenserwartung zu verneinen. Die Entscheidung des BAG deutet eine Kehrtwende der Rechtsprechung an. Denn bei privaten Gesprächen im Kollegenkreis, in denen ehrverletzende Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte fallen, geht das BAG bislang von einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung aus, die einer Kündigung wegen der Äußerungen regelmäßig entgegensteht.

Hinweise für die Praxis: Wer in einem Messengerdienst Nachrichten austauscht, muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Nachrichten lange Zeit gespeichert werden, abrufbar sind und schnell an unbefugte Dritte weitergeleitet werden können. Für das BAG sind insbesondere die Zusammensetzung und die Größe einer Chatgruppe maßgebliche Kriterien für die Beurteilung einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung. Es ist daher in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob von einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung ausgegangen werden kann. Der Arbeitnehmer hat diese Vertraulichkeitserwartung entsprechend im Prozess darzulegen, wenn seine Äußerungen besonders schwerwiegend sind.

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