Autoren
Co-Autoren
Adam Eshaq
Datum

07. Mai 2025

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BGH, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 16. Januar 2025  (Az.: IX ZR 229/23)

Der Bundesgerichtshof stellt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in seinem Vorlagebeschluss richtungsweisende Fragen zu grenzüberschreitenden Gesellschafterdarlehen. Die Entscheidung des EuGH kann weitreichende Konsequenzen für das deutsche (Gesellschafterdarlehens- und) Insolvenzanfechtungsrecht haben. Steht das deutsche Gesellschafterdarlehensrecht in seiner derzeitigen Form gar vor dem Aus?

Sachverhalt

Dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2025 (Az.: IX ZR 229/23) lag – stark verkürzt – folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine nach österreichischem Recht errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in Österreich gewährte der späteren Insolvenzschuldnerin im Jahr 2015 durch zwei Darlehensverträge ein Darlehen über EUR 3 Mio. und ein weiteres Darlehen über EUR 2 Mio. Die Darlehensverträge wurden dem österreichischen Recht unterstellt und durch abgetretene Forderungen besichert.

Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um eine deutsche GmbH mit Sitz in Deutschland und Schwestergesellschaft der Klägerin. Die Hauptgesellschafterin der Klägerin hielt 78% von deren Geschäftsanteilen und 33% der Geschäftsanteile der Insolvenzschuldnerin. Die Insolvenzschuldnerin stellte am 15. Juli 2016 einen Insolvenzantrag. Im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung leistete die Insolvenzschuldnerin an die Klägerin verschiedene Tilgungs- und Zinszahlungen auf die gewährten Darlehen.

Die Klägerin meldete ihre – unter Anrechnung der geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen – noch offenen Rückzahlungsansprüche aus den beiden Darlehen bei dem beklagten Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte bestritt die Forderungen in voller Höhe. Die Klägerin begehrt im Wege der Feststellungsklage die Feststellung ihrer Forderungen aus den Darlehensverträgen zur Insolvenztabelle sowie die Anerkennung eines Absonderungsrechts an den ihr zur Sicherheit abgetretenen Forderungen. Der Beklagte macht widerklagend einen Rückgewähranspruch zugunsten der Insolvenzmasse geltend, da die von der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen der Insolvenzanfechtung unterliegen sollen.

Wesentlicher Inhalt des Vorlagebeschlusses des BGH

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss das von der Klägerin angestrengte Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 13 EuInsVO 2000 bzw. Art. 16 EuInsVO 2015 bezüglich der Anwendung des europäischen Insolvenzrechts in Kollisionsfällen vorgelegt. Im Kern geht es dabei um die bislang ungeklärte Frage, ob in grenzüberschreitenden Kollisionsfällen das für die insolvenzrechtliche Beurteilung von Gesellschafterdarlehen und die Anfechtbarkeit von deren Rückzahlungen anwendbare Recht nach dem Vertrags-, Gesellschafts- oder Insolvenzstatut zu bestimmen ist.

Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO 2000 (heute: Art. 7 Abs. 1 EuInsVO 2015) unterliegt das Insolvenzverfahren grundsätzlich dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird (sog. Insolvenzstatut). Dementsprechend geht der Bundesgerichtshof unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu Gesellschafterdarlehen in horizontalen Unternehmensverbunden zunächst davon aus, dass die von der Klägerin an die Insolvenzschuldnerin ausgereichten Darlehen dem Gesellschafterdarlehensrecht unterliegen. Die von der Klägerin gewährten Darlehen sind daher in dem streitgegenständlichen Insolvenzverfahren nach deutschem Recht gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als nachrangige Insolvenzforderungen zu qualifizieren.

Auch für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Rechtshandlungen aufgrund ihrer die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligenden Wirkung anfechtbar sind, ist aufgrund des Insolvenzstatuts grundsätzlich allein das Recht des Staates der (Insolvenz-)Verfahrenseröffnung maßgeblich (Art. 4 Abs. 2 lit. m EuInsVO 2000 bzw. Art. 7 Abs. 2 lit. m EuInsVO 2015.). Die streitgegenständlichen Tilgungs- und Zinszahlungen der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung wären damit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in anfechtbarer Weise erfolgt und an die Insolvenzmasse zur erstatten.

Indes sieht die Regelung von Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Nach dieser Vorschrift sollen die Regelungen desjenigen Mitgliedstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dann nicht für die Beurteilung der Anfechtbarkeit der Rechtshandlung maßgeblich sein, wenn der durch diese Rechtshandlung begünstigte Gläubiger nachweist, dass (i) für diese Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und (ii) die Rechtshandlung nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates in keiner Weise (rechtlich) angreifbar ist.

Der Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, eine abweichende rechtliche Bewertung des betreffenden Sachverhalts zu verhindern, wenn und soweit die Beteiligten bei der Vornahme der konkreten Rechtshandlung auf die Geltung des dieser Rechtshandlung zugrundeliegenden oder -gelegten Rechts (sog. Vertragsstatut) vertraut haben bzw. vertrauen durften.

Sofern die Regelung von Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) anwendbar sein sollte, wäre die Frage nach der Anfechtbarkeit der Tilgungs- und Zinszahlungen nach dem Vertragsstatut und damit im vorliegenden Fall nach österreichischem statt nach deutschem (Insolvenz-)Recht zu beurteilen. Nach dem Vortrag der Klägerin sollen die betreffenden Rückzahlungen nach österreichischem Recht in keiner Weise angreifbar sein.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Art. 13 EUInsVO 2000 normierte Ausnahme vom Insolvenzstatut auch für Rückforderungsverlangen im Rahmen der Insolvenzanfechtung gilt, mit denen der im Staat der Verfahrenseröffnung geltende Nachrang von Gesellschafterdarlehen durchgesetzt bzw. wiederhergestellt werden soll.

Für den Fall, dass diese Frage bejaht werden sollte, fragt der BGH ferner, ob die Regelung des Art. 13 EUInsVO 2000 auch gegenüber Anfechtungstatbeständen gelte, die – wie § 135 InsO – dazu dienten, die von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen im Vorfeld der Insolvenz dem haftenden Eigenkapital weitgehend gleichzustellen.

Der Bundesgerichtshof lässt dabei in seinen Ausführungen in dem Vorlagebeschluss relativ deutlich seine Sympathien dafür erkennen, dass das Insolvenzstatut auch für die rechtliche Bewertung von solchen Gesellschafterdarlehen maßgeblich sein soll, für die das Recht eines anderen Mitgliedstaates vereinbart wurde. Zur Begründung verweist er insbesondere auf die fehlende Schutzbedürftigkeit des ausländischen Gesellschafters, der einer deutschen Gesellschaft ein Darlehen gewährt habe. Der mit der Regelung des Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) bezweckte Vertrauensschutz solle nach seiner Grundidee nämlich allein für zwei voneinander unabhängige Vertragspartner gelten, nicht aber für die deutlich engere Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft.

Der Gesellschafter dürfte bei seinen Finanzierungsentscheidungen nicht darauf vertrauen, dass diese ausschließlich nach dem Vertragsstatut beurteilt werden. Die strikte Bestimmung des im Insolvenzfall auf Gesellschafterdarlehen anwendbaren Rechts nach dem Insolvenzstatuts werde schließlich von dem Rechts- und Schutzgedanken getragen, eine Umgehung des deutschen Gesellschafterdarlehensrecht durch die Wahl ausländischen Rechts zu verhindern. Der Bundesgerichtshof will daher im Wege einer teleologischen Reduktion des Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO aus dessen Anwendungsbereich herausnehmen.

Bewertung der Entscheidung und mögliche Praxisfolgen

Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ist ausdrücklich zu begrüßen, da vom EuGH in jedem Fall eine richtungsweisende Entscheidung zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) auf Gesellschafterdarlehensverträge und die Anfechtbarkeit von deren Rückzahlungen erwartet werden kann. Dies wird – hoffentlich – zu entsprechender Rechtssicherheit führen – in die eine oder die andere Richtung.

Dem Bundesgerichtshof ist im Grundsatz auch darin zuzustimmen, dass ein ausländischer Gesellschafter bei der Finanzierung einer Gesellschaft nicht uneingeschränkt darauf vertrauen darf, dass diese allein nach dem Vertragsstatut beurteilt wird. Schließlich muss derjenige, der sich einem ausländischen Vertragspartner einlässt, bei dessen Insolvenz zwangsläufig und per se auch mit der Anwendung ausländischen Insolvenzrechts und der ausländischen Insolvenzanfechtung rechnen. Ob sich der EuGH indes auch in der Sache der Argumentation und Positionierung des Bundesgerichtshofs anschließen wird, ist zumindest ungewiss. Dies u.a. auch deshalb, weil der vom Bundesgerichtshof betonten Umgehungsgefahr im Unionsrecht bereits dahingehend Rechnung getragen wird, als dass sich nach der Rechtsprechung des EuGH niemand in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Union berufen darf (EuGH, Urteil vom 8. Juni 2017 – C-54/16).

In der Sache geht es bei der anstehenden Vorabentscheidung des EuGH – anders als vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag – jedoch im Ergebnis um viel mehr als die Auslegungsfrage, ob die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens, das einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland durch eine ausländische Konzerngesellschaft gewährt wurde, der Anfechtbarkeit nach § 135 InsO unterliegt oder nicht.

Denn sofern der EuGH die Vorlagefrage, ob die in Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) normierte Ausnahme vom Insolvenzstatut auch für solche Insolvenzanfechtungstatbestände gilt, die der Durchsetzung des im Staat der Verfahrenseröffnung geltenden Nachrangs von Gesellschafterdarlehen dienen, bejahen sollte, stünde vermutlich das gesamte deutsche Gesellschafterdarlehensrecht in seiner bisherigen Form auf dem Spiel.

Schließlich könnte dann zukünftig durch die Einschaltung ausländischer Finanzierungsgesellschaften und entsprechender Rechtswahlklauseln die Anwendbarkeit des deutschen Gesellschafterdarlehensrecht und die Anfechtbarkeit von Rückzahlungen nach § 135 InsO vermieden werden. Inländische Gesellschafter stünden hingegen weiterhin in der Haftung, was rechtspolitisch und wirtschaftlich kaum zu vertreten sein dürfte.

Sie haben Fragen im Zusammenhang mit der Gewährung und Gestaltung von Gesellschafterdarlehen oder allgemein im Zusammenhang mit insolvenzrechtlichen Anfechtungsrisiken von Zahlungen in der Krise? Dann melden Sie sich jederzeit gerne bei uns.

Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen – Quo vadis?

BGH, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 16. Januar 2025  (Az.: IX ZR 229/23)

Der Bundesgerichtshof stellt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in seinem Vorlagebeschluss richtungsweisende Fragen zu grenzüberschreitenden Gesellschafterdarlehen. Die Entscheidung des EuGH kann weitreichende Konsequenzen für das deutsche (Gesellschafterdarlehens- und) Insolvenzanfechtungsrecht haben. Steht das deutsche Gesellschafterdarlehensrecht in seiner derzeitigen Form gar vor dem Aus?

Sachverhalt

Dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2025 (Az.: IX ZR 229/23) lag – stark verkürzt – folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine nach österreichischem Recht errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in Österreich gewährte der späteren Insolvenzschuldnerin im Jahr 2015 durch zwei Darlehensverträge ein Darlehen über EUR 3 Mio. und ein weiteres Darlehen über EUR 2 Mio. Die Darlehensverträge wurden dem österreichischen Recht unterstellt und durch abgetretene Forderungen besichert.

Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um eine deutsche GmbH mit Sitz in Deutschland und Schwestergesellschaft der Klägerin. Die Hauptgesellschafterin der Klägerin hielt 78% von deren Geschäftsanteilen und 33% der Geschäftsanteile der Insolvenzschuldnerin. Die Insolvenzschuldnerin stellte am 15. Juli 2016 einen Insolvenzantrag. Im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung leistete die Insolvenzschuldnerin an die Klägerin verschiedene Tilgungs- und Zinszahlungen auf die gewährten Darlehen.

Die Klägerin meldete ihre – unter Anrechnung der geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen – noch offenen Rückzahlungsansprüche aus den beiden Darlehen bei dem beklagten Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte bestritt die Forderungen in voller Höhe. Die Klägerin begehrt im Wege der Feststellungsklage die Feststellung ihrer Forderungen aus den Darlehensverträgen zur Insolvenztabelle sowie die Anerkennung eines Absonderungsrechts an den ihr zur Sicherheit abgetretenen Forderungen. Der Beklagte macht widerklagend einen Rückgewähranspruch zugunsten der Insolvenzmasse geltend, da die von der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen der Insolvenzanfechtung unterliegen sollen.

Wesentlicher Inhalt des Vorlagebeschlusses des BGH

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss das von der Klägerin angestrengte Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 13 EuInsVO 2000 bzw. Art. 16 EuInsVO 2015 bezüglich der Anwendung des europäischen Insolvenzrechts in Kollisionsfällen vorgelegt. Im Kern geht es dabei um die bislang ungeklärte Frage, ob in grenzüberschreitenden Kollisionsfällen das für die insolvenzrechtliche Beurteilung von Gesellschafterdarlehen und die Anfechtbarkeit von deren Rückzahlungen anwendbare Recht nach dem Vertrags-, Gesellschafts- oder Insolvenzstatut zu bestimmen ist.

Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO 2000 (heute: Art. 7 Abs. 1 EuInsVO 2015) unterliegt das Insolvenzverfahren grundsätzlich dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird (sog. Insolvenzstatut). Dementsprechend geht der Bundesgerichtshof unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu Gesellschafterdarlehen in horizontalen Unternehmensverbunden zunächst davon aus, dass die von der Klägerin an die Insolvenzschuldnerin ausgereichten Darlehen dem Gesellschafterdarlehensrecht unterliegen. Die von der Klägerin gewährten Darlehen sind daher in dem streitgegenständlichen Insolvenzverfahren nach deutschem Recht gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als nachrangige Insolvenzforderungen zu qualifizieren.

Auch für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Rechtshandlungen aufgrund ihrer die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligenden Wirkung anfechtbar sind, ist aufgrund des Insolvenzstatuts grundsätzlich allein das Recht des Staates der (Insolvenz-)Verfahrenseröffnung maßgeblich (Art. 4 Abs. 2 lit. m EuInsVO 2000 bzw. Art. 7 Abs. 2 lit. m EuInsVO 2015.). Die streitgegenständlichen Tilgungs- und Zinszahlungen der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung wären damit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in anfechtbarer Weise erfolgt und an die Insolvenzmasse zur erstatten.

Indes sieht die Regelung von Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Nach dieser Vorschrift sollen die Regelungen desjenigen Mitgliedstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dann nicht für die Beurteilung der Anfechtbarkeit der Rechtshandlung maßgeblich sein, wenn der durch diese Rechtshandlung begünstigte Gläubiger nachweist, dass (i) für diese Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und (ii) die Rechtshandlung nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates in keiner Weise (rechtlich) angreifbar ist.

Der Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, eine abweichende rechtliche Bewertung des betreffenden Sachverhalts zu verhindern, wenn und soweit die Beteiligten bei der Vornahme der konkreten Rechtshandlung auf die Geltung des dieser Rechtshandlung zugrundeliegenden oder -gelegten Rechts (sog. Vertragsstatut) vertraut haben bzw. vertrauen durften.

Sofern die Regelung von Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) anwendbar sein sollte, wäre die Frage nach der Anfechtbarkeit der Tilgungs- und Zinszahlungen nach dem Vertragsstatut und damit im vorliegenden Fall nach österreichischem statt nach deutschem (Insolvenz-)Recht zu beurteilen. Nach dem Vortrag der Klägerin sollen die betreffenden Rückzahlungen nach österreichischem Recht in keiner Weise angreifbar sein.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Art. 13 EUInsVO 2000 normierte Ausnahme vom Insolvenzstatut auch für Rückforderungsverlangen im Rahmen der Insolvenzanfechtung gilt, mit denen der im Staat der Verfahrenseröffnung geltende Nachrang von Gesellschafterdarlehen durchgesetzt bzw. wiederhergestellt werden soll.

Für den Fall, dass diese Frage bejaht werden sollte, fragt der BGH ferner, ob die Regelung des Art. 13 EUInsVO 2000 auch gegenüber Anfechtungstatbeständen gelte, die – wie § 135 InsO – dazu dienten, die von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen im Vorfeld der Insolvenz dem haftenden Eigenkapital weitgehend gleichzustellen.

Der Bundesgerichtshof lässt dabei in seinen Ausführungen in dem Vorlagebeschluss relativ deutlich seine Sympathien dafür erkennen, dass das Insolvenzstatut auch für die rechtliche Bewertung von solchen Gesellschafterdarlehen maßgeblich sein soll, für die das Recht eines anderen Mitgliedstaates vereinbart wurde. Zur Begründung verweist er insbesondere auf die fehlende Schutzbedürftigkeit des ausländischen Gesellschafters, der einer deutschen Gesellschaft ein Darlehen gewährt habe. Der mit der Regelung des Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) bezweckte Vertrauensschutz solle nach seiner Grundidee nämlich allein für zwei voneinander unabhängige Vertragspartner gelten, nicht aber für die deutlich engere Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft.

Der Gesellschafter dürfte bei seinen Finanzierungsentscheidungen nicht darauf vertrauen, dass diese ausschließlich nach dem Vertragsstatut beurteilt werden. Die strikte Bestimmung des im Insolvenzfall auf Gesellschafterdarlehen anwendbaren Rechts nach dem Insolvenzstatuts werde schließlich von dem Rechts- und Schutzgedanken getragen, eine Umgehung des deutschen Gesellschafterdarlehensrecht durch die Wahl ausländischen Rechts zu verhindern. Der Bundesgerichtshof will daher im Wege einer teleologischen Reduktion des Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO aus dessen Anwendungsbereich herausnehmen.

Bewertung der Entscheidung und mögliche Praxisfolgen

Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ist ausdrücklich zu begrüßen, da vom EuGH in jedem Fall eine richtungsweisende Entscheidung zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) auf Gesellschafterdarlehensverträge und die Anfechtbarkeit von deren Rückzahlungen erwartet werden kann. Dies wird – hoffentlich – zu entsprechender Rechtssicherheit führen – in die eine oder die andere Richtung.

Dem Bundesgerichtshof ist im Grundsatz auch darin zuzustimmen, dass ein ausländischer Gesellschafter bei der Finanzierung einer Gesellschaft nicht uneingeschränkt darauf vertrauen darf, dass diese allein nach dem Vertragsstatut beurteilt wird. Schließlich muss derjenige, der sich einem ausländischen Vertragspartner einlässt, bei dessen Insolvenz zwangsläufig und per se auch mit der Anwendung ausländischen Insolvenzrechts und der ausländischen Insolvenzanfechtung rechnen. Ob sich der EuGH indes auch in der Sache der Argumentation und Positionierung des Bundesgerichtshofs anschließen wird, ist zumindest ungewiss. Dies u.a. auch deshalb, weil der vom Bundesgerichtshof betonten Umgehungsgefahr im Unionsrecht bereits dahingehend Rechnung getragen wird, als dass sich nach der Rechtsprechung des EuGH niemand in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Union berufen darf (EuGH, Urteil vom 8. Juni 2017 – C-54/16).

In der Sache geht es bei der anstehenden Vorabentscheidung des EuGH – anders als vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag – jedoch im Ergebnis um viel mehr als die Auslegungsfrage, ob die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens, das einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland durch eine ausländische Konzerngesellschaft gewährt wurde, der Anfechtbarkeit nach § 135 InsO unterliegt oder nicht.

Denn sofern der EuGH die Vorlagefrage, ob die in Art. 13 EuInsVO 2000 (heute: Art. 16 EuInsVO 2015) normierte Ausnahme vom Insolvenzstatut auch für solche Insolvenzanfechtungstatbestände gilt, die der Durchsetzung des im Staat der Verfahrenseröffnung geltenden Nachrangs von Gesellschafterdarlehen dienen, bejahen sollte, stünde vermutlich das gesamte deutsche Gesellschafterdarlehensrecht in seiner bisherigen Form auf dem Spiel.

Schließlich könnte dann zukünftig durch die Einschaltung ausländischer Finanzierungsgesellschaften und entsprechender Rechtswahlklauseln die Anwendbarkeit des deutschen Gesellschafterdarlehensrecht und die Anfechtbarkeit von Rückzahlungen nach § 135 InsO vermieden werden. Inländische Gesellschafter stünden hingegen weiterhin in der Haftung, was rechtspolitisch und wirtschaftlich kaum zu vertreten sein dürfte.

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