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Datum

12. Dezember 2024

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LAG Niedersachsen Urteil vom 06.05.2024 – 4 Sa 446/23

Fakten

Ein Kollege beobachtete, wie ein anderer Arbeitnehmer – ein Mitglied des Betriebsrats – an seinem Schreibtisch im Betriebsratsbüro ein weißes Pulver mit einer Karte zu einer Linie formte und sodann mit einem Röhrchen durch die Nase konsumierte. Auf Nachfrage erwiderte der Arbeitnehmer, dass es sich dabei weder um etwas Illegales noch um Drogen handle.

Bei der anschließenden Verdachtsanhörung durch den Arbeitgeber erklärte der Arbeitnehmer, es habe sich um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt. Einen vom Arbeitgeber angebotenen und finanzierten Drogentest nahm der Arbeitnehmer nicht wahr. In der Folge sprach der Arbeitgeber, nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats, eine außerordentliche (Verdachts-)Kündigung aus.

Entscheidung

Sowohl das in der ersten Instanz zuständige Arbeitsgericht Oldenburg, als auch das LAG Niedersachsen als Berufungsinstanz, wiesen die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab. Während die außerordentliche Tatkündigung der gerichtlichen Überprüfung nicht standhielt, erwies sich die außerordentliche Verdachtskündigung als wirksam. Die Schutzbehauptungen des Arbeitnehmers, er habe nichts Illegales getan und keine Drogen konsumiert, waren nicht ausreichend, um den begründeten Verdacht zu widerlegen. Des Weiteren wertete das Gericht zu Lasten des Arbeitnehmers, dass dieser einen vom Arbeitgeber angebotenen und finanzierten Drogentest nicht wahrgenommen hat.

Der Konsum von Kokain während der Arbeitszeit und in den Betriebsräumlichkeiten des Arbeitgebers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Dieser Verstoß ist geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu begründen.

Zum einen ist bereits der Besitz von Kokain gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine Straftat. Zum anderen folgt auch aus den Nebenleistungspflichten des Arbeitnehmers das Gebot, sich nicht in einen Rauschzustand zu versetzen. Denn in diesem Zustand ist es dem Arbeitnehmer nicht mehr möglich, seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Zudem kann er hierdurch sich sowie andere Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung gefährden.

Auch der Umstand, dass es sich bei dem Arbeitnehmer in dem vorliegenden Fall um ein Betriebsratsmitglied handelte, rechtfertigte keine mildere Beurteilung. Die Hürde für die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist verhältnismäßig hoch. Dennoch gilt auch für Betriebsräte „Finger weg von Drogen während der Arbeitszeit“.

Folgen der Entscheidung

Das LAG Niedersachsen schließt sich mit dieser Entscheidung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15) an. Damit wird die harte Linie der Gerichte bei illegalem Drogenkonsum bestätigt.

Bei aller Konsequenz und Kompromisslosigkeit der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass nur die Verdachtskündigung des Arbeitgebers Erfolg hatte. Die primär ausgesprochene Tatkündigung blieb erfolglos. Für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tatkündigung muss der Drogenkonsum unstreitig sein oder durch den Arbeitgeber stichfest nachgewiesen werden. Dies gelang in dem vorliegenden Fall nicht. Dagegen genügt es für die außerordentliche Verdachtskündigung, dass der begründete Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht und dieser Verdacht trotz zumutbarer Aufklärungsversuche nicht ausgeräumt werden kann.

Hinweis für die Praxis

Die Rechtslage bei illegalem Drogenkonsum im Betrieb scheint auf den ersten Blick eindeutig zu sein. In Fällen, in denen die Sachlage unklar ist, beziehungsweise der bloße Verdacht auf illegalen Drogenkonsum besteht, empfiehlt es sich daher, neben der Tatkündigung auch eine Verdachtskündigung auszusprechen. An die Verdachtskündigung werden jedoch hohe formelle Anforderungen gestellt. Insbesondere bei dem Aufklärungs- und Anhörungsprozess sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Dennoch lohnt sich dieser Aufwand, um auch bei einer unsicheren Sachlage eine rechtssichere Kündigung auszusprechen.

Außerordentliche Kündigung bei Verdacht auf Kokainkonsum

LAG Niedersachsen Urteil vom 06.05.2024 – 4 Sa 446/23

Fakten

Ein Kollege beobachtete, wie ein anderer Arbeitnehmer – ein Mitglied des Betriebsrats – an seinem Schreibtisch im Betriebsratsbüro ein weißes Pulver mit einer Karte zu einer Linie formte und sodann mit einem Röhrchen durch die Nase konsumierte. Auf Nachfrage erwiderte der Arbeitnehmer, dass es sich dabei weder um etwas Illegales noch um Drogen handle.

Bei der anschließenden Verdachtsanhörung durch den Arbeitgeber erklärte der Arbeitnehmer, es habe sich um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt. Einen vom Arbeitgeber angebotenen und finanzierten Drogentest nahm der Arbeitnehmer nicht wahr. In der Folge sprach der Arbeitgeber, nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats, eine außerordentliche (Verdachts-)Kündigung aus.

Entscheidung

Sowohl das in der ersten Instanz zuständige Arbeitsgericht Oldenburg, als auch das LAG Niedersachsen als Berufungsinstanz, wiesen die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab. Während die außerordentliche Tatkündigung der gerichtlichen Überprüfung nicht standhielt, erwies sich die außerordentliche Verdachtskündigung als wirksam. Die Schutzbehauptungen des Arbeitnehmers, er habe nichts Illegales getan und keine Drogen konsumiert, waren nicht ausreichend, um den begründeten Verdacht zu widerlegen. Des Weiteren wertete das Gericht zu Lasten des Arbeitnehmers, dass dieser einen vom Arbeitgeber angebotenen und finanzierten Drogentest nicht wahrgenommen hat.

Der Konsum von Kokain während der Arbeitszeit und in den Betriebsräumlichkeiten des Arbeitgebers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Dieser Verstoß ist geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu begründen.

Zum einen ist bereits der Besitz von Kokain gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine Straftat. Zum anderen folgt auch aus den Nebenleistungspflichten des Arbeitnehmers das Gebot, sich nicht in einen Rauschzustand zu versetzen. Denn in diesem Zustand ist es dem Arbeitnehmer nicht mehr möglich, seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Zudem kann er hierdurch sich sowie andere Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung gefährden.

Auch der Umstand, dass es sich bei dem Arbeitnehmer in dem vorliegenden Fall um ein Betriebsratsmitglied handelte, rechtfertigte keine mildere Beurteilung. Die Hürde für die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist verhältnismäßig hoch. Dennoch gilt auch für Betriebsräte „Finger weg von Drogen während der Arbeitszeit“.

Folgen der Entscheidung

Das LAG Niedersachsen schließt sich mit dieser Entscheidung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15) an. Damit wird die harte Linie der Gerichte bei illegalem Drogenkonsum bestätigt.

Bei aller Konsequenz und Kompromisslosigkeit der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass nur die Verdachtskündigung des Arbeitgebers Erfolg hatte. Die primär ausgesprochene Tatkündigung blieb erfolglos. Für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tatkündigung muss der Drogenkonsum unstreitig sein oder durch den Arbeitgeber stichfest nachgewiesen werden. Dies gelang in dem vorliegenden Fall nicht. Dagegen genügt es für die außerordentliche Verdachtskündigung, dass der begründete Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht und dieser Verdacht trotz zumutbarer Aufklärungsversuche nicht ausgeräumt werden kann.

Hinweis für die Praxis

Die Rechtslage bei illegalem Drogenkonsum im Betrieb scheint auf den ersten Blick eindeutig zu sein. In Fällen, in denen die Sachlage unklar ist, beziehungsweise der bloße Verdacht auf illegalen Drogenkonsum besteht, empfiehlt es sich daher, neben der Tatkündigung auch eine Verdachtskündigung auszusprechen. An die Verdachtskündigung werden jedoch hohe formelle Anforderungen gestellt. Insbesondere bei dem Aufklärungs- und Anhörungsprozess sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Dennoch lohnt sich dieser Aufwand, um auch bei einer unsicheren Sachlage eine rechtssichere Kündigung auszusprechen.

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