BAG-Urteil vom 12.03.2024 – 3 AZR 150/23
Fakten
Die Arbeitsverträge bei einem Arbeitgeber aus dem Umfeld des öffentlichen Dienstes (TVöD-Anwender) beinhalteten die folgende (übliche) Bezugnahmeklausel:
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD – Allgemeiner Teil/VKA) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, soweit in nachstehenden Bestimmungen keine abweichenden Regelungen getroffen werden.
Mehrere Arbeitnehmer forderten rückwirkend und zukünftig eine tarifliche betriebliche Altersversorgung zu erhalten.
Entscheidung
Dieser Forderung ist das BAG in seiner genannten Entscheidung entgegengetreten. Nur mit der Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf den TVöD verspreche der Arbeitgeber keine Versorgungsleistungen nach dem „Tarifvertrag Altersversorgung -ATV.“ Auch wenn der TVöD in § 25 auf den ATV verweise, werde der ATV dadurch nicht in den Arbeitsvertrag einbezogen.
Eine Einbeziehung des ATV würde nur dann erfolgen, wenn die Bezugnahmeklausel auch auf die „ergänzenden und ändernden“ Tarifverträge verweisen würde.
Weiter stellt das BAG noch einmal klar, dass bei einer tariflichen Geltung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes – d.h. der Arbeitgeber ist Mitglied in einem der VKA-Mitgliedsverbände und der Arbeitnehmer ist Mitglied bei ver.di – alle Tarifverträge, und damit auch der ATV gelten.
Folgen der Entscheidung
Gerade eine Einbeziehung des ATV führt bei reinen TVöD-Anwendern häufig zu Problemen. Arbeitgeber, die nicht direkt dem öffentlichen Dienst zugehörig sind, sondern die Regelungen des TVöD nur anwenden, weil sie in der Peripherie des öffentlichen Dienstes tätig sind, stellt die Altersversorgung nach dem ATV vor Herausforderungen. Der ATV wird bei den öffentlichen Arbeitgebern meist durch die Mitgliedschaft einer Versorgungskasse umgesetzt. Satzungsgemäß können reine TVöD-Anwender aber gar nicht Mitglied in einer Versorgungskasse werden. Diese müssen sich daher Ersatzkonstruktionen bedienen, die zumeist keine 1:1 Umsetzung des ATV bieten. Streitigkeiten mit den Beschäftigten sind daher vorprogrammiert.
Für viele TVöD-Anwender wird der Spielraum ob und wie eine Altersversorgung für die Beschäftigten angeboten wird, sehr viel größer.
Interessant wird die Frage, wie sich die Entscheidung des BAG über den TVöD hinaus auf andere Tarifverträge auswirkt. Wenn nach der Ansicht des BAG eine Verweisung auf einen Tarifvertrag ohne die Formulierung „ergänzenden und ändernden“ Tarifverträge nur den genannten Tarifvertrag meint, dann dürften in vielen Fällen außer dem Manteltarifvertrag und dem Entgelttarifvertrag viele andere ergänzende Tarifverträge – wie z.B. Tarifverträge zur Altersteilzeit oder zur Kurzarbeit nicht gelten.
Hinweis für die Praxis
Von Unternehmen, die Gelder der öffentlichen Hand erhalten, wird häufig erwartet, dass sie entweder einem Mitgliedsverband der VKA beitreten oder zumindest den TVöD für alle Beschäftigten anwenden. Die reinen TVöD-Anwender sollten sich sehr genau überlegen, welche Leistungen sie den Beschäftigten tatsächlich anbieten wollen. Gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes gibt es viele Arbeitgeber, die wegen des Wettbewerbs um Mitarbeiter mindestens TVöD-Leistungen bieten müssen. Im Bereich der Altersversorgung haben diese durch eine Gestaltung der Bezugnahmeklausel nunmehr Möglichkeiten Angebote zu machen, die attraktiv aber auch rechtlich richtig umsetzbar sind.
Bei vielen, der derzeit anhängigen Verfahren lohnt es sich noch einmal genau zu schauen, ob sich die Forderung des Arbeitnehmers nicht bereits aufgrund der vertraglichen Regelung erledigt hat.